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Jugendliche proben den Frieden  
  Im Rahmen eines - in Österreich gestarteten - Projektes begannen 1994 junge Israelis, Palästinenser, Österreicher aber auch Jordanier sich zu treffen, um miteinander zu reden, an Projekten zu arbeiten und Vertrauen aufzubauen. Jetzt steht das "Nahost Jugendfriedensforum" auf einer harten Probe, denn die aktuelle Situation stellt die jungen Menschen schon in ihrem Alltag vor große Probleme - und mit dem "Feind" befreundet zu sein, ist schon gar nicht leicht.  
Das Selbstverständliche als kleines Wunder
Unter normalen Umständen hatten auch schon früher Israelis und Palästinenser so gut wie keine Chance, sich zu treffen, einander zu vertrauen oder Freundschaften zu schließen. Es sind zwei Welten, die in einer gemeinsamen Region existieren, jedoch keinen gemeinsamen Nenner finden.
Erstes Treffen in Wien
Als 1994 das erste Treffen in Wien stattfand, kannten die meisten Jugendlichen praktisch niemanden von der "anderen" Seite. Seither ist viel geschehen: Weitere Treffen fanden in verschiedenen Ländern statt, die Teilnehmer des Friedenforums diskutierten mit lokalen Schulklassen, ein eigener Newsletter erscheint vier Mal pro Jahr und vieles mehr wurde auf die Beine gestellt.
Schwierige Situation
Bis vor kurzem konnten bei persönlichen Treffen und in Gesprächen neue Ziele gefasst werden. Jetzt müssen sich die Jugendlichen in Ramallah oder Jerusalem ihr Vertrauen in einer Umwelt erhalten, die noch weniger Interesse an Kontakten zu "Fremden" hat, als ohnehin schon in den vergangenen 50 Jahren.

Die einzigen Kontakte laufen im Moment über E-mail, denn die aktuelle politische Situation erlaubt direkte Treffen nicht.
Vertrauen statt Misstrauen
Ein weiteres großes Problem: Selbst tolerante Menschen auf beiden Seiten, die lange Jahre für den Frieden eingetreten waren, haben ihr Vertrauen verloren. Nicht so die Teilnehmer: per E-mail geht die Diskussion weiter.

Von den insgesamt 70 Teilnehmern des Jugendfriedensforums sind nach wie vor knapp 30 an der Diskussion ständig und aktiv beteiligt - für ein Netz-Forum ein ansehnlicher Prozentsatz.
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Diane Hendrick studierte am Institut für Friedensforschung in Bradford, Großbritannien und betreut das Nahost Jugendforum wissenschaftlich: "Am Anfang war das Aufbauen von Vertrauen nur durch den persönlichen Kontakt möglich gewesen, doch jetzt gibt es eine Basis. Aber es ist schwierig. Gab es früher viele Pläne und Ideen, beschränkt sich die Unterhaltung jetzt auf die aktuellen Probleme, der Blick in die Zukunft ist getrübt. Das Vertrauen besteht aber weiter - noch ist es nicht verloren gegangen."
->   University of Bradford, Institut für Friedensforschung
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Junge Österreicher als Vermittler
Besonders wichtig sei auch die Position und Aufgabe der Österreicher. Hatten sie schon früher ganz automatisch und freiwillig die Rolle von Mediatoren und Vermittlern übernommen und beiden Seiten vorurteilsfrei zugehört, sind sie gerade jetzt besonders notwendig.

Sie können den E-mail-Verkehr mitverfolgen, und geben dadurch den Israelis und Palästinensern das Gefühl, ihre eigene Position ausdrücken und nach außen tragen zu können. Oft sind es ganz alltägliche Dinge, die für die Österreicher überraschend sind.
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Alltägliche Schwierigkeiten
Heidrun Maier, eine österreichische Teilnehmerin, beschrieb
schon beim letzten Treffen in Wien, im Sommer des
abgelaufenen Jahres die ganz alltäglichen Schwierigkeiten.
"Ein Problem ist schon, von einem Ort zum anderen zu gelangen.
Es gibt überall Checkpoints, und du musst aus dem Taxi heraus
und zehn Meter zu Fuß gehen, um dir dann wieder ein anderes
zu suchen. Dabei war ich noch gut dran. Ihr könnt euch das nicht
vorstellen, was das im täglichen Leben bedeutet. Was ist wichtig
für unsere Gruppe? Es ist 'einfach', pauschal ein Volk, aber
schwierig einen einzelnen Menschen zu hassen ."
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Das beste daraus machen
"Man muss nicht immer einer Meinung sein," ist der Grundtenor, wenn man die Jugendlichen zu der Gruppe befragt, "aber man muss miteinander reden können und vor allem zuhören." Im Moment sind die Erwartungen aber so niedrig wie noch nie.

Diane Hendrick: "Jetzt kann man nicht hoffen, dass so wie früher irgendwelche gemeinsamen Projekte umgesetzt werden können. Es ist schon ein Erfolg, wenn die Gruppe in Kontakt und informiert bleibt, was die anderen so tun. Sie müssen sich an vergangene Zeiten erinnern und an das, was sie schon erreicht haben. Mehr geht im Moment nicht."
Keine Wunder
Die aktuelle Situation zeigt, dass es keine Wunder gibt. Aber es ist auch der Beweis, dass das Zusammenleben funktionieren kann. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich die ambitionierten Jugendlichen beider Gesellschaften für eine längere Zeit nicht mehr treffen können. Und das könnte dazu führen, dass auch aus ihnen irgendwann enttäuschte und verbitterte Erwachsene werden.

Niki Popper, ZIB-Wissenschaft
->   Nahost-Jugendfriedensforum
->   The Middle East Youth Peace Forum (Geocities)
->   Bruno Kreisky Forum
 
 
 
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01.01.2010