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Arzneimittel-Sparpakete: Nur kurzfristige Wirkung  
  Wenn es um das Sparen im Gesundheitswesen geht, konzentriert sich die Politik oft auf die Arzneimittel. Eine EU-weite Studie beweist nun, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nur kurzfristige Wirkungen zeigten - und dass die Rechnung immer die "Konsumenten" zu zahlen haben.  
Jeder Steuerungsansatz bietet Schlupflöcher
Preisreduktionen, Spannenkürzungen etc. sollen zumindest die Ausgabensteigerungen dämpfen. Doch die langfristigen Resultate solcher Eingriffe sind mager.

"Der Erfolg der Reformen ist zeitlich begrenzt. Da jeder Steuerungsansatz Schlupflöcher aufweist, kann kein Maßnahmenpaket zur Kostendämpfung dauerhaft sein", stellen jetzt Experten des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen (ÖBIG) fest.

Wie die APA berichtet, haben sie in einer fast 470 Seiten dicken Studie die Sparbemühungen der EU-Staaten bei den Medikamenten analysiert.
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Studie des ÖBIG
"Arzneimittelausgaben - Strategien zur Kostendämpfung in der Europäischen Union", lautet der Titel der brandneuen Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen. Ein Expertenteam unter Ingrid Rosian hat die Maßnahmen der EU-Mitgliedsländer zum Bremsen der Arzneimittelausgaben untersucht und die Resultate analysiert.
->   Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG)
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Ausgangspunkt: Knappe Budgets, Reformdruck
Die Ausgangslage laut dem Expertenteam: "Knappe öffentliche Budgets bei einer verschärften Wirtschaftslage und geänderten Rahmenbedingungen (gestiegene Lebenserwartung, medizinisch-technischer Fortschritt) schufen im Europa der 90er Jahre einen Reformdruck auf die Gesundheitssysteme. Systemänderungen wurden eingeleitet, die primär auf Kostendämpfung abzielten."
Gleiche Maßnahmen in allen Ländern ...
Die von Politik und sonstigen Verantwortlichen ergriffenen Maßnahmen waren zwischen 1990 und 2001 praktisch in allen EU-Ländern gleich:
- Preisstopps oder Preissenkungen
- Spannensenkungen beim Pharma-Großhandel
- Spannenkürzungen bei den Apotheken
- Förderung der Anwendung von Nachahme-Präparaten
- Erhöhung der Selbstbehalte
... auch in Österreich
Zu den österreichischen Maßnahmen zur Stabilisierung des Wachstums der Arzneimittelausgaben schreiben die ÖBIG-Fachleute: "In erster Linie handelt es sich dabei um Maßnahmen zur Eindämmung der Preisentwicklung. Auch die Rezeptgebühr wurde im Jahr 1996 um 20 Prozent erhöht."
Höchstens dämpfende Wirkungen
Grafik: APA
Doch wie in den übrigen EU-Staaten zeigten die mehr oder weniger dirigistischen Maßnahmen auch hierzulande laut den Fachleuten nur jeweils kurzfristige Wirkung: "Die Maßnahmen zeigten kurzfristig Wirkung, nach zwei bis drei Jahren waren jedoch die Effekte verpufft und neue notwendig. [...] Es stellt sich jedoch die Frage, wie lange diese Maßnahmen greifen und wann die nächsten folgen, insbesondere da die Krankenkassen - auch auf Grund der schwachen Entwicklung der Beitragseinnahmen - wieder Defizite ausweisen."

An den grundsätzlichen Problemen änderte sich durch die Eingriffe der Politik nichts - gleichgültig wie stark sich die Politik engagierte. So wurde in Belgien, Deutschland, Spanien, Italien und Dänemark im vergangenen Jahrzehnt am meisten in den Arzneimittelmarkt eingegriffen.

Aber, so die Experten: "Belgien, Deutschland, Frankreich und Österreich liegen mit den Höchstausgaben für Arzneimittel pro Einwohner im Spitzenfeld: Belgien konnte trotz massiver Eingriffe in den Arzneimittelsektor die Ausgaben nicht in den Griff bekommen, in den drei anderen Ländern wurden jeweils die Steigerungsraten der Arzneimittelausgaben gedämpft."
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303 Euro für Arzneimittel in Österreich
Laut den Experten des ÖBIG sind in Österreich pro Einwohner vergleichsweise relativ hohe Arzneimittelausgaben zu registrieren. Den letzten Rang (1997) belegte Irland mit 122 Euro, im Jahr 1999 lag der EU-Durchschnitt bei 252 Euro (Italien: 250 Euro). In Österreich waren es damals 303 Euro (4.170 ATS/vierter Platz im EU-Vergleich). Davor lagen noch Deutschland (349 Euro), Frankreich (356 Euro) und Belgien (377 Euro).
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Politischer Pendel
Insgesamt äußern die Fachleute Bedenken, ob mit Preisstopps, Preissenkungen, Spannenkürzungen etc. wirklich langfristig etwas zu holen ist.

"Grundsätzlich ist auch im Arzneimittelbereich das für viele Politikbereiche typische 'Pendel' zu beobachten: Unzufriedenheit mit der Ausgangslange führt zu Reformmaßnahmen (Pendel schlägt in eine Richtung aus), die nach einiger Zeit auf Grund von Problemen bzw. geänderten Rahmenbedingungen (z.B. Regierungswechsel) zurückgenommen werden. Stattdessen werden neue, entgegengesetzte Strategien umgesetzt (Pendel schlägt in die andere Richtung aus)."
Rechnung zahlen die "Konsumenten"
Die Rechnung zahlen in allen EU-Ländern auf jeden Fall die Konsumenten. Die Fachleute: "Den Preis für den 'Erfolg' der Sparmaßnahmen, also die Kostendämpfung bei den öffentlichen Arzneimittelausgaben, mussten die Patienten zahlen: Auf diese wurden die Ausgaben für Arzneimittel mittels höherer Zuzahlungen und/oder verstärkter Selbstmedikation abgewälzt."
 
 
 
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01.01.2010