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Wohnen in Problemgebieten  
  In zahlreichen europäischen Großstädten findet man eine zunehmende Konzentration marginalisierter Bevölkerungsgruppen in Problemzonen. Sie zu erfassen und die sozialen Hintergünde zu berücksichtigen, stellt eine Herausforderung für die Stadterneuerung dar. Eine Studie über Lebensbedingungen in Wien empfiehlt deshalb eine neue Vernetzung von Sozial-, Wohn- und Integrationspolitik.  
Wien: Jeder 7. Haushalt armutsgefährdet
Immerhin etwa jeder siebte Wiener Haushalt ist als armutsgefährdet zu bezeichnen. Überdurchschnittlich betroffene Gruppen sind junge Erwachsene, Alleinerziehende (vor allem diejenige mit Kleinkindern), Familien mit größerer Kinderzahl und hochbetagte Frauen.

Eine stärkere Benachteiligung von Frauen insgesamt ist demnach erkennbar. Hervorstechend ist das Gefährdungsausmaß bei Zuwandererhaushalten.
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Studie über marginalisierte Bevölkerungsgruppen in Wien
Heidrun Feigelfeld ist die Autorin einer Studie über "Großstädtische Lebensbedingungen marginalisierter Bevölkerungsgruppen in Wien", die aus Mitteln des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank gefödert wurde und 2001 im Eigenverlag erschienen ist, unterstützt durch das Landesjugendreferat Wien. Für science.orf.at hat sie die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst.
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Ungenügender Wohnstandard
Keinen zufriedenstellenden Wohnstandard - genügend Wohnfläche und zeitgemäßen Ausstattungsstandard - erreichen unter sehr schlecht Gestellten vier von zehn Haushalten, auch die Wohnkostenbelastung ist für ein Viertel von ihnen hoch. Wird eine bessere Wohnsituation erreicht, dann zumeist mit Hilfe einer "Gemeindewohnung".

Dass neben dem noch immer vorhandenen Substandard im Althausbestand noch zahlreiche weitere Faktoren das Wohnen erschweren, zeigen die Klagen: Bauzustand, Schallisolierung und Wärmedämmung sind häufig ungenügend, und Mangel an Tageslicht wird konstatiert.
Schlechte Altbauten für Zuwanderer
Zuwandererhaushalte bewohnen offensichtlich einen großen Teil der noch vorhandenen schlecht ausgestatteten privaten Altwohnungen in Wien.

Die übrigen Wohnungssektoren sind ihnen aus formellen oder wirtschaftlichen Gründen weitgehend verschlossen. Hier gibt es in jüngster Zeit einige positiven Entwicklungen.
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Segregationsprozesse
In den europäischen Städten zeigen sich aktuell, zwar in unterschiedlicher Ausprägung, jedoch allenthalben zusehends deutlicher, soziale und ethnische Segregationsprozesse. Es ist daher notwendig, negative Entwicklungstendenzen bei einzelnen Bevölkerungsgruppen bzw. in Teilräumen von Städten transparent zu machen und politische EntscheidungsträgerInnen zur Entwicklung von Strategien der Gegensteuerung oder zumindest Kompensation zu motivieren.
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Gründerzeitliche Problemgebiete
Die hier beschriebenen Entwicklungen wirken sich auch deutlich auf die stadträumliche Verteilung aus, in der Segregationstendenzen erkennbar sind.

Die gründerzeitlichen Problemgebiete sind die Hauptwohngebiete der ausländischen Bevölkerung. Der dominante Wohnbereich reicht auch noch in die Randgebiete des dicht bebauten Stadtgebiets hinein.

Typisch für diese Gebiete ist ein Zusammenleben schlecht gestellter ausländischer Familien mit Kindern und ebenso schlecht gestellter alleinlebender alter Frauen.
Haushalte von Migrantinnen benachteiligt
Unter Migrantinnen-Haushalten hat hier mindestens jeder zweite mit geringem Wohnstandard das Auslangen zu finden. Unter den inländischen Haushalten trifft dies, je nach Teilgebiet, noch für ein oder zwei von zehn Haushalten zu.

Diese Wohngebiete weisen aber auch, mehr als andere, Mängel in Umwelt- und Freiraumqualität auf. Inländische schlechter gestellte Haushalte, die in Stadterweiterungsgebieten in Wohnhausanlagen (vor allem der Gemeinde Wien) leben, können dagegen deutlich bessere Wohn- und Wohnumfeldqualitäten nutzen.
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Vergleich schlechter gestellter Haushalte
Die Studie versucht für Wien einen kleinen Baustein anhand von Analysen der Situation gefährdeter Bevölkerungsteile, sowie der Art und des Ausmaßes ihrer Belastungen und ihrer Unzufriedenheit zu erstellen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den Wohnverhältnissen und auf der stadträumlichen Verteilung. Verglichen wurde nicht nur die Lage von Bevölkerungsteilen unterschiedlicher ökonomischer Leistungsfähigkeit, sondern vor allem von schlechter gestellten Haushalten untereinander - nach Kriterien wie zum Beispiel Lebensphase oder Herkunft. Als Grundlage standen umfangreiche Befragungsdaten "Leben in Wien" aus den Neunzigerjahren zur Verfügung.
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Schlechtes Ansehen der Wohnviertel
Entsprechend den zahlreichen Negativa fällt auch die Einschätzung des Ansehens, das ihr Wohnviertel genießt, bei den BewohnerInnen der genannten Innengebiete nicht gut aus.

Trotzdem ist die Konsequenz nicht vorwiegend Flucht aus dem dicht bebauten Gebiet: die Frage nach der Lage einer gewünschten Wohnung an Umzugswillige aus den obigen Gebieten zeigt sowohl den Wunsch nach Wohnungen im gleichen Bezirk, ja oft im gleichen Grätzel, oder zumindest im dicht bebauten Gebiet, als auch nach Wohnungen am Stadtrand.

Diese Ergebnisse werden mit zahlreichen Grafiken belegt, und mittels Erkenntnissen von aktuellen Studien anderer AutorInnen ergänzt.
Stadterneuerung
Um die Negativsituation segregierter Gebiete zu entspannen, sind folglich vernetzte Maßnahmen in Sozial-, Wohn-, Infrastruktur- und Integrationspolitik zu setzen. Und auch in der Stadterneuerung müssen die sozialen Anliegen und Herausforderungen in den Mittelpunkt gestellt werden.
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Heidrun Feigelfeld, Jg. 1949, Dipl.Ingin, ist langjähriges Mitglied und Gesellschafterin des außeruniversitären Forschungsinstituts SRZ Stadt+Regionalforschung in Wien, sowie als freie Forscherin tätig. Arbeitsschwerpunkte: Stadtentwicklung, Stadterneuerung, Wohnsituation, Wohnungsmarkt und -politik, Infrastruktur.
Kontakt:: hf@srz-gmbh.com oder feigelfeldh@scientist.com
+43 1 523 89 53 12 oder 0676 432 57 68
SRZ Stadt+Regionalforschung, Lindengasse 26/2/3, A 1070 WIEN
->   Informationen zu Forschungsprofil und zu Studien des SRZ
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01.01.2010