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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Klimagipfel Marrakesch: Einigung durch Zugeständnisse  
  Die Teilnehmer der siebten Weltklimakonferenz in Marrakesch haben sich nach einer abschließenden 16-stündigen Marathon-Verhandlungsrunde letztlich doch auf ein gesetzliches Regelwerk zur Verminderung von klimaschädigenden Treibhausgasen geeinigt. Die "Einigung" wurde in dem nächtlichen Verhandlungsmarathon vor allem durch Zugeständnisse von Seiten der EU und Entwicklungsländer an Japan, Russland und Kanada erzielt.  
Der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls steht demnach nichts mehr im Weg. Doch die tatsächliche "Schlagkraft" des Abkommens ist umstritten. Gilt der Erfolg in Marrakesch den einen als Meilenstein, kritisieren dagegen vor allem Umweltschutzorganisationen das Ergebnis als ungenügend.
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Das Kyoto-Protokoll
Bei der dritten UN-Klimakonferenz 1997 in Kyoto verpflichteten sich die Industriestaaten zu konkreten Emissionsreduzierungen: Man einigte sich darauf, zwischen 2008 und 2012 die Emissionen an Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um durchschnittlich 5,2 Prozent zu senken. Die EU muss demnach den Ausstoß um acht Prozent senken. Das Protokoll stütz sich auf die 1992 auf dem Gipfel von Rio de Janeiro beschlossene Klimarahmenkonvention.
->   Das Kyoto-Protokoll
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Weniger verbindliche Sanktionsmaßnahmen
Japan hat letztlich durchgesetzt, das weniger verbindliche Sanktionsmaßnahmen im Falle einer Nichteinhaltung von Verpflichtungen gelten, als dies zuvor geplant war.

Inwieweit diese tatsächlich völkerrechtlich verbindlich sind, soll im übrigen erst später geklärt werden. Außerdem greifen Sanktionen erst vom Jahr 2013 an.
Russland: Mehr Wälder angerechnet
Russland schließlich kann sich nun mehr als doppelt so viele Wälder als Klimaschutzbeitrag anrechnen lassen, als noch im Juli auf dem Bonner Gipfel beschlossen worden war.
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Russland und der Handel mit Emissionen
Laut dem Bonner Abkommen ist der Handel mit so genannten Treibhausgas-Zertifikaten zwischen Industrieländern unbegrenzt. Das heißt, wenn ein Land mehr Treibhausgase "einspart", als es zum Erreichen seiner Vorgaben nötig hat, kann es diese Einsparung an andere Länder verkaufen. Da Russland sowieso durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch derzeit weitaus weniger Kohlendioxid produziert, als ihm zugestanden wurde, kann es nun besonders viele Emissionszertifikate an andere Länder verkaufen.
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Strittige Frage: Wie viel Treibhausgase kann Wald binden?
Von einer Anrechnung der Waldbestände profitieren neben Russland vor allem auch Japan und Kanada. Doch die strittige Frage lautet: wie viel von diesen Treibhausgasen kann der Wald tatsächlich binden?

Was offiziell eingeschätzt wird und was die Wissenschaft sagt, wie viel der Wald im Stande ist zu binden, dazwischen klafft eine große Lücke.
Aufforstung: Keine Lösung für Klimaschutz
Wissenschaftler der britischen "Royal Society" veröffentlichten erst im vergangenen Juli eine Studie zum Nutzen von Aufforstungen für den Klimaschutz: Die Methode könne langfristig nicht die Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes ersetzen, so das Ergebnis.
->   Mehr dazu in science.orf.at
Der Kompromiss von Bonn
Die Verhandlungen hätten eigentlich nach dem Bonner Klimagipfel im Juli dieses Jahres obsolet sein sollen. Schon dort waren viele Ziele des Kyoto-Protokolls stark verwässert worden. Denn um Japan und Russland doch noch "mit ins Boot" zu holen, waren bereits in Bonn große Zugeständnisse gemacht worden.
->   Mehr dazu in science.orf.at
Russland und Japan: Starke Verhandlungsposition
Das Problem: Zum In-Kraft-treten muss das Protokoll von mindestens 55 Ländern ratifiziert werden, die wiederum für mindestens 55 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen verantwortlich sind.

Doch nach dem Ausscheiden der USA aus den Verhandlungen ist dies ohne eine Beteiligung von Japan und Russland nicht möglich. Bislang haben erst 22 Staaten das Protokoll ratifiziert, darunter kein einziger größerer Industriestaat.
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USA: Größte Schadstoffproduzent
Die USA sind der größte Schadstoffproduzent der Welt. 1990 waren sie alleine für rund 36 Prozent des C02-Ausstoßes aller Industriestaaten verantwortlich.
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Kritische Stimmen zur "Einigung" in Marrakesch
Kritisch äußerte sich etwa der Grazer Volkswirtschaftler Stefan Schleicher zu den erzielten Beschlüssen: Das Ergebnis sei ein "Rückschritt hinter die Beschlüsse von Bonn", erklärte er am Samstag in einer Stellungnahme in Marrakesch.

Die EU habe "massive Konzessionen" an Russland und Japan machen müssen, um diese zur Unterstützung des Abkommens zu bewegen. Damit würden die politischen Entscheidungen auf allen Ebenen schwieriger, sagte der langjährige Beobachter des Klimaschutzprozesses.
Greenpeace kritisiert "erhebliche Aufweichung"
Die Umweltorganisation Greenpeace hat die Einigung des UN-Klimagipfels in Marrakesch als "weitere Aufweichung des Klimaabkommens" von Kyoto kritisiert.

Ein "erheblicher Mangel" sei, dass Russland die doppelte Menge seiner Wälder als Schadstoffsenken anrechnen lassen könne, hieß es in einer am Samstag in Hamburg veröffentlichten Erklärung.

Dennoch sei die jetzige Vereinbarung "trotz aller Schwächen" der "einzig gangbare Weg, den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern".

Die Organisation appelliere deshalb an alle Staaten, das Kyoto-Protokoll schnell zu ratifizieren, damit es noch vor dem Weltgipfel für Nachhaltigkeit in Johannesburg 2002 in Kraft treten kann.
"Großer Erfolg und Meilenstein"
Dagegen sprach EU-Delegationsleiter Olivier Deleuze (Belgien) von einem großen Erfolg und einem Meilenstein beim globalen Klimaschutz.

Das Kyoto-Protokoll sei gerettet und könne ratifiziert werden, sagte EU-Umweltkommissarin Margot Wallstöm.
Japan lässt Ratifikation offen
Japan lässt im übrigen die Ratifikation des Kyoto-Protokolls nach wie vor offen: Die auf dem UN-Klimagipfel in Marrakesch getroffenen Vereinbarung sei "ein entscheidender Schritt" zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls, kommentierte am Samstag die japanische Umweltministerin Yoriko Kawaguchi.

Im Gegensatz zu Russland, das eine Ratifizierung nun zugesagt hat, legte sich Japan jedoch nicht fest. Das Land werde sein Handlen "intensivieren", um die im Protokoll festgelegten Emissionsreduktionen zu erreichen, sagte Kawaguchi lediglich.

Russland hatte nach der Einigung verkündet, dass diese "den Weg für eine Ratifizierung durch alle Länder, einschließlich der russischen Föderation, öffne".
Mehr zu diesem Thema in science.orf.at:
->   Die Details des Marrakesch-Abkommens
->   Was bedeutet Kyoto für Österreich?
 
 
 
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01.01.2010