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Vollblüter mit klaren Verwandtschaftsverhältnissen  
  Dass der Englische Vollblüter, eine von Menschen für den Rennsport gezüchtete Pferderasse, von einigen wenigen Hengsten abstammt, war bekannt. Nun beweist eine Studie, dass mehr als 95 Prozent aller heute lebenden Tiere auf einen einzigen Hengst zurückzuführen sind.  
Zudem kommen drei Viertel aller Gene von heutigen Rennpferden von nur 30 Vorfahren, so das Ergebnis der Studie, die in der aktuellen Ausgabe von 'Animal Genetics' erschienen ist.
Eine Million Pferde aus knapp 200 Jahren
Paddy Cunningham vom Trinity College in Dublin, einer der Autoren, meint laut der Online-Ausgabe von 'Nature', dass sein Forscherteam "die kompletteste Stammbaumanalyse aller Zeiten" gemacht hat. Sie enthält Erläuterungen über die Abstammung von knapp einer Million britischer Rennpferde aus den vergangenen zweihundert Jahren.

"Unsere Analysen zeigen, dass Vollblüter einen besonders kleinen ursprünglichen Pool an Genen haben im Vergleich zu anderen Pferden oder Haustieren", erklärt der Evolutionsgenetiker Hans Ellegren von der Universität Uppsala in Schweden.
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Original-Abstract in "Animal Genetics":
->   E. P. Cunningham et al.: Microsatellite diversity, pedigree relatedness and the contributions of founder lineages to thoroughbred horses
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Vererberhengst Darley Arabian
Der Hengst, der für 95 Prozent aller Y-Chromosomen der britischen Vollblüter von heute verantwortlich ist, war ein Arabischer Vollblüter namens "Darley Arabian" und kam vermutlich 1704 aus Syrien nach Großbritannnien.

Der Englische Vollblüter entstand etwa um diese Zeit, als die britische Aristokratie europäische und nahöstliche Tiere kreuzte, um bessere und schnellere Rennpferde zu erzeugen. Seit James Weatherby 1791 erstmals einen Pferde-Stammbaum aufzeichnete, änderte sich nicht mehr sehr viel am genetischen Rüstzeug der Vollblüter.

"Vor etwa 150 Jahren verteilten sich die Gene des Vererberhengstes Darley, eines arabischen Vollbluts, in alle Richtungen", meint Cunningham.
->   Mehr über die Geschichte des Darley Arabian
Erbmaterial der Stuten nicht ganz so dominant
Einzelne Stuten können nach Angaben der Genetiker keine derartig überproportionalen Gen-Beiträge für künftige Generationen leisten. Der Grund: Hengste paaren sich mit etwa 40 Stuten pro Jahr, Stuten bekommen in ihrem gesamten Leben maximal fünf bis sechs Fohlen.

Dennoch herrschen auch bei ihnen klare Verhältnisse: Die weiblichen Gene von drei Viertel aller Pferde gehen auf nur zehn Vererberstuten zurück.
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Das Englische Vollblut
Unsere heutigen Pferderassen lassen sich in vier große Gruppen unterteilen: Vollblut, Warmblut, Kaltblut und Pony. Bei diesen Bezeichnungen geht es nicht um die Temperatur des Blutes, sondern um Unterschiede in Temperament und Körperbau. Unter einem Vollblut versteht man ein Pferd mit viel Temperament, dessen Blut nicht vermischt worden ist, das also rein gezüchtet worden ist. Es gibt nur zwei anerkannte Vollblutrassen: das Arabische Vollblut und das Englische Vollblut. Das Englische Vollblut, als jüngste Vollblutrasse, ist eine gezielt vom Menschen geschaffene Rasse. Ausgangspunkt für ihre Entstehung war vor rund 300 Jahren die Rennleidenschaft der Engländer. Die Gründer-Hengste kamen aus dem arabischen Raum und wurden mit einheimischen Stuten gekreuzt. Seit ungefähr 200 Jahren wird eine Reinzucht betrieben.
->   Mehr zur Geschichte der Rennpferde
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Kombination von DNA-Analysen ¿
Cunningham und seine Kollegen untersuchten das Erbmaterial von 211 lebenden Vollblütern, die von der irischen Züchterei "Coolmore Stud" stammten. Das Gestüt zählt weltweit zu den erfolgreichsten seiner Art und stellte mit Galileo den Gewinner des diesjährigen Epsom Derbys.
->   Coolmore Stud, Irland
... und Stammbaumstudien
Die Forscher kombinierten Stammbaumstudien, die den Verwandtschaftsgrad der Pferde untersuchten, mit den DNA-Analysen.

Daraus schlossen sie auf die Anzahl der Gene, die die ursprünglichen Schöpfer der Vollblüter-Abstammungslinie teilten. "Damit haben wir die Situation von 30 Generationen an Pferden bis ins späte 17. Jahrhundert beleuchtet", meinte Cunningham.

Das Resultat: Die Urahnen der Vollblüter besaßen einen höchst unterschiedlichen Genpool - sie hatten weniger Erbinformation gemein als heutzutage etwa ägyptsche oder türkische Pferde.
Keine Inzuchtgefahr
Nichtsdestotrotz sollen Züchter, die ob möglicher Inzuchtgefahr ihrer Lieblinge in Sorge sind, beruhigt sein: Rennpferde seien im Normalfall nicht näher verwandt als Cousins ersten Grades.

Dies versichterte Hamish Anderson von Weatherby's - jenem Unternehmen, das die Verwandtschaftsverhältnisse von jedem britischen Vollblüter der vergangenen zwei Jahrhunderte aufzeichnete.

"Die Inzuchtrate ist nicht übermäßig hoch", meinte Anderson. Sie sei sogar geringer als bei vielen wild lebenden Populationen.
->   Weatherby's
Anwendungen für Zuchtprogramme?
Die angewandte Untersuchungsmethode - die Kombination von Abstammungs- und DNA-Studien - könnte auch auf die genetische Ausstattung von Zootieren angewandt werden, schlagen die Autoren der Studie vor. Das könnte sich positiv auswirken auf Zuchtprogramme in der Tierhaltung und in der Vermeidung von Inzucht.
->   Nature Science Update
 
 
 
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01.01.2010