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Schwerer als erlaubt  
  Vierzigtausend Lichtjahre entfernt, auf der anderen Seite der Milchstraße liegt das Doppelsternsystem GRS1915+105. Dabei handelt es sich um einen Stern und ein schwarzes Loch die sich einander umkreisen. Astronomen konnten die Masse dieses schwarzen Loches messen und damit erstmals die Werte eines schwarzen Loches, dass von einem Stern begleitet wird feststellen. Die ermittelten Werte passen allerdings in keine Theorie und stellen die gängigen Annahmen wie sich binäre Sternensysteme verhalten in Frage. Denn das schwarze Loch ist einfach schwerer als es eigentlich dürfte.  
Interstellarer Staub verbirgt GRS1915+105 vor herkömmlichen Teleskopen. Daher benutzten Jochen Greiner und seine Kollegen vom 'Potsdamer Astrophysikalischen Institut' ein neues 8,2 Meter großes Teleskop der Europäischen Südsternwarte, mit dessen Hilfe die Astrophysiker das Doppelsternsystem im Infrarotbereich beobachten konnten.
Doppelt so schwer als vermutet
Schwarze Löcher in Doppelsternsystemen sind, verglichen mit den so genannten "supermassiven" Schwarzen Löchern im Zentrum von Galaxien, relativ leicht. "Fünf bis sieben Sonnenmassen sind typisch", sagt Jochen Greiner.

Schwerer als zehn Sonnenmassen kann ein solches Loch, laut gängiger Theorie, nicht sein. Daher waren die Wissenschaftler von den ermittelten Werten überrascht.

Denn wie Greiner und Kollegen im Fachmagazin "Nature" berichten, ist das Schwarze Loch im Doppelsystem GRS1915+105 14 Sonnenmassen schwer.
An unusually massive stellar black hole in the Galaxy. Nature Bd.414, S. 522 - 525 / kostenpflichtig.
->   Artikel in 'Nature'
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Schwarze Löcher
Man unterscheidet rotierende und nicht-rotierende Schwarze Löcher. Der Radius eines nicht-rotierenden Schwarzen Loches kann berechnet werden, indem man die Masse M des kollabierenden Körpers mit der doppelten Gravitationskonstanten G multipliziert und das Ergebnis durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum dividiert. Unterschreitet ein Stern diesen Radius, beherrscht die Gravitation alle anderen Kräfte: dieser Radius definiert die Oberfläche - auch Ereignishorizont genannt - des Schwarzen Loches. Es gibt keine untere Grenze für den Radius eines Schwarzen Loches. Einige der urzeitlichen Schwarzen Löcher könnten mikroskopisch klein sein.
->   Mehr zu schwarzen Löchern
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Viele Theorien in Frage gestellt
Die ermittelten Werte stellen sowohl die Gleichung für die maximale Masse eines solchen Schwarzen Loches in Frage, als auch Aspekte der Allgemeinen Relativitätstheorie.

So steht der Massewert des schwarzen Loches z. B. nicht in Einklang mit der Theorie, die die Entstehung der quasiperiodischen Oszillationen erklärt. Denn während das schwarze Loch Materie des Begleitsterns "aufsaugt", entsteht eine starke Röntgenstrahlung. Die Stärke dieser Strahlung schwankt mehr oder weniger, aber nicht streng regelmäßig - deshalb der Begriff "quasiperiodisch".

Die quasiperiodische Oszillation des Doppelsternsystems konnte aber einwandfrei im Röntgenbereich festgestellt werden. Bisher ging man davon aus, dass die Masse eines mit maximaler Geschwindigkeit rotierenden schwarzen Lochs direkt mit der Frequenz dieser Quasiperiode zusammenhängt
Ein sich drehendes Schwarze Loch und Röntgenstrahlen
Der "Materieschleier", der durch das "Absaugen" der Materie des Begleitsternes entsteht, und das Schwarze Loch umgibt, ist unüblich heiß.

Eine Erklärung wäre, dass sich das Schwarze Loch dreht. Dadurch könnte sich die Materie, während sie sich dem Schwarzen Loch nähert, erhitzt werden bevor sie von ihm aufgesaugt wird.
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Hinweiß auf Rotation
Dass das schwarze Loch mit der maximal möglichen Geschwindigkeit rotiert, die die Allgemeine Relativitätstheorie erlaubt, schließt man aus der Beobachtung zweier Materieströme im Radiobereich, die das Doppelsternsystem mit einer Geschwindigkeit von etwa 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit abstrahlt.
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Rotation wirft weitere Probleme auf
Ein sich drehendes Schwarze Loch mit dieser Masse stellt allerdings wiederum das Modell der Entstehung der von ihm ausgehenden Röntgenstrahlung in Frage.

"Denn wenn das sich drehende Schwarze Loch die Erklärung für die Temperatur ist, dann sind die Theorien der Röntgenstrahlen-Entstehung falsch, oder umgekehrt", meint Greiner.
Weitere Beobachtungen notwendig
"Auf jeden Fall können wir jetzt erstmals relativistische Phänomene in solchen starken Gravitationsfeldern untersuchen", so Greiner.

"In solchen Systemen rotiert Materie um das Schwarze Loch, mit ihr wird auch die Raumzeit "aufgewickelt". Im Röntgenbereich können wir dann ganz bestimmte Strahlungsfrequenzen messen, die charakteristisch für die Masse des Loches sein müssten."
Vier verschiedene Theorien
Es gibt vier verschiedene Theorien, um anhand der Röntgen-Frequenzen des Schwarzen Loches die Masse desselben zu errechnen. Da man diese für GRS1915+105 jetzt kennt, müsste man eigentlich nur noch die gemessene Frequenz in die Gleichung einsetzen, um herauszufinden, welche der vier Theorien die richtige ist.

"Das Erstaunliche ist aber, dass keine der vier Theorien zu der Messung passt,"sagt Greiner.

Die Astronomen stehen also trotz Erfolg mit mehr offenen Fragen als vorher da. Denn bis jetzt wurde durch die neuen Ergebnisse, laut Greiner, nur eines gezeigt: "Das ein paar gängige Theorien nichts taugen".
->   Energie aus Schwarzen Löchern
->   Das schwarze Loch im Teilchenbeschleuniger
->   Schwarzes Loch in unserer Galaxie
->   Astrophysikalisches Institut Potsdam
 
 
 
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01.01.2010