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Erdbeben: Neue Techniken zur Risiko-Abschätzung  
  Ein Erdbeben der Stärke 7,0 auf der Richterskala erschütterte vergangene Woche mehrere Küstenstädte im Westen Australiens. Die Erschütterung richtete zwar keine Schäden an, doch die australischen Seismologen zeigten sich überrascht über die Stärke der Erdstöße. Amerikanische Wissenschaftler haben jetzt neue Techniken entwickelt, um das lokale Erdbeben-Risiko besser abschätzen zu können.  
Neue Technik erlaubt Blick in die Erdkruste
Die Zerstörungen von Erdbeben an der Oberfläche sind mit freiem Auge sichtbar. Verborgen blieb bis jetzt, was sich im Inneren der Erdkruste abspielt. Erst in den letzten Jahren wurden Techniken entwickelt, die eine Analyse der Erdbewegungen bis in eine Tiefe von mehreren Kilometern erlauben.

Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Berkeley kombinieren jetzt die Daten unterschiedlicher Meßmethoden, wie Radar- und Satellitenmessungen.
GPS, Satellitenbilder und Radar-Interferometrie
Ein GPS-Gerät fängt die Signale von sechs Satelliten ein, die ständig die Erde umkreisen. Zusätzlich werten die Erdbeben-Experten auch die Bilder der europäischen Umweltsatelliten ERS-1 und ERS-2 aus. Außerdem durchleuchten die Experten die Erdkruste mit Radar-Interferometrie.
->   UC Berkeley Seismological Laboratory
Erdbebengefahr im Sportstadion
Bild: Modern Times
Risse im Stadion von Berkeley
Der US-Bundesstaat Kalifornien ist ein "klassisches" Erdbeben-Risikogebiet. Quer durch die Bay Area, die Bucht von San Francisco, zieht sich z. B. rund hundert Kilometer lang die so genannte Hayward-Störung. Vor allem der nördliche Teil dieser Verwerfung galt immer als besonders gefährlich.

Dort liegt auch das Sportstadion der Studentenstadt Berkeley. Es muss dringend renoviert werden. Die ständigen Erdbewegungen haben sichtbare Folgen hinterlassen. Falls es hier zu einem Erdbeben kommt, könnte das Stadion völlig zusammenstürzen.
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Die kalifornische Angst vor dem "Big One"
Die Menschen in Kalifornien leben auf schwankendem Boden. Denn Erdbeben lassen den amerikanischen Bundesstaat immer wieder erzittern. Ursache sind Störungen in der Erdkruste. Kalifornien liegt genau dort, wo die nordamerikanische und die pazifische Erdplatte aneinander stoßen. Die dabei entstehende Spannung entlädt sich immer wieder in unterschiedlich starken Erdstößen. Wissenschaftliche Studien schüren zusätzlich die Angst, dass es schon bald wieder zu einem "Big One", zu einem verheerenden Erdbeben kommt.
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Verherendes Beben 1906 in San Francisco
Bild: Modern Times
San Francisco nach dem Erdbeben 1906
Das letzte große Erdbeben ereignete sich im April des Jahres 1906, damals wurde San Francisco falst völlig in Schutt und Asche gelegt - durch das Beben und das darauf folgende verherende Feuer.

Das Stadion erst wurde später - im Jahr 1922 - gebaut. Seit mehr als zehn Jahren wird der Sportplatz von Erdbebenexperten ständig überwacht. Die Forscher messen dabei immer den gleichen Punkt. So haben sie umfangreiche und ganz präzise Daten von den Verschiebungen der Erdkruste im Stadion gesammelt.
Neue Messungen: Entwarnung für Berkeley
Die neuen Messungen zeigen: Die tektonischen Platten gleiten aneinander, es gibt keine Verhakungen in der Tiefe, die sich ruckartig loslösen und ein gewaltiges Beben verursachen könnten.

"Wir wussten, dass die Bewegungen an der Erdoberfläche etwa drei bis fünf Millimeter im Jahr betragen, das sieht man auch im Stadion. Unsere Messungen zeigen jetzt, dass diese Verschiebungen bis tief in die Kruste reichen, dass also bis zu zehn, 12 Kilometer Verschiebungen passieren", erklärt Roland Bürgmann von der University of California, Berkeley.

Das bedeutet Entwarnung für das Stadion. Das Risiko, dass siebzigtausend sportbegeisterte Besucher ganz plötzlich von einem gigantischen Erdbeben überrascht werden, ist geringer als bisher angenommen.
Erdbebengefahr bleibt bestehen
Bild: Modern Times
Satellitenbild der Hayward-Störung
Das gilt allerdings nur für den nördlichen Teil der Hayward-Störung. Es ist eher selten, dass die Erdplatten so wie in Berkeley frei aneinander gleiten und nicht in der Tiefe verhakt sind.

Die empfindlichen Messinstrumente der Erdbeben-Überwachungsstationen registrieren beinahe jeden Tag Mikrobeben, die zeigen, dass die Menschen in Kalifornien weiter mit großen Erdbeben rechnen müssen.
"Big One" in den nächsten 30 Jahren
Für San Francisco und die gesamte Bay Area beträgt das Risiko, dass es in den nächsten dreißig Jahren wieder zu einem verheerenden Beben kommt, siebzig Prozent. Das heißt, jeder Mensch, der hier wohnt, wird vermutlich eine solche Katastrophe miterleben.

Die Forscher wollen daher mit ihren Meßmethoden weitere Gefahrengebiete überwachen, wie die berühmteste geologische Verwerfung, der San Andreas Graben.

Das ist eine Störung, die sich tausend Kilometer lang über fast ganz Kalifornien erstreckt. Die neue Kombination von Satellitenbildern, GPS und Radaranalysen könnte in Zukunft helfen, auf der ganzen Welt Erdbebenrisikogebiete besser einzuschätzen.

Sylvia Unterdorfer, Modern Times
->   Modern Times
->   Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Österreich
Mehr zum Thema Erdbeben in science.orf.at:
->   Basel: Erdbeben-Zentrum in Mitteleuropa
 
 
 
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01.01.2010