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Algen als günstige Wasserstoffproduzenten  
  Algen finden nicht nur zunehmend Eingang in neue Ernährungsformen oder erregen Interesse auf Grund ihres pharmazeutischen Potenzials. Jetzt wird dieses Spektrum noch um einen technologischen Aspekt erweitert. Einige Algen können Wasserstoff produzieren, mit dessen Hilfe in Zukunft u.a. Autos betrieben werden sollen. Wissenschaftler haben nun aus Grünalgen das Gen für die Wasserstoffproduktion isoliert - und einen Algenstamm gentechnisch so verändert, dass er mehr als doppelt so viel Wasserstoff erzeugen kann wie zuvor.  
"Wasserstoff ist ein guter Energiespeicher", erklärt Thomas Happe vom Botanischen Institut der Universität Bonn, "für die Algen bedeutet es daher einen Energieverlust, Wasserstoff an die Umwelt abzugeben."

Verschiedene Grünalgen machen das denn auch nur, wenn man sie dazu zwingt: Die kalifornische Firma "Melis Energy", mit der die Bonner Forscher kooperieren, hat sie zu diesem Zweck auf Schwefeldiät gesetzt - Schwefel ist Bestandteil vieler lebenswichtiger Zellproteine.

Die Alge schaltet darauf ihren Stoffwechsel auf Sparflamme, ein Teil der Photosynthese läuft aber weiter auf Hochtouren und erzeugt große Mengen energiereicher Verbindungen, welche die Zellen gar nicht verwerten können. Sie "entsorgen" schließlich die überschüssige Energie in Form von Wasserstoff.
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Grünalgen
durch Chlorophyll a und b grün gefärbte Algen; sowohl Einzeller als auch unverzweigte oder verzweigte, dicke Büschel bildende Fadenalgen. Die Grünalgen werden mit den Armleuchteralgen und den Jochalgen zu den Chlorophyta zusammengefasst. Aus den Grünalgen sind vermutlich die Urformen der Moose, Farne und Blütenpflanzen entstanden.
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Bild: Universität Bonn

Die Grünalge Chlamydomonas kann bei Beleuchtung und unter bestimmten Kulturbedingungen Wasserstoff produzieren.
Energieträger der Zukunft
Das farblose, ungiftige Gas könnte bald ganz groß herauskommen: Experten sehen in ihm den Energieträger der Zukunft, der Autos und Busse antreiben oder Digitalkameras, Handys und Laptops über Stunden mit Strom versorgen soll.

Möglich wird die Revolution durch die Weiterentwicklung der Brennstoffzelle. In ihr reagiert Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft zu Wasser und erzeugt dabei Strom - etwa für den Antrieb von Elektromotoren. Vorteil: Wasser lässt sich unter Verbrauch von Energie wieder in Sauerstoff und Wasserstoff spalten.

Nutzt man die Kraft der Sonne, um diesen Kreislauf aufrechtzuerhalten, fallen theoretisch nicht einmal Schadstoffe an. Und im Gegensatz zu elektrischer Energie, wie sie Solarzellen erzeugen, lässt sich Wasserstoff ohne große Probleme speichern - nur so ist gewährleistet, dass die entsprechenden Geräte auch dann arbeiten, wenn einmal nicht die Sonne scheint.
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Die Brennstoffzelle
Die Brennstoffzelle erzeugt elektrischen Strom direkt aus einer chemischen Reaktion. Im einfachsten Fall reagieren dabei Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) zu Wasser (H2O). Diese normalerweise explosionsartige Knallgasreaktion wird von der Brennstoffzelle mit einem Trick in Teilschritte zerlegt.

