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Ohne Hebammen keine menschliche Evolution  
  Hebammen erleichtern nicht nur die Geburt und lindern die Schmerzen der gebärenden Mutter, sie erfüllten - anthropologisch gesehen - offenbar eine wichtige Funktion für die Entwicklung der Menschheit. Nach Befunden zweier US-Wissenschaftlerinnen ist Geburtshilfe bereits seit Hunderttausenden, vermutlich eher seit mehreren Millionen von Jahren Brauch bei den Hominiden.  
In der Jänner-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" begründen Karen R. Rosenberg von der University of Delaware und Wenda Trevathan von der New Mexico State University diesen Standpunkt mit Forschungsergebnissen aus verschiedenen Zweigen der Anthropologie.
->   University of Delaware, Department of Anthropology
->   New Mexico State University, Department of Anthropology and Sociology
Probleme begannen mit aufrechtem Gang
Auch bei Naturvölkern suchten Gebärende vermutlich schon immer Hilfe von erfahrenen Personen - auch wenn romantische Vorstellungen das Gegenteil suggerieren mögen.

Aber nicht erst für den Homo sapiens wurde die Geburt eine besonders schwierige Angelegenheit. Nicht erst bei ihm passt der große Kopf des Kindes nur knapp durch das Becken: Die Probleme begannen offenbar schon mit dem aufrechten Gang, als das Gehirn unserer Vorfahren noch lange nicht zunahm.
Becken-Umformung anfangs unabhängig ¿
Schon damals, vor etwa vier Millionen Jahren, musste sich das Becken umformen, um die neue Bewegungsweise zu ermöglichen. Zunächst wuchs die Gehirngröße dagegen über Millionen Jahre wenig.

Doch schon die berühmte "Lucy", die vor über drei Millionen Jahren in Ostafrika lebte und aufrecht ging, brachte ihre Kinder nicht leicht zur Welt. Das Becken dieser Australopithecinen wies sogar eine besonders schmale, lange Geburtsöffnung auf, die völlig anders geformt war als bei den Menschenaffen, aber auch völlig anders als beim modernen Menschen.
->   Stammbaum der Hominiden
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Hebammen schon bei Lucy?
Lucys Kinder mussten sich zwar nicht hinausschrauben wie moderne Babys, aber am Ende mussten sie sich vermutlich zumindest einmal mit dem Kopf seitlich um 90 Grad wenden, damit abschließend die Schultern hindurchgleiten konnten. Wahrscheinlich blickte deswegen schon damals etwa jedes zweite Kind zum Rücken der Mutter. Diese Babys wären besonders gefährdet gewesen, hätten geschickte Helferinnen der Gebärenden nicht beigestanden.
->   Mehr über Lucy
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¿ dann abhängig von Gehirngröße
Wieso haben die Frauen von Homo sapiens einen noch komplizierteren Geburtskanal als Lucy? Ein heutiges Neugeborenes fände mit seinem großen Kopf im Becken einer Australopithecinen-Frau niemals genügend Platz.

Einige Anthropologen glauben heute, dass sich in unserer Evolution das Gehirn nur in dem Maße vergrößern konnte, wie das Becken dies zuließ. Nur indem das Becken allmählich seine Form änderte, konnte auch der Schädelumfang zunehmen.
Soziale und psychische Wurzeln für Hebammen
Nach Ansicht von Karen Rosenberg und Wenda Trevathan begleiteten Hebammen den Prozess. Ohne die erfahrenen Geburtshelferinnen hätten weder das große Gehirn noch die besondere Beckenform entstehen können.

Rosenberg und Trevathan meinen sogar, dass der Wunsch nach Beistand bei der Geburt tief in der menschlichen Psyche verwurzelt ist. Wahrscheinlich entstand dieses auch sozial motivierte Bedürfnis schon vor Millionen von Jahren, als die Kinder nicht mehr so leicht und schmerzlos zur Welt zu bringen waren wie zuvor.
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Original-Artikel in Spektrum:
->   Hilfe bei der Geburt
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Mehr über Anthropologie in science.orf.at:
->   Atapuerca: Die ersten Europäer
->   Der unterschätzte Höhlenmensch
->   Spektakulärer Schädelfund gibt neue Rätsel auf
 
 
 
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01.01.2010