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Ein neuer DNA-Computer  
  Jahr für Jahr sucht die Halbleiterindustrie nach zukünftigen Alternativen und 'Nachfolger' für das absehbare Ende der Siliziumtechnologie. Im Mittelpunkt der Forschungen stehen sowohl nanotechnologische als auch molekulare Recheneinheiten. Jetzt stellen Forscher einen neuen DNA-Computer vor, der Billionen von Rechnungen mit kleinstem Energieaufwand parallel leistet.  
Dies beschreiben Yaakov Benenson und seine Kollegen vom 'Weizmann Institute of Science' und des 'Israel Institute of Technology' in der aktuellen Ausgabe von "Nature".

Die Forscher aus Israel entwickelten einen winzigen aus DNA bestehenden Computer, der eine Billion mal in einem winzigen Wassertropfen Platz findet.
Artikel in 'Nature' unter " Programmable and autonomous computing machine made of biomolecules"; Nature 414, 430 ¿ 434; 2001; kostenpflichtig)
->   Artikel in 'Nature'
Die Realisierung
Die Wissenschaftler verwendeten zwei Enzyme (E. katalysieren biologische Reaktionen) als Hardware und die Erbsubstanz DNA als Software und diese gleichzeitig zur Ein- und Ausgabe von Daten.

"Die lebende Zelle enthält unglaubliche molekulare Maschinen, die informationentragende Moleküle wie DNA und RNA in ganz ähnlicher Weise manipulieren wie echte Rechner", erklärt Ehud Shapiro vom Weizmann Institute of Science.

"Solange wir noch nicht wissen, wie wir diese Maschinen für unsere Zwecke verändern können oder wie wir neue herstellen, ist der Trick, natürliche Maschinen zu finden, die gemeinsam in gewünschter Weise rechnen."
->   Faculty of Mathematics and Computer Science, Weizmann Institute of Science
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DNA und Nukleinsäuren
hochmolekulare, aus Nukleotiden aufgebaute chemische Verbindung, die aus stickstoffhaltigen Basen, Phosphorsäure-Rest und Zucker besteht. Die Basen sind Adenin, Guanin, Thymin(DNA) bzw. Uracil (RNA) und Cytosin. RNA enthält als gebundenen Zucker Ribose, DNA als Zucker Desoxyribose. Die Struktur ist die einer Doppelhelix: Zwei Polynukleotidfäden sind schraubenförmig umeinander gewunden. DNA ist bei den meisten Organismen an spezifische Proteine gebunden, die Grundsubstanz der Chromosomen. Der gesamte DNA-Gehalt einer Zelle ist von Organismus zu Organismus unterschiedlich. Die verschiedenen Gewebezellen eines Organismus haben den gleichen DNA-Gehalt mit Ausnahme der Keimzellen, die nur 50 Prozent der DNA der Gewebszellen desselben Organismus enthalten.
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Molekulare Rechenmaschinen
Benenson und seine Kollegen suchten nach molekularen Prozessen, die in der Lage sind, eine einfache mathematische Rechenmaschine abzubilden, den so genannten "endlichen Automaten". Ein solcher Automat rechnet mit einer begrenzten Anzahl von Symbolen, wobei er eine Menge von Eingangswerten auf unterschiedliche Weise zu einem Ausgangswert verknüpft.

Die Wissenschaftler kodierten zu diesem Zweck in den vier Bestandteilen der DNA, den Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin, sowohl die Daten für die Rechnung selbst als auch die Anleitung zu jenem Rechenvorgang.

Dabei speicherten sie die Informationen nur auf einem überstehenden DNA-Strang, wie er vorzugsweise nach der Zerstückelung der DNA übrig bleibt.
'Klebrige Enden'
Da man solche DNA-Fragmente relativ einfach über ihre überstehenden Molekülreste verbinden kann, werden diese auch "klebrige Enden" genannt.

Benenson und seine Kollegen wiesen nun den 'klebrigen Enden' einiger DNA-Molekülen die Funktion eines Datenpaketes zu, anderen DNA-Fragmente sollten 'Software-'-Funktionen übernehmen.

Um mit diesen Molekülen brauchbare Rechenvorgänge durchführen zu können, verschmolzen die Weizmann-Forscher je ein Daten- und ein Software-Molekül mit einem Enzym.
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Konventionelle und DNA-Computer
Herkömmliche Computer stellen Informationen durch Nullen und Einsen dar, physikalisch ausgedrückt durch den Elektronenfluss mittels logischer Schaltungen, DNA-Computer hingegen anhand von chemischen Einheiten der DNA. Das Rechnen mit einem gewöhnlichen Computer wird mit einem Programm durchgeführt, das Elektronen instruiert, auf bestimmten Pfaden zu wandern. Mit einem DNA-Computer erfordert das Rechnen bestimmte synthetisierende DNA-Sequenzen und deren freies Reagieren in einem Reagenzglas. Schematisch dargestellt wird z.B. der logische Befehl AND ausgeführt, indem DNA-Stränge ihren Sequenzen entsprechend getrennt werden, und der Befehl OR wird durchgeführt, indem DNA-Lösungen, die spezifische Sequenzen enthalten, zusammengebracht werden.
->   Mehr zu DNA-Computern
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Zusammenfügen und wieder Aufbrechen
Mittels eines zweiten Enzyms, dem Fok-I, trennten die Wissenschaftler das mit einander verbundenen Daten- und Software-Molekül wieder an einer bestimmten Stelle auf.

Der Prozess des Zusammenfügens und wieder Aufbrechens wurde mehrmals hintereinander durchgeführt, sodass sich die Basenabfolge der DNA auf dem klebrigen Ende änderte, was dem Ergebnis einer mehrmaligen Rechenoperation zu vergleichen ist.

Dieses Ergebnis ließ sich anschließend dadurch auslesen, indem die Forscher das Stück Daten-DNA mit einer bestimmten Ausgabe-DNA kombinierten und das dabei entstehende Molekül sichtbar machten.
Verschiedene Rechenaufgaben gelöst
Auf diese Weise konnten verschiedene Rechen-Aufgaben gelöst werden: Es ließ sich unter anderem aus einer Liste von Einsen und Nullen bestimmen, ob die Anzahl der Einser eine gerade Zahl ist oder ob alle Nullen vor den Einsern stehen.

Laut den israelischen Wissenschaftlern sollen 735 unterschiedliche Programme mit dieser Methode möglich sein. Obwohl jene Aufgaben noch eher als 'einfach' einzustufen sind, zeigen sie doch, dass das Prinzip funktioniert.
98,8 Prozent Genauigkeit
Auf diese Weise lassen sich offensichtlich Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde durchführen, wobei der DNA-Computer rekordverdächtig wenig Energie benötigt: weniger als ein Milliardstel eines Watts an Leistung. Und die Genauigkeit der durchgeführten Rechenoperationen liegt immerhin bei 98,8 Prozent.

Mögliche Anwendungsbereiche sind nicht nur klassische Rechenoperationen. Den Wissenschaftlern schwebt unter anderem vor, dass solche DNA-Recheneinheiten zukünftig biochemische Veränderungen im Körper aufspüren und selbstständig entscheiden, welche medizinischen Gegenmaßnahmen zu treffen sind.
->   Artikel in 'Nature Sciene Update'mit erläuterndem Video
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->   Department of Chemistry, Technion - Israel Institute of Technology
 
 
 
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01.01.2010