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"Designerbabys" und "Kinder nach Maß"
Von Markus Hengstschläger
 
  Begriffe wie "Kind nach Maß" oder "Designerbabys" werden in der Debatte um die Anwendungen moderner Biomedizin am ungeborenen menschlichen Leben sehr strapaziert. Ist man sich aber überhaupt klar darüber, was unter "Designerbabys" zu verstehen ist, oder wird dadurch nur künstliche Aufregung erzeugt?  
Natürlich gibt es bereits so etwas wie ein "Kind nach Maß". Aber es ist sehr weit von dem entfernt, was gemeinhin unter diesem Begriff verstanden wird.

"Durch die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts sind jetzt Kinder nach Maß möglich!" Solche und noch viel polemischere und undifferenziertere Aussagen sind es, die die Debatte störend beeinflussen. Umgekehrt ist die oberflächliche Beschwichtigungstaktik vieler Wissenschaftler unter dem Motto "alles nur Zeitungsenten" genauso wenig angebracht.
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Gastkommentar
Markus Hengstschläger, der Autor dieses Gastkommentars, ist Professor an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abt. für Pränatale Diagnostik und Therapie des Allgemeinen Krankenhauses in Wien.
Im Verlag Wilhelm Maudrich ist kürzlich sein Buch "Das ungeborenene menschliche Leben und die moderne Biomedizin. Was kann man, was darf man?" erschienen.
(184 Seiten, ISBN 3-85175-771-8)
->   Mehr über das Buch "Das ungeborene menschliche Leben und die moderne Biomedizin"
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Perfektion aus dem Labor?
Natürlich kann man nicht durch "Zusammenschütten" von Genen im Labor ein "Designerbaby" schaffen. Wir kennen noch nicht alle Gene des Menschen - wir kennen lediglich den größten Teil der Sequenz der Aufeinanderfolge der molekularen Bausteine der DNS.

Wir kennen vor allem auch erst für verhältnismäßig wenige Gene ihre vollständigen Aufgaben. Die meisten Merkmale und Eigenschaften sind nicht von Genen allein, sondern wesentlich auch von Umwelteinflüssen bestimmt.
Was mit "Kinder nach Maß" gemeint sein kann
Warum habe ich dann aber betont, dass es so etwas wie "Kinder nach Maß" doch gibt? Es handelt sich hierbei um sehr dehnbare Begriffe. Was könnte denn damit alles gemeint sein und inwieweit ist das Realität?

Ist damit gemeint, dass die moderne Biomedizin Eltern die Möglichkeit gibt, sich gegen Kinder mit genetischen Veränderungen, die zu schweren Krankheiten führen, zu entscheiden? Sollte das der Fall sein, so muss man sagen, dass die moderne Pränataldiagnostik und die Präimplantationsdiagnostik das möglich machen. Und das ist heute bereits Realität.
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Vorgeburtliche genetische Tests
Mit "Designerbabys" könnten auch Kinder gemeint sein, bei denen vorgeburtliche genetische Test auf die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten zum Beispiel bestimmter Verhaltensmuster oder auf ein Herzinfarktrisiko durchgeführt wurden. Das ist heute nicht Realität, und es muss gefragt werden, ob es wünschenswert wäre.
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Korrektur durch Keimbahntherapie
"Kinder nach Maß" könnten aber auch solche sein, bei denen eine veränderte genetische Anlage für eine Erkrankung durch Keimbahntherapie "korrigiert" wurde. Das ist auch nicht Realität. Es besteht heute überwiegend Einigkeit über ein Verbot diese Therapie betreffend, und Gründe dafür kennen wir genug.
Stammzellen-Therapie
Mit "Kind nach Maß" könnte auch ein ungeborenes Leben gemeint sein, das mittels Stammzellen (nicht embryonale; kein Klonen) therapiert wird, um irreparable Schädigungen durch eine schwere genetische Erkrankung bereits so früh zu verhindern. Das ist leider heute keine alltägliche Realität.
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Therapeutisches Klonen
Ein "Designerbaby" könnte auch ein Embryo sein, der durch therapeutisches Klonen zum Zwecke der Gewinnung embryonaler Stammzellen zur Heilung eines kranken Menschen oder aber vielleicht sogar nur für Forschungszwecke spezifisch "hergestellt" wurde. Forschungen dieser Art sind in bestimmten Ländern bereits erlaubt und es muss gründlich hinterfragt werden, ob sie notwendig sind.
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Klon eines Individuums
Auf eine gewisse Weise wäre auch ein Klon eines bereits lebenden Individuums, der im Zuge reproduktiven Klonens zur Welt gekommen ist, ein "Kind nach Maß" ist. Hier kann man nur hoffen, dass es nie Realität wird.
"Designerbaby" als Realität
Ich denke aber, dass der Begriff "Designerbaby" durchaus auch seine Berechtigung im Zusammenhang mit einer heute bereits weitverbreiteten Realität hat.

