News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Unerwünschter Gentransfer  
  Genetisch verändertes Material, das dem von transgenem Mais entspricht, wurde jetzt in wildem Mais in Mexiko entdeckt. Die modifizierten Maisgene wurden in einer entlegenen Bergregion, 100 Kilometer entfernt von wirtschaflichten Anbaugebieten, gefunden. Die Wissenschaftler fordern jetzt Maßnahmen gegen diese Verbreitung von genetisch verändertem Material. Die neuen Ergebnisse werfen auch weitere Fragen in der Diskussion über die landwirtschaftliche Nutzung genmanipulierter Pflanzen auf.  
Bisher nahm man, dass gentechnisch veränderter Mais wie der so genannte Bt-Mais - er ist auf Grund der Veränderung gegen Insekten resistent - sein genetisches Material nicht unkontrolliert auf seine ursprünglichen Verwandten übertragen kann.
Genmais ein ökologisches Risiko?
Die Annahme, dass diese Genmaissorten somit kein ökologisches Risiko darstellen, wird jetzt durch die Studienergebnisse von Ignacio Chapela und David Quist von der University of California in Berkeley in Frage gestellt.

Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Nature" berichten, fanden sie in der DNA einiger heimischer Maissorten Mexikos fremdes Genmaterial. Wie es allerdings dorthin kam, ist ungeklärt.
Transgenic DNA introgressed into traditional maize landraces in Oaxaca, Mexico. Nature, Bd. 414, S 541-543/kostenpflichtig
->   Artikel in "Nature"
...
Grüne Technik
Ziel der grünen Technik ist es, Pflanzensorten zu entwickeln, die ohne Düngung, Herbizide und Insektizide ertragreich kultiviert werden können - selbst in unwirtlichen Regionen. So gibt es beispielsweise transgene Pflanzen, die gegen bestimmte Krankheiten, Schädlinge oder Herbizide widerstandsfähig sind.

Bisher sagten die Gentechniker jedoch vor allem Wildkräutern und Pflanzenschädlingen den Kampf an. So versahen sie Nutzpflanzen beispielsweise mit einem Gen des Bacillus thuringiensis (Bt), wodurch diese gegen Insekten resistent werden. So genannter Bt-Mais ist mittlerweile in einigen Ländern für den Anbau zugelassen.
->   Grüne Gentechnik
...
Die Untersuchung
Die Wissenschaftler untersuchten die DNA heimischer Maissorten Mexikos von vier Feldern in der abgelegenen Bergregion Sierra Norte de Oaxaca.

Dieses genetische Material verglichen sie mit der DNA genetisch unveränderter Kontrollpflanzen, die aus derselben Region, jedoch aus einer Zeit vor der Freisetzung transgener Pflanzen stammten.

Zur Kontrolle wurde das genetische Material auch mit der DNA von gentechnisch veränderten Maissorten verglichen.
Vier von sechs Proben kontaminiert
In vier von sechs Proben fanden sie p-53S - ein Promotor (Steuerelement) aus dem Karfiol-Mosaikvirus (CMV), das häufig bei der Herstellung transgener Pflanzen eingesetzt wird.

Außerdem entdeckten sie in zwei von sechs Proben ein Gen des "Agrobacteriums tumefaciens" und in einer der Proben ein Gen des "Bacillus thuringiensis" - DNA-Sequenzen, die ebenfalls nur in genetisch veränderten Pflanzen vorhanden sein sollten.

Die Kontrollpflanzen aus der Zeit vor der Freisetzung transgener Pflanzen enthielten dagegen keine fremden DNA-Bausteine.
...
Promotor und Bacillus thuringiensis
Ein Promotor ist ein Sequenzabschnitt auf der DNA, der den Transkriptionsstart für spezifische Gene markiert. In Prokaryonten bindet eine Untereinheit der RNA-Polymerase spezifisch an die Promotor-Consensussequenz und sorgt damit für die richtige Positionierung des Enzyms.

"Bacillus thuringiensis" ist heute ein sehr wichtiges Pflanzenschutzmittel, mit dem mehr als 75 Schad-Raupen erfolgreich bekämpft werden können. Die Vorstufe des insektenschädigenden Toxins, ein Proteinkristall, wird während der Endosporenbildung in "Bacillus thuringiensis" synthetisiert. Die schädigende Wirkung auf Insekten wird noch durch einige Enzyme gesteigert.
...
Gentransfer nach dem Zufallsprinzip
Bei der näheren Untersuchung der DNA, die das Karfiol-Mosaikvirus umgab, stellten die Wissenschaftler fest, dass diese Fragmente unterschiedlich sind.

Das legt den Schluss nahe, dass die fremden Gene völlig zufällig ins Maisgenom eingefügt wurden. Deshalb vermuten die Forscher, dass die Kontamination nicht auf einen einzigen Gentransfer zurückzuführen ist, sondern dass sie über mehrere Bestäubungen und einen längeren Zeitraum hinweg erfolgte.
Ergebnisse höchst bedenklich
"Diese Ergebnisse sind alarmierend, denn diese Bergregion ist für die Vielfalt ihrer natürlichen Getreidesorten bekannt, und das ist etwas, das unbedingt geschützt gehört", sagt Chapela.

"Es müssen unbedingt Maßnahmen gegen diese Verbreitung von genetisch verändertem Material getroffen werden", ergänzt Quist, "denn wenn die fremde DNA einmal in die Population eingedrungen ist, dann kannst Du sie nicht so einfach wieder herausfischen."
Woher kommt die fremde DNA?
Unklar ist allerdings, wie die Übertragung stattgefunden hat. Denn das nächstgelegene Feld mit transgenem Mais befindet sich 100 Kilometer weit weg. Diese Entfernung ist auf Grund des Gewichtes von Maispollen laut Experten viel zu groß für eine Bestäubung durch den Wind.

Außerdem ist der Anbau von gentechnisch verändertem Mais seit 1998 in Mexiko verboten.
Mögliche Verursacher: Hilfslieferungen
Möglicherweise wurde der verordnete Anbaustopp für transgenen Mais nur bedingt eingehalten. Viel wahrscheinlicher jedoch scheint es laut Chapela, dass Hilfslieferungen die Ursache für die genetischen Veränderungen darstellen.

"Die Kontamination könnte durch dringend benötigte Nahrungslieferungen für diese unterentwickelte Region verursacht worden sein." Chapela weiter: "Der größte Teil dieser Hilfslieferungen kommt aus der USA und ist genetisch verändert."

Wie auch immer die genetische Veränderung des Wildmaises zu Stande kam, sie beweist auf jeden Fall, dass transgene Pflanzen tatsächlich ihre DNA auf unkontrollierte Weise auf Wildtyp-Pflanzen übertragen können.
->   University of California in Berkeley
->   Mehr Informationen über Bt-Mais
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010