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Wissenschaftler spüren Brueghel nach  
  Mit Infrarot und Co spüren derzeit Wissenschaftler den Gemälden des niederländischen Malers Pieter Brueghel der Ältere nach. Mehr als 1.000 Kopien seiner Bilder existieren - entstanden in der Werkstatt seines Sohnes, allerdings nicht immer ohne Fehler.  
Ein wenig verdutzt starrt der Spaziergänger im warmen Winterwams auf die Fußspuren im Schnee. Dort, wo sich auf Pieter Brueghel des Älteren Gemälde "Volkszählung zu Betlehem" (1566) ein kauernder Schlittschuhläufer die Kufen schnürt, ist auf den späteren Versionen aus der Werkstatt des Künstlersohnes Pieter des Jüngeren nur ein Fleck im Schnee.
Die Geheimnisse der Kopierwerkstatt
Das ist aber längst nicht die einzige Überraschung, die den Besucher der Ausstellung "Die Firma Brueghel" im Bonnefantenmuseum der niederländischen Stadt Maastricht erwartet. Noch bis zum 17. Februar ist dort zu betrachten, wie ein Experten-Team die Geheimnisse der Kopierwerkstatt des jüngeren Brueghel lüftet.
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Die Familie Brueghel
Pieter der Ältere - auch genannt "Bauern-Bruegel" war der Begründer der "Malerdynastie" Brueghel und gilt als der bedeutendste niederländische Maler der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er erschloss der Malerei als neues Darstellungsgebiet die Welt der Bauern. Seine Genre- und Landschaftsbilder (oft Jahreszeitenallegorien) mit volkstümlicher, religiöser und mythologischer Staffage zeichnen sich durch scharfe Erfassung des Gegenständlichen und bald heitere, bald tiefsinnige Deutung der Wirklichkeit aus. Die Einzelheiten sind klar konturiert und haben kräftige Farben.

Erhalten sind etwa 40 Gemälde (davon fast die Hälfte im Wiener KHM), über 100 Handzeichnungen und ca. 300 Kupferstiche nach seinen Entwürfen. In Wien zu sehen sind etwa "Der Turmbau zu Babel" (1563), und "Das Schlaraffenland" (1567).

Die Söhne Jan der Ältere und Pieter der Jüngere arbeiteten ebenfalls als Maler; aus der Werkstatt Pieters des Jüngeren stammen die von den Wissenschaftlern nun untersuchten Kopien.
->   Mehr zu Pieter Brueghel dem Älteren
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Der Hintergrund: Die "Firma" Brueghel
Mindestens 1.600, vielleicht sogar 4.000 Gemälde sind in der Werkstatt des Sohnes nach den Originalen von Pieter dem Älteren (um 1520-1569) entstanden. Die Arbeitsweise dieser florierenden "Firma" wird in Maastricht wie in einem spannenden Kunstkrimi demonstriert.

Exemplarisch sind dazu nur vier Sujets von der "Volkszählung" bis zur "Anbetung der Könige im Schnee" in jeweils bis zu zwölf Fassungen durchaus unterschiedlichster Qualität und Größe ausgestellt.
"Warum gibt es so viele Kopien?"
"Warum gibt es so viele Kopien aus einer Werkstatt und warum sind sie entstanden", bringt die Bonnefanten-Spezialistin für Alte Kunst, Ingrid van Rooy, das Problem auf den Punkt.

War der Vater, dessen schon damals begehrten Gemälde rasch in Privatsammlungen verschwanden, sicherlich der bedeutendere Künstler, so war der Sohn, der vielleicht nie selbst gemalt hat und die Vorbilder des Vaters wohl nur von Zeichnungen kannte, eben so sicher der findigere Geschäftsmann.
Fünf verschiedene Maler produzierten "Billig-Brueghels"
Mindestens fünf Maler, so fanden die Wissenschafter schon jetzt heraus, haben die zehn untersuchten späteren Versionen der "Volkszählung" angefertigt, um damit den Niedrigpreis-Markt Europas zu beliefern.
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Erschwingliche Kopien
Betrug war dabei keineswegs im Spiel, erklärt Ingrid van Rooy. Wer die Bilder kaufte, der wusste, dass es erschwingliche und kopierte "Brueghels" waren. Etliche der heutigen Besitzer seien beim Forschungsprojekt kooperativ, andere wollten die nüchterne "Wahrheit" aber lieber nicht wissen.
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Röntgenstrahl, Infrarot und Co
Mit Röntgenstrahlen, Infrarotlicht und anderen technischen Finessen schauen die Kunstdetektive vor den Augen der neugierigen Museumsgäste unter Farbe und Firnis, zählen zur Datierung die Jahresringe der Eichenbildtafeln und vergleichen vor allem winzigste Details der meist vielfigurigen flämischen Szenen.

Die mindestens 130 Versionen etwa der "Winterlandschaft mit Vogelfalle", wohl wegen ihres stark moralisierenden Sinns dazumal äußerst beliebt, haben die Produktionskraft selbst der fleißigen "Firma Brueghel" überstiegen und müssen noch über Generationen kopiert worden sein.
Der Fehler im Detail
Bei den Details waren die eifrigen Kopisten, die die Komposition mit Kartons wie mit Kohlepapier auf die Eichenbretter übertrugen, allerdings nicht immer gründlich.

So fehlt nicht nur der Schlittschuhläufer, bei der "Volkszählung" stemmt sich auch ein kleines Männchen in einen widersinnig schlaff hängenden Pferdezügel. Im väterlichen Original schiebt er kraftvoll einen Bauernkarren vor sich her.

Und bei der "Anbetung der Könige im Schnee" schneit es nur in der Urfassung heftig, während in den Kopien der Werkstatt des Juniors der stimmungsvolle Niederschlag von Version zu Version beständig abnimmt.
Verhört?
Auch mit den Ohren scheint es bei den mündlichen Malanweisungen des "Chefs" nicht immer so geklappt zu haben. Während auf einigen Kopien ein Reitersmann den Kirchweg kreuzt, spaziert auf anderen ein untergehaktes Paar zum Gotteshaus im Bildhintergrund.

Die niederländischen Ausdrücke "paardje" (Pferdchen) und "paartje" (Pärchen) ähneln sich auch wirklich zu sehr.
->   www.defirmabrueghel.com
 
 
 
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01.01.2010