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"Heaa Obaa, biddä no' a Flaf-Flaasche Sekt! - Hicks..."  
  Dass Alkoholkonsum das Sprechen beeinträchtigt, ist bekannt. Aber kann man anhand der Sprache bzw. Stimme feststellen, wie stark jemand betrunken ist? Ein amerikanisch-britisches Forscherteam hat sich des Problems angenommen und die Auswirkungen eines steigenden Alkoholpegels auf die Sprache untersucht - streng wissenschaftlich natürlich.  
Studie zum Thema Alkohol und "Sprachprobleme"
Während die Auswirkungen von Alkohol auf das Verhalten eingehend untersucht wurden, gibt es bislang nur wenige Studien, die sich mit den Auswirkungen auf das Sprechen beschäftigt haben.

Eine Arbeit zu diesem Thema wurde nun von einem amerikanisch-britischen Team unter der Leitung von Harry Hollien von der University of Florida (Gainesville) veröffentlicht.
Stimmlage, Tempo und Stimmvolumen unter Alkoholeinfluss
Hollien und seine Kollegen haben bei 35 jungen Erwachsenen beiden Geschlechts zahlreiche Parameter wie zum Beispiel Stimmlage, Sprechtempo, Artikulation und Stimmvolumen untersucht und die Veränderungen gemessen, die sich durch den Konsum von Alkohol ergeben.
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Die Studie
Das Ergebnis kann in der Dezember-Ausgabe des "Journal of the Acoustical Society of America" nachgelesen werden: H. Hollien, G. DeJong, C.A. Martin, R. Schwartz, K Liljegren: "Effects of ethanol intoxication on speech suprasegmentals"
->   Abstract des Artikels
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Gin und Rum - und trotzdem kein Genuss
Jede der Testpersonen wurde sowohl im nüchternen Zustand als auch nach dem Konsum einer bestimmten Menge Gin beziehungsweise Rum untersucht.

Schon aus rein geschmacklichen Gründen dürfte die Arbeit allerdings für die Probanten kein reines Vergnügen gewesen sein: Um die mit höherem Alkoholkonsum verbundene Übelkeit zu minimieren, wurde den Getränken auch eine kaliumhaltige Flüssigkeit beigemengt.
"Schwer betrunken" diskutieren ...
Nach der Verabreichung der höchsten Dosis wurden die Freiwilligen als "schwer betrunken" eingestuft. In diesem Zustand mussten sie verschiedene Sprechübungen ausführen, inklusive Vorlesen eines Textabschnittes und freier Diskussion des Themas.
Leichte Auswirkungen auf Stimmlage
Holliens Gruppe hat dabei Folgendes herausgefunden: Mit zunehmendem Alkoholkonsum ist sowohl bei Männern als auch Frauen die Stimmlage leicht aber doch feststellbar höher geworden, während die Sprechgeschwindigkeit abgenommen hat.

Wirklich verräterisch waren aber (bekannte) Phänomene wie wiederholte, ausgelassene oder in die Länge gezogene Wörter und Silben.

Diese wurden auch dann festgestellt, wenn die für das Autofahren erlaubte Grenzmenge von Alkohol im Blut noch nicht erreicht worden war.
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Alkohole
Alkohole sind Kohlenwasserstoffe, bei denen jeweils ein Wasserstoff (H) durch eine OH-Gruppe ersetzt worden ist. Sie sind Zellgifte, die der Körper um den Schaden zu begrenzen abbauen muss. Über das Blut werden sie zur Leber transportiert, dessen Alkohol-Dehydrogenase mit einer Verzögerung von ein bis zwei Stunden nach der Alkoholaufnahme mit konstanter Geschwindigkeit mit dem Abbau beginnt.
->   Mehr zum Thema Alkohol
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Aufnahme hauptsächlich über den Dünndarm
Ein halber Liter Bier (vier Prozent) enthält etwa 20 Gramm reinen Alkohol (Ethanol). Schon in Mund und Speiseröhre werden geringe Mengen davon aufgenommen, im Magen noch einmal zirka zwei Gramm. Der Rest gelangt über den Dünndarm ins Blut.

