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Zellchip als Hilfsarbeiter für die Leber  
  Akutes Leberversagen ist eine der gefährlichsten Situationen für den Organismus. Bei manchen Erkrankten könnte sich das Organ jedoch erholen, wenn es zeitweilig entlastet würde. Wissenschaftler in Karlsruhe entwickeln deshalb einen Zellchip, der als Ersatz für gewisse Funktionen der Leber dienen soll.  
Künstliche Leber noch weit
Der Weg zur "künstlichen Leber" sei allerdings steinig, schreibt der Biologe Eric Gottwald in der Januar-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft. Als zentrales Stoffwechselorgan nutze die größte Drüse unseres Körpers allein rund 600 Enzyme als Biokatalysatoren.

Daher könne eine rein technische Apparatur nie sämtliche Funktionen der Leber übernehmen. Ein Wissenschaftlerteam am Forschungszentrum Karlsruhe strebe deshalb ein Kombisystem an, in dem lebende kultivierte Leberzellen entscheidende Arbeit leisten.
Hepatocyten: Entscheidende Zellen
Verantwortlich für die Stoffwechselvorgänge der Leber sind die häufigsten Zellen darin: die so genannten Hepatocyten. Fehlt ihnen in Kultur aber die Möglichkeit, wie in der Leber engen Kontakt untereinander aufzunehmen und dreidimensional zu wachsen, so verlieren sie einige ihrer typischen Funktionen. Je mehr Zellen zusammengeballt auf kleinstem Raum wachsen, desto schwieriger wird es freilich, sie gleichmäßig ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen.
Spenderzellen stammen meist vom Schwein
Für eine minimale Leberfunktion braucht ein äußeres Hilfssystem schätzungsweise mindestens zehn Prozent der normalerweise im Körper aktiven Zellmasse. Bei einem "Standardmann" hieße das, 25 Milliarden Hepatocyten zu kultivieren und möglichst lange funktionstüchtig zu halten.

Da Spenderorgane als Quelle knapp sind, verwenden Wissenschaftler meist tierische Zellen, häufig solche des Schweins. Technische Membranen lassen nur die zu reinigende Blutflüssigkeit, nicht aber Blutkörperchen durch, um Abstoßungsreaktionen vorzubeugen.
"Cellchip": Kunststoff-Rasterplatte
Für die Zellkultur entwarf das Forscherteam in Karlsruhe einen Modulbaustein, "CellChip" getauft: eine winzige Rasterplatte aus Kunststoff, die auf einer Fläche von etwa einem Quadratzentimeter 900 Mikrocontainer trägt. Diese würfelförmigen Abteilungen haben eine Kantenlänge von nur einem Drittel Millimeter. Das entspricht dem mittleren Abstand von zwei Blutkapillaren im Körper.

Die strukturierten Böden der Mikrocontainer sind mit feinsten Poren versehen, damit sich Nährflüssigkeit auch hindurchpumpen lässt. Biologische Substanzen wie das Faserprotein Kollagen machen zudem den Kunststoff für frische Leberzellen attraktiv. Sie heften sich dann bereitwillig an.
Konstruktion eines Bioreaktors
Um zu sehen, ob ein erweitertes System mit mehreren Modulen an kleinen Labortieren funktioniert, konstruierte das Forscherteam nun einen Prototyp eines Bioreaktors; in ihm können bis zu 40 Rasterplatten übereinander gestapelt werden. Er enthält damit in weniger als drei Kubikzentimetern 200 bis 250 Millionen Leberzellen, und zwar von Ratten.
Künstliches Organ noch weit entfernt
Je kompakter das Ganze, desto weniger Blutplasma wird sich jeweils außerhalb des Körpers durch das Gerät bewegen müssen. Die Gesamtzahl an Zellen im 40-Modul-Bioreaktor sollte ausreichen, zumindest die Leberfunktion einer Ratte zu gewährleisten.

Gottwald warnt aber ausdrücklich: Selbst Systeme, die bereits in klinischen Studien eingesetzt werden, seien noch so weit von einem wirklichen künstlichen Organ entfernt wie eine Buschtrommel von einem Handy.
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01.01.2010