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"Shopping for Identity "  
  Einkaufen wird für den Selbstwert von Jugendlichen immer wichtiger. Das stellen Kulturforscher in einer aktuellen Studie im Auftrag des Wissenschaftsministeriums fest. Sie haben das Shopping-Verhalten von 14- bis 25-Jährigen in Wien und New York verglichen.  
"Flanieren, abhängen, streunen, beobachten, flirten, auschecken" - das sind die Komponenten des Shoppings. Shopping schließt nicht automatisch den Kauf einer Ware ein.
Vom Hedonismus zum Pragmatismus
Jüngere Shopper ziehen es vor, in Gruppen zu dritt oder viert einkaufen zu gehen. Mit zunehmendem Alter steigt die Vorliebe alleine einkaufen zu gehen.

Die Funktion von Shopping verschiebe sich mit zunehmendem Alter von einer anfänglich hedonistischen Orientierung auf pragmatische Ziele, schreibt Anette Baldauf in der Studie "Shopping - Manifestationen einer kulturellen Alltagspraxis".

"Shopping - Konsum als Lustgewinn - ist besonders für Jugendliche in Bezug auf ihren Selbstwert bedeutsam geworden", sagt Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler von der Universität Wien zur Studie des Wissenschaftsministeriums.
"Soziales Shopping
Für Jugendliche ist die Einkaufsstraße ein wichtiger sozialer Treffpunkt, ein Ort, an dem sie sich unterhalten, ihr Image durch das Probieren von Kleidern testen ("Passt mir das?"), sich Bestätigung von Freunden holen ("Wie schau ich aus?") und sich im riesigen Warenangebot der Konsumwelt orientieren ("Wer will ich sein?").

Das soziale Potenzial des Shoppingprozesses und die Kommunikationsfunktion wurden bisher nur wenig erforscht, meint Heide Tebbich vom Österreichischen Institut für Jugendforschung.
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Die Typologie der Shopper
1. PragmatikerInnen (30 Prozent) wissen genau, was sie wollen. Sie sind produktorientiert.
2. Trendorientierte Erlebnisshopper (20 Prozent) achten auf Status und Finanzen und verwöhnen sich hauptsächlich mit Kleidung.
3. Hedonistische Entertainment-Shopper (zehn Prozent) sind soziale Shopper, die mit ihren Freunden Spaß und Unterhaltung suchen und deshalb Kleidung und Musik einkaufen. Sie sind prozessorientiert: Sie genießen das Shopping an sich.
4. Voyeure (20 Prozent) suchen zielgerichtet Unterhaltung und genießen am liebsten mit Freunden das Schauen und die Auswahl.
5. Impulsive, spontane Shopper (20 Prozent) sind meist älter, wissen in der Regel nicht, was sie einkaufen wollen, sie suchen nach "Cheap Thrills" und Abwechslung, weil ihnen dadurch das Gefühl vermittelt wird, "neu zu sein".
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Privatisierung der Straße
Shopping konsumiert öffentlichen Raum. Wie kaum eine andere Aktivität bestimmt es das Design und die Funktion einer Stadt und ihrer Straßen.

Diese Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes bedeutet für die Jugendlichen Ausgrenzung, kritisiert Jugendforscherin Tebbich. "Es sind jene Jugendlichen, die auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder sozialen Herkunft ohnehin schon benachteiligt sind", meint Tebbich.

"Auf der Mariahilfer Straße sind es die Punks, die man versucht zu vertreiben. Aber auch junge, männliche Migranten, die angeblich herumlungern." In New York hingegen wurde die Hip-Hop-Szene vom Broadway vertrieben.
Shoppen als Politikum
Auf der anderen Seite greife es aber zu kurz, zu sagen, Jugendliche seien in der Konsumzone die benachteiligte Gruppe. "Jugendlichen wird mehr Raum gegeben als zum Beispiel Älteren, aber eben nicht allen Jugendlichen. Waren- und Erlebnisangebot sind in der Masse aber auf die Jugendlichen ausgerichtet."

Jugendliche sind die Trendsetter der Warenwelt - sie verleihen den Waren ihr Image. Shopping kann somit auch als politischer Prozess gesehen werden.

Man denke nur an die von Buchautorin Naomi Klein propagierte "No Logo"-Bewegung, die bewusst Produkte von Markenfirmen verweigert, die in ihrer Produktion die dritte Welt ausbeuten. Jugendliche können durch Markenboykott die Weltmarken ganz massiv schädigen.
Ist Shoppen weiblich?
Shopping wird schnell mit Attributen wie Passivität und Manipulation gleichgesetzt. "Das interessante ist, dass Shopping deswegen überwiegend als weiblich gilt", sagt Tebbich.

"Mädchen geben Shopping eher als Freizeitbeschäftigung an. Wenn man sich die Freizeitaktivitäten allerdings genau ansieht, stellt man fest, dass Burschen genauso viel Shoppen wie Mädchen. Es gilt nur nicht als so imagefördernd wie zum Beispiel Sport."

Ein ähnliches Phänomen ist bei erwachsenen Shoppern zu beobachten. Mit zunehmendem Alter geht die Zeit, die in das Shoppen fließt, zurück. Vermutlich gibt man dann einfach nicht mehr gerne zu, so viele Stunden in Geschäften zu vertrödeln.

Ein Beitrag von Ulrike Schmitzer für "Dimensionen", Ö1, 3.12.20001, 19.00 Uhr
->   Österreichisches Institut für Jugendforschung
->   Ö1
 
 
 
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01.01.2010