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Braucht Österreich überhaupt noch Bauern?  
  Die EU-Erweiterung wird Experten zufolge auch nachhaltigen Einfluss auf die österreichische Landwirtschaft haben: Schon jezt stammen zwei Drittel des Einkommens der heimischen Bauern aus Förderungsmitteln, mit dem Hinzukommen weiterer Konkurrenz ist eine Verschärfung der Situation zu erwarten. Anlass für die Fachleute, neue Strategien und alternative Möglichkeiten für Österreichs Landwirtschaft anzudenken.  
Nur drei von zehn Schilling - oder Euro - verdient der durchschnittliche Österreichische Bauer aus dem Verkauf seiner Produkte. Zwei Drittel seines Einkommens stammen aus Förderungsmitteln.

Mit dem absehbaren weiteren Rückgang von Preisstützungen - etwa bei Milch - werde sich dieses Missverhältnis noch verstärken, sagen die Experten des Österreichischen Ökologieinstitutes.

Die Gesellschaft werde sich irgendwann die Frage stellen, ob sie soviel Geld für die Landwirte überhaupt noch ausgeben will.
->   Österreichisches Ökologieinstitut
EU-Erweiterung bringt neue Agrarkonkurrenz
Durch die Erweiterung werden riesige Agrarflächen in der EU neu dazukommen - mit ungleich besseren Produktionsbedingungen als in der kleinteiligen und topografisch benachteiligten österreichischen Landwirtschaft.

Für Martin Geser, selbst Bauer und Mitarbeiter des Ökologieinstitutes heißt das, dass jedenfalls in Österreich die herkömmliche ''Wachstumslandwirtschaft'', also das Bestreben, immer mehr immer billiger zu produzieren, das Überleben der Bauern nicht sichern kann.
Neue Aufgaben für die Landwirtschaft
Ansätze, den Landwirten neue Aufgaben zuzuordnen, gibt es bereits. Allerdings bisher nur vereinzelt, sagt Robert Lechner, Raumplaner des Ökologieinstitutes.

Darunter fallen Aufgaben im Bereich des Umwelt- und Artenschutzes, der Landschaftspflege, der Regulierung der Waldbestände, Erhaltung der Infrastruktur bis hin zu Sozial-Funktionen in den Gemeinden - all das Funktionen, die man traditionell nicht mit Landwirtschaft verbinde.

Aus vereinzelten Projekten müsse nun ein Grundprinzip der Agrarpolitik werden, verlangt Lechner. Die Gesellschaft müsste den Bauern klare Aufträge für diese neuen Aufgaben erteilen - und dafür bezahlen.
"Feinkostladen" als Falle für die Bauern
Das Schlagwort von Österreich als dem Feinkostladen Europas reiche langfristig nicht aus, das Überleben der Bauern zu sichern, meint der Experte. Denn auch dabei gehe es ausschließlich um die Produktion landwirtschaftlicher Güter.

Künftige Agrarpolitik sollte seiner Ansicht nach als erstes die Frage stellen "Welche Landschaft wollen wir?" und dann erst die Frage "Welche Landwirte sind dafür notwendig?".

Statt umstrittener Förderungen - für die die Bauern sich rechtfertigen müssen - würden sie dann wieder Bezahlung für erbrachte Leistungen erhalten.
EU-Agrarpolitik setzt andere Schwerpunkte
Die Agrarpolitik der EU fördere die Entwicklung zu einem neuen Verständnis der Landwirtschaft nicht, sagt Lechner. Denn 90 Prozent der EU-Agrarbudgets würden für die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft auf den Weltmärkten, also für ''klassische'' Landwirtschaft ausgegeben.

Wenn Österreichs Bauern daher nur versuchten, unter dem Schlagwort ''Feinkostladen'' zu überleben, könnte das zu einem ''Greisslersterben'' unter den Bauern führen, warnt Lechner.
Regionalpolitik statt Agrarförderung
Regionalpolitik statt Agrarförderung setze aber auch die regionale Entscheidung über den Einsatz von öffentlichen Geldern voraus.

Notfalls müsste Österreich daher auch dafür eintreten, die Agrarpolitik wieder stärker den einzelnen Ländern zu überlassen und die Zuständigkeit der EU-Zentralbehörden in Brüssel zu beschneiden.

Franz Simbürger, Ö1-Wissenschaft
->   Österreichisches Ökologieinstitut
 
 
 
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01.01.2010