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Keine Kontaktschwierigkeiten bei Metallen  
  Die Frage, warum zwei gegeneinander reibende Metalle wie bei einem Scharnier blockieren und verschleißen, zählt zu den ältesten und technologisch wichtigen Problemen in der Physik. Die dabei ablaufenden atomaren Prozesse erschlossen sich den Wissenschaftlern bislang nur aus der Theorie und der Simulation am Computer. Ein Grazer Festkörperphysiker konnte den Prozess nun - gefördert vom Wissenschaftsfonds (FWF) - experimentell im
Nanometerbereich sichtbar machen.
 
Scharniere, die auf Grund von Reibung blockieren, gehören - dank dem Einsatz von Kunststoffen, Beschichtungen und Schmiermittel - seit langem der Vergangenheit an.

Warum es allerdings bei zwei Metallen ohne zusätzliche Schutzmittel üblicherweise zu Abreibung, Verschleiß oder Blockade der Bauteile kommt, versuchen Wissenschaftler schon seit längerem, an atomaren Modellen, theoretisch und durch Modellrechnungen am Computer zu erklären.

Der Grazer Festkörperphysiker Manfred Leisch von der TU Graz konnte nun gemeinsam mit seinen Projektmitarbeitern die nanomechanischen Prozesse beim Kontakt zweier Metalle im Experiment bestätigen.
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Molekular-Dynamik im Computermodell
Bereits Anfang der 90er Jahre haben amerikanische Wissenschaftler theoretisch am Computermodell die atomaren Vorgänge simuliert, die ablaufen, wenn Metalle in Kontakt gebracht und gegeneinander bewegt werden. Die Forscher stellten bei ihren Molekular-Dynamik-Berechnungen fest, dass bei der Annäherung im atomaren Bereich der Übergang zum direkten mechanischen Kontakt sprunghaft eintritt und dass es nach der Trennung zu einer Übertragung von Material auf die Kontaktspitze kommt.
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Theoretische Modelle praktisch überprüft
Jetzt wurden die theoretischen Vorhersagen an ausgewählten, technologisch relevanten Material-Paaren unterschiedlicher Härte wie Wolfram, Silizium, Gold und Nickel experimentell überprüft.

Dabei wurden drei Gesichtspunkte des Prozesses erörtert: Die Annäherung der Spitze bis kurz vor die Oberfläche, die Spitze im elektrischen Kontakt zur Oberfläche und die plastische Verformung der Oberfläche durch Eindrucken der Spitze.

Die Ergebnisse der Versuchsreihe zeigten eine verblüffende Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen aus den Computersimulationen.
Materialübertrag durch Wechselwirkung
"Die atomaren Wechselwirkungen zwischen den beiden Metallen sind für den Materialübertrag verantwortlich," erklärt Leisch.

"Die Spitze und die Oberfläche verhalten sich dann ähnlich wie ein Löffel, den man aus einem Honigglas zieht: So wie am Löffel Honig hängen bleibt, geschieht das auch mit dem Oberflächenmaterial an der Spitze."
Analyse atomarer Prozesse
"Ziel unseres Projekts war es, die atomaren Prozesse, die bei der Bildung eines mechanischen Kontakts ablaufen, auf einer glatten Metalloberfläche mit Hilfe einer feinen Metallspitze zu untersuchen", erläutert Leisch.

"Der entscheidende neue Aspekt ist, dass beide Kontaktpartner, die Spitze und die Oberfläche, experimentell mit Hilfe eines analytischen Feld-Ionen-Mikroskops (FIM) - einer Atomsonde - und eines Raster-Tunnel-Mikroskops (STM) untersucht worden sind."
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Rastertunnel-Mikroskop
ein von G. Binnig und H. Rohrer entwickeltes Mikroskop, das unter Ausnutzung des quantenmechanischen Tunneleffekts Unebenheiten auf Oberflächen von Metallen und Halbleitern sichtbar machen kann, die kleiner sind als der Durchmesser eines Atoms. Von der Abtastspitze des Mikroskops werden Informationen auf einen Oszillographen gegeben und durch einen Computer bearbeitet.
->   Mehr zum Rastertunnel-Mikroskop
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Neuer Versuchsansatz
Mit der Kombination dieser einzeln bereits gängigen
Untersuchungsmethoden in einem Vakuumsystem ist ein Versuchsaufbau realisiert worden, der nach angaben der Wissenschaftler in dieser Art und Weise weltweit noch nie eingesetzt worden ist.

"Durch die Verbindung dieser beiden abbildenden Verfahren mit atomarer Auflösung ergeben sich nun neue Möglichkeiten, Prozesse im Nanobereich zu beobachten und zu erörtern", führt der Wissenschaftler aus.

"Damit können wir künftig auch neue nanostrukturierte Materialien untersuchen und zur Klärung ihres Aufbaus und ihrer Eigenschaften beitragen."
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Feldionen-Mikroskop
Mit dem analytischen Feldionenmikroskop können Struktur und chemische Zusammensetzung elektrisch leitfähiger Materialien auf atomarer Skala untersucht werden. Bei dieser Methode werden zwei Geräte kombiniert: das Feldionenmikroskop, kurz FIM genannt, mit dem die Oberfläche der Probe mit etwa 1.000.000 facher Vergrößerung abgebildet wird. Mit der Atomsonde kann durch Flugzeitmassenspektrometrie einzelner Atome die chemische Zusammensetzung mit einer lateralen Auflösung von 1 nm und einer Tiefenauflösung von einer Atomlage bestimmt werden. Dabei wird durch sukzessive Feldverdampfung der Oberflächenatome die Probe nach und nach abgetragen, sodass ein Konzentrationsprofil von bis zu etwa 200 nm Länge in die Tiefe der Probe hinein aufgenommen werden kann.
->   Mehr zum Feld-Ionen-Mikroskop
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Technologisch relevant
Die Ergebnisse der Untersuchungsreihe haben grundlegend zum Verständnis einer Reihe von technologisch relevanter Vorgänge wie der Bildung elektrischer Kontakte, Reibung und Verschleiß von Materialien beigetragen.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
->   Institut für Festkörperphysik der TU Graz
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
->   Universum Magazin
 
 
 
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01.01.2010