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Lärm kann bei Walen Taucherkrankheit auslösen  
  Lärm ist nicht nur lästig, sondern mitunter auch tödlich. Ungewohnte, etwa von Sonarsignalen ausgelöste Schallwellen unter Wasser können bei Walen dramatische Folgen haben - und zum Stranden, Symptomen der Taucherkrankheit oder inneren Blutungen führen.  
Schallverschmutzung mit vielen Ursachen
Militärschiffe senden regelmäßig Sonarsignale zur Ortung von U-Booten aus und führen kontrollierte Explosionen unter Wasser durch. Die kommerzielle Schifffahrt, Ölbohrungen oder wissenschaftliche Experimente, die Schall zur Messung der Ozeantemperaturen verwenden, tragen weiters zum Lärm unter dem Meeresspiegel bei.

Biologen haben schon lange angenommen, dass sich diese "Schallverschmutzung" auf das Gehör und Verhalten der Meeresbewohner auswirkt und sie mitunter zum Stranden zwingt. Nun vermuten Wissenschaftler, dass es sogar Blutungen im Körper und zur Taucherkrankheit führen kann.
Gefährliche Stickstoffbläschen
Wenn Wale oder Delfine tauchen, wird Stickstoff aus der Lunge in die Blutbahn gepresst und das umgebende Gewebe damit angereichert. Je länger und tiefer sie tauchen, desto mehr Gase lösen sich in ihren Körpern. Sobald sie wieder auftauchen, atmen die Meeressäuger aus und waschen die potenziell gefährlichen Mengen an Stickstoffbläschen aus ihrem Blut.

Dorian Houser und sein Team vom Marine Mammal Program der Navy in San Diego haben nun mittels eines mathematischen Modells gezeigt, dass niederfrequente Schallwellen die mikroskopisch kleinen Luftbläschen im Gewebe von Walen und Delfinen anwachsen lassen können. Dies berichtet die aktuelle Ausgabe des New Scientist.
->   New Scientist
Gewebsstörungen
Schallwellen komprimieren und expandieren mikroskopisch kleine Gasbläschen im Gewebe sehr schnell, meinen die Wissenschaftler. Bei jedem Zyklus absorbiert jedes Bläschen mehr von dem im Blut gelösten Gas.

Werden diese Bläschen zu groß, können sie Blutgefäße blockieren oder Nerven abdrücken, was zur typischen Taucherkrankheit mit Schmerzen und Orientierungsproblemen führen kann. Im schlimmsten Fall zerstören die Bläschen sogar Gewebe und lösen dadurch Blutungen aus.
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Taucherkrankheit
(Dekompressionskrankheit) ist beim Menschen die durch zu rasches Absinken des Außendrucks hervorgerufene Schädigung des Körpers, die sich sofort oder auch erst Stunden später bemerkbar macht. Sie tritt z.B. bei zu raschem Auftauchen bei Tauchgängen auf oder bei zu schnellem Steigflug in Flugzeugen ohne Druckkabine. Durch den schnellen Druckabfall werden die im Blut gelösten Gase (v.a. Stickstoff) in Form von Gasbläschen frei, die kleine Blutgefäße verstopfen (Gasembolie) oder auch direkt das Gewebe schädigen können. Betroffen sind v.a. Lunge, Herzmuskel, das Innenohr und das Zentralnervensystem.
->   Mehr zur Dekompressionskrankheit (DCS)
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Schnabel- und Pottwale stranden besonders häufig
Houser ging bei seinen Modellberechnungen von früheren Studien aus, die sich mit den Mengen gelöster Stoffe im Blut von Walen und Delfinen beschäftigten. Dabei wurde klar, dass sich der Stickstoffgehalt nach typischen Tauchgängen etwa bei Schnabel- oder Pottwalen viermal so hoch war wie zuvor.

Das könnte erklären, warum diese Arten in Gegenden mit starkem Schiffsverkehr öfter stranden als andere.
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Wale (Cetacea)
Wale haben einen torpedoförmigen, strömungsgünstigen Körper, an dessen Ende eine waagerechte, halbmondförmige Schwanzflosse das Tier fortbewegt. Die Vordergliedmaßen sind flossenähnlich umgestaltet, die Hintergliedmaßen fehlen; der Beckengürtel ist bis auf 2 lose im Fleisch liegende Knochen verkümmert. Wale atmen nicht automatisch, sondern bewusst. Der Geruchssinn ist völlig verloren gegangen, die Augen sind schwach, das Gehör gut, doch äußere Ohren fehlen. Das Gehirn der Wale ähnelt dem des Menschen, Teile der Großhirnrinde sind sogar stärker gefurcht und sind wohl verantwortlich für das große Lernvermögen der Wale. Die Wale sind entstanden aus Landtieren, die den Urhuftieren nahe standen. Heute unterscheidet man zwei Unterordnungen: die Bartenwale und die Zahnwale, zu denen auch die Delfine gehören.
->   Wale und Delfine
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Bestätigungen der These
Die Vermutungen von Housers Team werden von anderen Wissenschaftlern bestätigt. Darlene Ketten von der Harvard Medical School entdeckte, dass Unterwasserexplosionen auf große Entfernungen Herz, Lunge, Leber, Milz und auch das empfindlichste Organ der Tiere - das Ohr - zerstören kann.

Sie setzte Kadaver gestrandeter Delfine kontrollierter Unterwasserexplosionen aus und konnte danach entsprechende Verletzungen der inneren Organe feststellen. Kleine Tiere sind besonders gefährdet, so die Forscherin auf der Tagung der Geselleschaft der Meeressäuger vergangene Woche in Vancouver.
Beweis mit Hilfe der US Navy?
Ken Balcomb vom Center for Whale Research in Friday Harbor lieferte eine direkte Bestätigung für Housers These. Er hatte auf den Bahamas an einem Tag im März 16 gestrandete Wale und Delphine gefunden. Alle zeigten ungewöhnliche Anzeichen von Blutungen. Erst nach einiger Zeit stellte er fest, dass die US Navy einen Tag vor seinem Fund Manöver durchgeführt hatte.
->   Mehr über Delfine in science.orf.at
->   Mehr über Wale in science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010