Wie gut der Alkohol aufgenommen wird, hängt hauptsächlich von der Nahrungszusammensetzung und -menge sowie vom Geschlecht ab.

Ins Gehirn gelangt der Alkohol über die Blut-Hirn-Schranke, erläuterte dazu Hubert Poppe, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie am Anton-Proksch-Institut Kalksburg, im Gespräch mit science.orf.at. Dort reduziert der Alkohol die Psychomotorik: Aufmerksamkeit, Konzentration, Selbstkontrolle etc. lassen nach.
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Die Blut-Hirn-Schranke (BHS)
Die so genannte Blut-Hirn-Schranke hat eine wichtige Schutzfunktion für die Gehirnsubstanz, indem sie den Übertritt möglicherweise schädlicher Stoffe von den Blutkapillaren (den kleinsten Adern) in die Gehirnflüssigkeit verhindert. Gleichzeitig regelt sie den geordneten Durchtritt aller vom Gehirn benötigten Stoffe wie Glukose, Aminosäuren und Sauerstoff.

Die BHS befindet sich überall in der inneren Auskleidung der Blutkapillaren des Gehirns. Dort bilden flächige Zellen, die die Innenwände dieser Kapillaren darstellen, besonders feste, lückenlose Verbindungen. Dadurch wird der Transport und Austausch besonders von größeren Molekülen zwischen dem Blut und dem Gehirn verhindert oder zumindest stark eingeschränkt.
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Schlechtere Rückmeldung ans Hirn
Im Gehirn angelangt, besetzt der Alkohol zahlreiche Rezeptoren im Zentralnervensystem und verlangsamt dadurch die Rückmeldungen.

Eine leichte Alkoholisierung mit etwa 0,5 bis 1,5 Promille wirke sich bei gesunden Personen aber eher auf die oberflächlichen Schichten des Gehirns aus, betont Poppe.
Schneller denken als sprechen
Die längere Reaktionszeit habe natürlich auch Einfluss auf das Sprachzentrum: "Man kann viel schneller denken als sprechen", sagte der Facharzt.

Die Folge sei eine bulbäre - das heißt langsame und verwaschene - Sprache. Mitunter komme es aber auch zu paradoxen Reaktionen: zu einer Steigerung von Aktivität und Aggressivität.
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Alkoholismus und Entzug
Die Rezeptoren sind auch verantwortlich für die Entzugserscheinungen, unter denen Alkoholkranke leiden: Denn durch länger andauernden, regelmäßigen Konsum gewöhnt sich das Gehirn an den Alkohol und es werden zusätzliche Rezeptoren gebildet. Damit soll eine gute Funktion des Körpers gewährleistet werden.

Sinkt der Alkoholspiegel jedoch ab, sind zu viele Rezeptoren frei. Die Folge sind Überreaktionen wie Nervosität, gesteigerter Antrieb oder Zittern. Durch ein eventuelles Kippen des Stoffwechselhaushaltes können lebensbedrohliche Situationen entstehen.
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Gegenlenken mit Medikamenten
Mit Medikamenten ist es möglich, Rezeptoren zu blockieren und so die Auswirkungen des Alkohols auf das Gehirn zu minimieren.

Allerdings tritt damit auch nicht jener euphorische Zustand ein, den Alkohol in der Regel auslöst: "Man trinkt ein Bier oder ein Glas Wein und es zeigt sich nichts von der Wirkung", beschreibt Poppe die Situation.

Aber auch auf das Alkohol-Verlangen haben diese Medikamente Einfluss. Aus diesem Grund werden sie im Anton-Proksch-Institut auch zur Unterstützung von bereits abstinenten Alkoholkranken verwendet.

Johannes Stuhlpfarrer, science.orf.at
->   Anton-Proksch-Institut
->   Journal of the Acoustical Society of America
 
 
 
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01.01.2010