News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Weihrauch als Medizin  
  Bei religiösen Ritualen hat der Weihrauch eine große Geschichte. Seit Jahrtausenden ist er in den verschiedensten Kulturen als spiritueller Duftstoff in Verwendung. Jetzt prophezeit ihm die Wissenschaft eine große Zukunft. Pharmazeuten und Chemiker entdecken den Weihrauch als neues Heilmittel gegen chronische Erkrankungen.  
Von Indien ...
Bei uns ist es kaum bekannt: doch der Weihrauch hat eine lange Geschichte als Heilmittel. Schon der griechische Arzt Hippokrates, der spiritus rector der westlichen Medizin, hat ihn seinen Patienten verordnet.

Im Nahen Osten und Nordafrika wurden Weihrauchkörner als Lutschtabletten gegen Halsweh gebraucht. Am besten überliefert ist die Wirkung des Weihrauchs jedoch in der indischen Naturheilkunde Ayurveda.
->   Mehr über Ayurveda
... nach Tübingen
Als Pulver verabreicht oder als Extrakt in Öl und Salben beigemengt, wurde bereits vor 5000 Jahren seine positive Wirkung bei rheumatischen Beschwerden, chronischen Entzündungen, Magen, Darm und Hauterkrankungen beobachtet.

Für die moderne Medizin entdeckt hat den Weihrauch eine Forschergruppe aus Tübingen unter der Führung des Pharmakologen Hermann Ammon.

Studien in Indien waren der Anlass, jetzt mit naturwissenschaftlichen Messmethoden zu beweisen, was im Weihrauch steckt.
->   Herbert Ammon am Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen
Weihrauch gegen Entzündungen
Die Untersuchungen der deutschen Forscher, die weltweit die größte Erfahrung bei der Analyse der Weihrauch-Inhaltsstoffe haben, offenbarten eine kleine Sensation.

Weihrauch enthält Säuren, die eine einzigartige Eigenschaft haben: diese Boswellia-Säuren blockieren die Bildung von so genannten Leukotrienen, das sind Teilchen in den weißen Blutkörperchen, die für chronische Entzündungen verantwortlich gemacht werden.
->   Mehr über Leukotriene
...
Ersatz für Cortison?
Mediziner und Pharmaindustrie suchen seit langem vergebens nach einem Stoff, der genau diesen speziellen Krankheitsprozess, an dem Leukotriene beteiligt sind, unterbindet. Bislang wurde bei chronischen Entzündungen vor allem das Breitband-Medikament Cortison eingesetzt. Cortison blockiert zwar ebenfalls die Leukotrienen-Produktion, hat aber Nebenwirkungen.
...
Erfolgsrezept Boswelliasäure
Das Besondere an den Boswellia-Säuren hingegen ist: sie wirken ausschließlich auf Leukotriene und verursachen nahezu keine Nebenwirkungen.

Die Hoffnung der Wissenschaftler: schon bald könnten Boswelliasäuren gegen alle bekannten Krankheiten eingesetzt werden, die auf den Leukotrienen beruhen. Das sind: Asthma, chronische Bronchitis, Gicht, rheumatische Erkrankungen wie Arthritis, die schmerzhaften chronischen Darmentzündungen Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa.

Erste Studien über Darmentzündungen und Asthma bestätigen die Thesen der deutschen Forscher.
Effizienteste Säure wurde isoliert
Mit den Erkenntnissen über die Boswelliasäuren ergeben sich jetzt neue Perspektiven. Möglicherweise wird das Medikament der Zukunft nicht auf einem Extrakt des Weihrauchharzes basieren, sondern nur mehr auf der Wirksubstanz Boswelliasäure.

Derzeit laufen die Analysen der Boswelliasäuren im Chemielabor der TU München auf Hochtouren. Den Forschern ist dabei zweierlei gelungen:

Sie konnten die effizienteste Boswelliasäure, die Acetyl-Keto-Boswelliasäure, identifizieren und isolieren - damit ist auch eine für die Zulassung als Medikament notwendige weitere Forschungsarbeit möglich.
Mehr Wirkstoff aus weniger Weihrauch
Zudem haben sie ein Verfahren entwickelt, um weniger effiziente Boswelliasäuren zusammen mit anderen Weihrauch-Inhaltsstoffen in einem chemischen Prozess in die effizienteste Form der Acetyl-Keto-Boswellia-Säure umzuwandeln.

Konkret: aus der gleichen Menge Weihrauch holen die Chemiker 40 mal mehr Wirkstoff heraus, als in der Natur vorhanden ist.
Medikament der Zukunft
Derzeit sind Weihrauchpräparate aus Indien wie "H15" zwar erhältlich, aber nicht zugelassen. Dabei ist die Nachfrage groß - chronische Entzündungen aller Art sind in unserer Gesellschaft im Vormarsch.

Bis ein auf Basis der Boswelliasäuren entwickeltes Medikament am Markt ist, wird es noch einige Jahre dauern - doch Chemiker Johann Jauch von der TU München ist optimistisch: Er hält die Boswelliasäure für ebenso erfolgsträchtig wie die Acetyl-Salicil-Säure - und hinter dieser komplizierten Formel versteckt sich nichts Geringeres als das Allheilmittel Aspirin.

Tom Matzek/Modern Times
...
Mehr dazu in Modern Times, Freitag 21.12.2001/22.35 Uhr, ORF2
->   Modern Times
...
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010