Zentren für Reproduktionsmedizin bieten Samen- und Eizellen von ausgewählten Spendern an. Mit Samen- und Eizellen von Wissenschaftlern und Fotomodellen (hier stellt sich die Frage, was das geringere Übel wäre) wollen sie potenzielle Kunden für künstliche Befruchtungen gewinnen.
Suche nach geeignetem Spender
Spender werden also nach Attributen ausgesucht, um "Kinder nach Maß" zeugen zu können. Und das obwohl man weiß, dass vor und im Zuge der Entstehung eines neuen Genoms väterliche und mütterliche Erbanlagen bestimmten Durchmischungsprozessen unterliegen, die die Individualität des neuen Genoms erzeugen.
Keine Garantien
Man weiß zwar, dass Anlagen, die sich bei den Eltern nicht ausgeprägt haben, sich bei den Kindern ausprägen können (rezessiver Erbgang) und umgekehrt auch wieder Merkmale verschwinden können. Und man weiß auch, dass so komplexe Eigenschaften, wie eben zum Beispiel die Intelligenz, von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen abhängen.

Durch eine Auswahl der Spender können also keinerlei Garantien für die so gezeugten Kinder erhalten werden. Dass Wahrscheinlichkeiten dadurch erhöht werden können, muss auch angezweifelt werden.
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Marilyn Monroe und Albert Einstein
Nach dem Motto: Marylin Monroe frägt Albert Einstein "Wäre es nicht toll, wenn wir Kinder bekommen würden, so klug wie sie und so schön wie ich?". Einstein erwidert: "Und was machen wir, wenn unsere Kinder so klug wie sie und so schön wie ich sind?"
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Formen der Selektion
"Designerbabys" könnten aber auch Söhne sein, die aufgrund gezielter Ausselektion von Töchtern (Schwangerschaftsabbruch bei weiblichen Nachkommen ist hier nur eine der vielen Möglichkeiten) am Leben sind.
Kritik der Begriffe
"Kinder nach Maß" könnten auch solche genannt werden, die..... gut ich höre ja schon auf. Ich würde mir aber sehr wünschen, dass die Begriffe "Kind nach Maß" oder "Designerbaby" (und es gibt noch viele weitere ähnliche Schlagwörter) aus der Diskussion über die Aspekte der modernen Biomedizin für das ungeborene menschliche Leben verschwinden.

Es ist viel weniger irreführend und viel konstruktiver, die Dinge, die man meint, beim richtig formulierten Namen zu nennen.
Lesen Sie mehr dazu in "science.orf.at"
->   Britisches "Designer"-Baby in USA gezeugt
->   Scharfe EU-Kritik an Gentech-Babys
->   Die ersten Gentech-Babys wurden geboren
->   Wilhelm Feichtinger zum Thema Menschen-Klonen
->   Beiträge von Ulrich Körtner zur Bio-Ethik
 
 
 
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01.01.2010