Die Brennstoffzelle besteht aus zwei Elektroden und einem Ionenleiter. Einer Elektrode wird Wasserstoff zugeführt, der anderen Sauerstoff. Beide Stoffe werden in elektrisch geladene Atomteilchen (Ionen und Elektronen) zerlegt. Der Ionenleiter, beispielsweise eine dünne Membran, lässt nur die positiv geladenen Wasserstoff-Ionen passieren. Die Elektronen des Wasserstoffs müssen den Umweg über eine äußere Verbindung von einer Elektrode zur anderen nehmen - es fließt elektrischer Strom, der beispielsweise einen Elektromotor speisen kann.
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Seit sechzig Jahren bekannt
Seit sechzig Jahren weiß man, dass Grünalgen im Prinzip aus Wasser Sauerstoff und Wasserstoff produzieren können. Dabei hilft ihnen ein Zelleiweiß, das Enzym Hydrogenase; die nötige Energie liefert die Photosynthese. Happe und seinen Mitarbeitern ist es gelungen, das Gen mit dem Bauplan der Hydrogenase aus verschiedenen Grünalgen zu isolieren.

Nun versuchen die Wissenschaftler, die räumliche Struktur des Enzyms zu entschlüsseln. So hoffen sie zu erkennen, wo genau sich die Reaktionspartner an das Eiweiß anlagern und wie es die Wasserstoffbildung katalysiert. Die Experimente dazu sind aufwendig - bisher arbeiten die Bonner Forscher daher mit Computerbildern, die der Realität nahe kommen.
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Wasserstoff
farb-, geruch- und geschmackloses Gas; findet sich in freiem Zustand kaum, aber in vielen anorganischen und organischen Verbindungen; wird hauptsächlich aus Rohöl und Erdgas gewonnen. H ist brennbar, sein Verbrennungsprodukt ist Wasser; er bildet mit Sauerstoff hochexplosive Gemische. Atomarer Wasserstoff kann durch thermische Dissoziation von gewöhnlichem Wasserstoff, dessen Moleküle aus zwei Atomen bestehen, erhalten werden. Er hat dann eine viel größere Reaktionsfähigkeit. Schwere Isotope des Wasserstoffs sind das Deuterium und das Tritium.
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Produktionsfreudiges Enzym
"Unsere Hydrogenase ist sehr einfach aufgebaut", erklärt der Biochemiker, "und das macht es natürlich leichter, ihre Wirkungsweise zu verstehen." Daher ist ihr Fund auch weltweit auf großes Interesse gestoßen - zumal das Enzym in großen Mengen Wasserstoff produziert.

In einem internationalem Projekt versuchen die Forscher nun, sowohl die Photosynthese-Systeme als auch die Hydrogenase aus Blau- und Grünalgen zu isolieren und an künstlichen Membranen zu befestigen. Bei Sonneneinstrahlung, so ihr Kalkül, könnte eine solche - vergleichsweise wartungsarme - "biochemische Batterie" Wasserstoff herstellen.
Direkt für Energieproduktion einspannen
Einfacher ist es, die Grünalgen direkt für die Energieproduktion einzuspannen - gewissermaßen als einzellige "Galeerensklaven". Die Wasserstoff-Synthese ist für Grünalgen allerdings ein Schutzmechanismus, der nur in "Hungerzeiten" zum Tragen kommt.

Dementsprechend niedrig ist normalerweise die Hydrogenase-Konzentration in den Algenzellen - und je weniger Hydrogenase vorhanden ist, desto weniger Wasserstoff entsteht. Die Bonner Wissenschaftler haben dem Hydrogenase-Gen daher einen "Turbo" vorgeschaltet, der dafür sorgt, dass die Erbinformation häufiger abgelesen wird und die Alge entsprechend mehr Hydrogenase-Enzyme produziert.

Mit Erfolg: Die Alge mit dem "Turbolader" produziert die zwei- bis dreifache Menge des begehrten Gases wie ihre Verwandten aus der freien Wildbahn. "Wir müssen nun die Mutante genauer genetisch untersuchen", erklärt Happe. "Wir betrachten diesen Erfolg aber als ersten Schritt zur großtechnischen Produktion von Wasserstoff."
->   Arbeitsgruppe Molekulare Biochemie, Botanisches Institut und Botanischer Garten
->   Bakterien als Wasserstoff-Vorbilder
->   Wasserstoff - die Kohle der Zukunft
 
 
 
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01.01.2010