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Cholesterin-Futter für Nervenzellen  
  Cholesterin hat eine schlechten Ruf. Und zurecht, denn ein "Zuviel" davon bedroht bekanntermaßen unsere Gesundheit. Doch es ist auch ein fundamentaler Bestandteil vieler physiologischer Abläufe. Jetzt konnten Wissenschaftler zeigen, dass Cholesterin eine wichtige Rolle in der Kommunikation von Nervenzellen spielt. Und damit in der gesamten Steuerung zentraler Lebensfunktionen.  
Synapsen dienen der schnellen und effizienten Kommunikation zwischen Nervenzellen. Das Wachstum und die Aktivität jener Synapsen, z.B. bei Lernvorgängen, wird durch das "Stützgewebe" des Nervensystems, die Gliazellen, stark angeregt.

Jetzt haben Forscher die erstaunliche Entdeckung gemacht, dass in Gliazellen gebildetes Cholesterin zu den Nervenzellen transportiert wird und dort die Bildung und Aktivität der Synapsen fördert.

Dies berichten deutsche Wissenschaftler vom "Max-Delbrück-Center for Molecular Medicine" in Berlin und der Universiät Hamburg in der aktuellen Ausgabe von "Science". Sie stellen dort eine Reihe von Experimenten vor, mit denen der entscheidende Einfluss des Cholesterins in der Synapsenaktivität aufgespürt wurde.
Artikel in "Science" unter " CNS Synaptogenesis Promoted by Glia-Derived Cholesterol" (kostenpflichtig)
->   Artikel in "Science"
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Synapsen
Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen oder zwischen einer Nervenzelle und einer Zelle von Erfolgsorganen wie Muskeln oder Drüsen. Man unterscheidet elektrische und chemische Synapsen. Bei elektrischen Synapsen liegen die Membranen so dicht aneinander, dass über spezielle Ionenkanäle die Ladung direkt von einer Zelle zur anderen Zelle übertragen werden kann. Dadurch ist eine schnelle und ungehinderte Signalübertragung möglich. Bei chemischen Synapsen gibt es keinen direkten Zell-Kontakt. Zwischen ihnen befindet sich der synaptische Spalt. Die präsynaptische Zelle produziert nach Erregung Neurotransmitter, die die postsynaptische Zelle beeinflussen.
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Entscheidende Rolle der Gliazellen
Die Wissenschaftler untersuchten, welche Substanzen die Glia-Zellen ausscheiden. Dafür trennten sie mittels chemischer Methoden die Substanzen aus den Petri-Schalen, in denen diese Zellen heran gewachsen waren, und prüften deren Effekt auf die Neuronen.

Die Neuronen-Synapsen entwickelten sich dann besonders gut, wenn von den Gliazellen relativ große Moleküle gebildet wurden. Danach untersuchten die Forscher die Auswirkungen auf die Neuronen nach Gabe der jeweiligen Substanzen.

Schließlich wurden sie fündig: sie entdeckten ein fettbindendes Eiweiß, das so genannte "Apolipoprotein E" (ApoE). Dieses Eiweiß war ohne einen "Beitrag" der Gliazellen in Nervenzellen nicht auffindbar. Tatsächlich scheiden nämlich die Gliazellen Protein-Partikel mit ApoE aus, die den Neuronen dann den entscheidenden Wachstumsfaktor für ihre Synapsen liefern.
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Gliazellen
Das Stützgewebe des ZNS (Zentralnervensystem) sind die Gliazellen. Nervenzellen stehen untereinander lediglich über Synapsen in Kontakt, im übrigen werden sie voneinander wie auch von den Blutgefäßen und den Nervenwasserräumen durch Gliazellen räumlich und elektrisch isoliert. Dabei lässt sich die direkte Umhüllung der Nervenzellen und ihrer Fortsätze durch Oligodendrogliazellen von den gefäßbegleitenden Astrogliazellen unterscheiden. Außerdem findet sich im ZNS ein Gruppe spezialisierter Abwehrzellen, die so genannte Mikroglia. Bei Entzündungen im ZNS kommt es zur Vermehrung von Mikroglia, anschließend bilden Astrozyten ein Narbe aus.
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Cholesterin als Überraschung
Mit der Identifizierung von ApoE befanden sich die Wissenschaftler offensichtlich auf der richtigen Spur. Doch reines ApoE wirkte nicht stimulierend auf die Synapsen. Es musste eine von ApoE mitgelieferte Substanz sein.

Und diese fanden sie auch nach mehreren Tests: es war zur Überraschung der Forscher Cholesterin. Experimente mit verschiedenen Fetten verliefen zunächst negativ, aber der Test auf Cholesterin war erfolgreich: die Aktivität der Synapsen wurde vielfach gesteigert. Also ist offenbar Cholesterin der entscheidende "Nährfaktor" für gut entwickelte und aktive Synapsen.
Cholesterin stimuliert Synapsen
Die von den deutschen Forschern im Anschluss angestellten Überprüfungen bestätigten die erste Entdeckung: Die stimulierende Aktivität auf Synapsen war um so höher, je mehr ApoE und Cholesterin verabreicht wurden.

Der gegenteilige Effekt wurde erreicht, wenn man die Synapsen sozusagen auf "Cholesterin-Entzug" setzte. Bei erneuter Gabe von Cholesterin erhöhte sich aber wieder prompt die synaptische Aktivität der Nervenzellen.

Mittels hochspezifischer Färbetechniken konnte auch geklärt werden, dass in den mit Cholesterin "behandelten" Zellen tatsächlich auch mehr Cholesterin zu finden war. Diese Zellen stellten nämlich mehr Transportvehikel für die Botenstoffe her, die sich an den Synapsen anhäufen.
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Cholesterin
fettähnliche Substanz der Klasse der Sterine. Wichtiger Strukturbestandteil aller tierischen Zellmembranen, bildet den Ausgangsstoff für die Herstellung von Gallensäure, Vitamin D, die Steroidhormone wie die Sexualhormone; kann nur von Wirbeltieren selbst synthetisiert werden. Im Blut liegt das Cholesterin überwiegend in seinen mit Fettsäuren veresterten Formen vor, den durch ihre physikalischen Eigenschaften unterscheidbaren Lipoproteinen mit geringerer (LDL; Low Density Lipoproteins) und höherer (HDL; High Densitiy Lipoproteins) Dichte. Ein erhöhter Cholesterinspiegel im Blut gilt als wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von Arteriosklerose, da sich Cholesterin und seine Verbindungen (bes. LDL) in den Gefäßwänden ablagern und anschließend verkalken können.
->   Mehr zu 'gutem' und 'bösem' Cholesterin
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Zu wenig Cholesterin auch fatal
Die Daten des Forscherteams zeigen deutlich, dass nicht nur ein "Zuviel" an Cholesterin, sondern auch ein "Zuwenig" fatale gesundheitliche Folgen haben kann.

Cholesterin ist nach den vorliegenden Ergebnisse ein wichtiger Faktor für eine effektive synaptische Aktivität von Nervenzellen und damit für die gesamte neuronale Kommunikation und Steuerung.
->   Die Basis der Nervenzellen-Kommunikation
->   Wenn sich das Gehirn erinnert
->   Max-Delbrück-Center for Molecular Medicine
->   Institut für Zellbiochemie und klinische Neurobiologie der Universität Hamburg
 
 
 
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01.01.2010