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Die Kanäle des Lebens  
  Ionenkanäle regulieren die Verteilung wichtiger Ionen zwischen Zellinnerem und Zelläußerem und sichern so mit der elektrischen Erregbarkeit der Zellen einer der zentralen Lebensfunktionen. Dazu gehört auch der Kaliumkanal, der als spezifische Austrittspforte für Kalium dient. Jetzt konnte geklärt werden, wie dieser für den Organismus wichtige physiologische Mechanismus abläuft.  
Dies berichten zwei Forscherteams in der aktuellen Ausgabe von 'Nature'. Das Team um Roderick MacKinnon vom Howard Hughes Medical Institute beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit dem Kaliumkanal und hat jetzt die Ergebnisse ihrer Analyse sowohl der Energetik als auch der Chemie des Kaliumkanals vorgelegt.

Unabhängig davon erstellten Simon Bernèche und Benoît Roux vom Weill Medical College of Cornell University Cmputersimulationen, die veranschaulichen sollen, wie der Kanal Kalium-Ionen hindurch befördert.
->   Artikel zu den Kaliumkanälen in 'Nature' (kostenpflichtig)
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Ionenkanäle und ihre Funktionen
Es existieren in der Zellmembran hochspezialisierte Öffnungen, durch die bei Bedarf Ionen strömen können und die oft nur ganz bestimmte Ionen durchlassen. Diese Öffnungen bezeichnet man als Ionenkanäle, es gibt u.a. Natrium-, Kalzium- und Kaliumkanäle. Bei einer elektrischen Erregung einer Nervenzelle kommt es zu einer Öffnung der unterschiedlichen Ionenkanäle in einem genau festgelegten zeitlichen Ablauf, beginnend mit Natriumkanälen, gefolgt von Kaliumkanälen. Die anfangs bestehenden Konzentrationsunterschiede der verschiedenen Ionen zwischen Zellinnerem und Extrazellularraum führen dabei zu raschen Ionenverschiebungen entsprechend den Konzentrationsgefällen.
->   Mehr zu Ionenkanälen
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In sieben Etappen
Die Ergebnisse der beiden Forscherteams decken sich weitgehend. Demnach wird ein Kalium-Ion in sieben Etappen durch den spezifischen Kanal gelotst.

Wenn sich der Kanal öffnet, gelangen die Kalium-Ionen von der Zell-Innenseite zunächst in einen Hohlraum, in dem sie sich ihrer Hydrathülle entledigen. An dieser Stelle beginnt sich ein hochspezifischer Filter einzuschalten, der ausschließlich Kalium-Ionen absorbiert.

Dieser Filter durchzieht die gesamte Membran und besteht aus vier hintereinander geschalteten Andockstellen für Kalium-Ionen.
Wechselweise Bindung
An der Zell- Außenseite befinden sich noch einmal zwei Bindungsstellen für Kalium-Ionen. Von diesen Bindungsstellen sind immer nur zwei mit Kalium besetzt, und zwar solche, die nicht direkt aneinander liegen.

In dieser speziellen Art der Anbindung an die Zelle, sehen die Forscher auch das Geheimnis des flotten Kaliumtransportes durch die Ionenkanäle.

Denn sobald ein Kalium-Ion von dem Hohlraum am Eingang des Kanals an der ersten freien Bindungsstelle andockt, springt ein Ion von Platz zwei auf Platz drei. Dadurch wird wiederum ein Ion von Platz vier auf Platz fünf verdrängt und so erfolgt ein flexibler 'Platzwechsel', der die schnelle Ionen-Passage durch den Kanal ermöglicht.
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Bau von Ionenkanälen
Ionenkanäle durchspannen die Membran mit meist mehreren Proteinsegmenten. Die transmembranen Segmente enthalten viele hydrophobe(wasserabweisende) und wenig hydrophile(wasseranziehende) Aminosäurereste. Außerhalb der Membran finden sich überwiegend polare und geladene Aminosäuren. Ein spezielles Proteinsegment trägt zur Auskleidung der Pore bei.
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Flexibles Springen zwischen Zuständen
Der Kalium-Kanal wechselt in kürzester Zeit zwischen zwei verschiedenen Zuständen, bei denen entweder die Positionen eins, drei und fünf oder zwei, vier und sechs mit jeweils einem Kalium-Ion besetzt sind.

Wie ein weitergeleiteter Impuls, veranlasst ein in den Kanal eintretendes Kalium-Ion drei Ionen im Innern des Kanals zur Positionsveränderung, der wiederum ein Ion hinaus lässt. Dadurch gelangen die Kalium-Ionen schnell und energetisch effizient durch den Ionenkanal an die Außenseite der Zelle.
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Natrium-Kalium-Pumpe
Jede lebende Zelle ist im Vergleich zur Umwelt negativ geladen; sie bildet sozusagen eine Art Batterie. Aufrechterhalten wird die Spannung durch ein Konzentrationsgefälle verschiedener Ionen. Diese Spannung z.B. bei Nervenzellen wird dazu genutzt, um elektrische Signale auszutauschen. Mit Hilfe des elektrochemischen Gefälles werden Nährstoffe aufgenommen und Stoffwechselprodukte wieder abgegeben. Die Natrium-Kalium-Pumpe sitzt in der Zellmembran und transportiert jeweils drei positiv geladene Natrium-Ionen nach außen im Austausch für zwei positiv geladene Kalium-Ionen, die nach innen wandern.
->   Mehr zu Natrium-Kalium-Pumpen
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Mehr als eine bloße Hülle
Zellmembranen sind alles andere als bloße Hüllen. Sie entscheiden selektiv darüber, welche Stoffe und chemischen Verbindungen Zellmembran passieren dürfen.

Diese ungleichmäßige Ionen-Konzentration bildet die Grundlage der elektrischen Erregbarkeit der Zelle. Sobald die Zelle erregt wird, öffnen sich spannungsabhängige Ionenkanäle, die zunächst Natrium-Ionen hinein und danach Kalium-Ionen herauslassen.
Hochspezifisch
Die Kanäle lassen allerdings nur ganz bestimmte Ionen passieren. Und das in atemberaubender Geschwindigkeit. So passieren 100 Millionen Ionen pro Sekunde den Kaliumkanal, ein einzelnes Ion benötigt also nur 10 Nanosekunden für die Passage.

Demnach sind diese Kanäle höchst aktive Teilnehmer in einem komplexen physiologischen Geschehen und nicht einfach bloß passive 'Löcher', wie Wissenschaftler früher dachten.
->   Howard Hughes Medical Institute
->   Department of Molecular Biophysics and Biochemistry, Yale University
->   Department of Biochemistry, Weill Medical College der Cornell University
 
 
 
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01.01.2010