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Inzucht kontra Gen-Fehler?  
  Eine Rinderart aus Nordengland wird seit 300 Jahren lediglich aus dem Bestand einer Herde gezüchtet. Die 49 Rinder sind inzwischen genetisch fast identisch. Dennoch ist ihre Lebens- und Vermehrungsfähigkeit offenbar nicht beeinträchtigt.  
Rinder genetisch fast identisch

Das so genannte Chillingham-Rind, das bereits Darwin faszinierte, ist Gegenstand einer neuen Studie der University of Edinburgh. Ein Wissenschaftler-Team unter der Leitung von Peter Visscher untersuchte die DNA der Tiere. Diese Woche wurde in einer Kurzmitteilung berichtet, dass die 49 Rinder genetisch fast identisch sind (Nature 409, p 303; 2001).
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Die Chillingham-Rinder auf einem Gemälde von Edwin Landseer
The Chillingham Wild Cattle
Die 49 Rinder der einzigen Herde leben wild in dem etwa 12.000 km großen Chillingham-Park in Northumberland, Nordengland. Ihre genaue Herkunft ist ungeklärt. Man nimmt jedoch an, dass die Herde seit mindestens 700 Jahren in Chillingham existiert. Die Form des Schädels und der Hörner ähnelt dem Auerochsen. Daher stammt auch die Hypothese, diese Rinder seien direkte Nachkommen der ursprünglichen wilden Rinderherden, die einst in England lebten. Genanalysen von Blutproben der Tiere hatten so gut wie keine Ähnlichkeit mit irgend einer anderen in Europa bekannten Rinderart ergeben. Die Fellfarbe der Tiere ist - soweit bekannt - immer weiß.
->   The Wild Cattle of Chillingham
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300 Jahre Inzucht
Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass seit mindestens 300 Jahren kein nichtverwandtes Rind zur Herde dazugekommen sei. Dennoch scheint es keinen Rückgang bei der Vermehrungs- oder Lebensfähigkeit der Tiere zu geben. Die Herde erholte sich sogar von einem beinahe katastrophalen Populationen-Crash, der 1947 lediglich acht Bullen und fünf Kühe am Leben ließ.

 


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Inzucht
Der Terminus bezeichnet die geschlechtliche Fortpflanzung nahe verwandter Menschen, Tiere oder Pflanzen. Von Vorteil kann dabei sein, dass deutlich ausgeprägte, wertvolle Erbanlagen weitergegeben werden. Die bewusste Inzucht hat bei der Pflanzen- und Haustierzucht zu teilweise hervorragenden Ergebnissen geführt. Es kommt jedoch ebenfalls vor, dass eventuell von beiden Eltern stammende schlechte und unerwünschte Merkmale (die bei diesen oft nicht zutage traten, aber latent vorhanden waren) sich nun durch das Zusammenkommen zweier gleicher Erbfaktoren in den Nachkommen zeigen.
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Genetisch nahezu identisch
Die Wissenschaftler untersuchten 25 DNA-Marker, die sie 13 verschiedenen Tieren entnommen hatten. 24 von diesen Markern erwiesen sich als identisch. Bei einer normalen Rinderherde könne man davon ausgehen, so die Forscher, dass ca. 70 Prozent der Marker verschieden seien. Die 49 Tiere seien ¿fast schon geklonte Organismen¿, so Stephen Hall, einer der Wissenschaftler. Das sei beispiellos in der Gruppe der Säugetiere.
Inzucht steigert Fitness
Da die Tiere jedoch offenbar weder in ihrer Lebens- noch in ihrer Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt seien, folgerten die Forscher, dass Inzucht die Fitness der Herde eher gesteigert habe, statt ihr zu schaden. Dies unterstützt die Hypothese, dass Inzucht gelegentlich von fehlerhaften Genkopien befreien könnte.

Die Studie ändere, laut Hall, allerdings nichts an der Wahrscheinlichkeit, dass Inzucht zum Aussterben führt. Aber man könne annehmen, dass in einigen glücklichen Fällen das Kreuzen von nah verwandten Tieren zu einer Reinigung der Erbanlagen führe.
Hilfe für Krankheits-Resistenzen
Die Wissenschaftler glauben auch, dass "die Homozygotie der Chillingham-Herde bei der Aufklärung des Rindergenoms und der genetischen Grundlagen von Krankheits-Resistenzen hilfreich sein könnte".
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Homozygotie
Homozygotie bedeutet, dass ein Organismus, der zwei Chromosomensätze besitzt (also z.B. Säugetiere), mit gleichen Erbanlagen bezüglich eines Merkmals ausgerüsteter ist.
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->   deutsche.nature.com
->   University of Edinburgh
 
 
 
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01.01.2010