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Vogelgesang angepasst an die Umgebung  
  Die Sangeskünste von Vögeln dienen nicht nur der Unterhaltung des Menschen, sondern haben vor allem kommunikative Funktionen. Eine Studie österreichischer Forscher hat nun ergeben, dass die "Stimmsignale" der kleinen Sänger im Laufe der Evolution ganz genau an die Umgebung angepasst wurden.  
Die Ornithologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien führten ihre Untersuchungen allerdings nicht in den heimischen Forsten durch, sondern begaben sich dafür in den venezolanischen Regenwald.

Die Ergebnisse ihrer Studie erschienen jetzt im aktuellen "Journal of the Acoustical Society of America".
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Originalartikel zur Studie
Der kostenpflichtige Originalartikel "Differential degradation of antbird songs in a Neotropical rainforest: adaptation to perch height?" ist erschienen im aktuellen "Journal of the Acoustical Society of America" (Bd. 110, S. 3263 - 3274).
->   Abstract des Artikels
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Der Gesang der Ameisenvögel
Die Forschungen der österreichischen Wissenschaftler beschäftigen sich mit den ökologischen Randbedingungen für akustische und visuelle Kommunikation.

Zusammen mit ihrem dänischen Kollegen Torben Dabelsteen vom Zoologischen Institut der Universität von Kopenhagen untersuchten Projektleiter Hans Winkler und Erwin Nemeth, beide vom Konrad Lorenz Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der ÖAW, ob und wie sich der Gesang der so genannten Ameisenvögel je nach "Höhenlage" unterscheidet.

Insgesamt fünf Arten wurden "unter die Lupe" genommen, alle leben in verschiedenen Etagen des Regenwaldes. Der Gesang des auf dem Boden lebenden Fleckenbrust-Ameisenjägers wurde ebenso analysiert wie die Signale des Pünktchen-Ameisenfängers, der auf rund 20 Metern Höhe lebt und singt.
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Die fünf Vogelarten
Der Fleckenbrust-Ameisenjäger (Myrmothera campanisona) lebt am Boden, der Trauerwollrücken (Thamnophilus aethiops) auf etwa 2,8 Metern, die Weißflanken-Ameisenschlüpfer (Myrmotherula axillaris) leben in rund fünfeinhalb Metern Höhe, der Zwillingswollrücken (Thamnophilus amazonicus) findet sich in rund zehneinhalb Metern Höhe und der Pünktchen-Ameisenfänger (Herpsilochmus dorsimaculatus) singt auf ca. 19,6 Metern.
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Angeboren, nicht erlernt ...
Die Ameisenvögel - Männchen als auch Weibchen - singen in erster Linie, um ihr Territorium zu begrenzen; daneben dient ihr Gesang auch dem Paarzusammenhalt. Von Interesse für Biologen sind Ameisenvögel aber vor allem deshalb, weil ihr Gesang angeboren ist, wie Projektleiter Winkler gegenüber science.orf.at erklärt.

Streng genommen sind Ameisenvögel nämlich keine "echten" Singvögel. Sie gehören zwar - so wie letztere - zur Gattung der Sperlingsvögel, doch während Singvögel zunächst nur eine "grobe Schablone des Gesangs" haben und das eigentliche Gesangsmuster erst durch Lernen entwickeln, weisen Ameisenvögel eine relativ einfach gebaute Syrinx - das lauterzeugende Organ der Vögel - auf.
Evolutionäre Anpassungen
Der Vorteil bestehe darin, dass man bei den Ameisenvögeln also die im Laufe der Evolution entstandenen Anpassungen im Gesang ohne die "störenden" Effekte des Lernens untersuchen könne, erläutert Winkler: "D.h. Unterschiede zwischen den Arten gehen auf natürliche Evolution zurück und nicht auf 'kulturelle'."
Mit dem Kran in die verschiedenen Etagen
Die Forscher benutzen für ihre Studien einen Forschungskran, der mitten im Regenwald Venezuelas betrieben wird. Mit seiner Hilfe wurden zunächst auf den unterschiedlichen Höhen so genannte "optimale Aufnahmen" gemacht, also aus geringer Distanz.

Wie Winkler erklärt, wurden diese Aufnahmen digital gefiltert, ausgeschnitten und zu einem "meddley" zusammengestellt. "Das wurde dann in verschiedenen Höhen mit geeichten Lautsprechern abgespielt und in verschiedenen Entfernungen jeweils auf der selben Höhe aufgenommen", so der Forscher weiter.
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Das österreichische Surumoni-Kran-Projekt
Hans Winkler war Projektleiter des Surumoni-Kran-Projekts, das von der ÖAW in Venezuela betrieben wurde. Botaniker, Zoologen, Ökologen und Klimaforscher sammelten dort in den vergangenen Jahren eine Fülle von Daten zur Tier- und Pflanzenwelt des Regenwaldes - auf verschiedenen Etagen, denn der Kran ist zu diesem Zweck aufgestellt worden: Mehrere Gondeln erlauben ein Besammeln und Beobachten in den verschiedenen Höhen, ohne dass Tiere und Pflanzen gestört werden. Projektbereich des österreichischen Ornithologen war The ecology of birds in a rainforest canopy. Allerdings ist der Vertrag der ÖAW mit Venezuela im vergangenen Jahr abgelaufen. Wie im Oktober 2001 bekannt wurde, wird Venezuela das Projekt nun mit heimischen Forschern weiter betreiben.
->   Mehr dazu in science.orf.at
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Vergleich von Original und Aufnahme
Aus dem Vergleich von Original und Aufnahmen konnten die Forscher schließlich die verschiedenen Messgrößen ermitteln.

Analysiert wurde zum Beispiel, wie stark die Abschwächung des Signals war ("excess attenuation") bzw. wie sehr sie über die aufgrund der kugelförmigen Schallausbreitung zu erwartende Abschwächung hinaus ging.

Ebenso wurden das Verhältnis zwischen Signal und Rauschen ("signal-to-noise ratio") sowie das so genannte "blur ratio" ermittelt: Dieses von dänischen Forschern eingeführte Maß gibt an, wie genau das Signal übertragen wurde.
Je tiefer, desto niedriger die Frequenz
Das Ergebnis der analysierten Daten: Zumindest für die niedrigeren Lagen lässt sich laut den Forschern ableiten, dass die Bedingungen der Umwelt die Ausprägung bzw. Art des Gesangs stark beeinflusst haben.

So zeigte sich, dass der Gesang der am Boden oder in Bodennähe lebenden Vögel sehr genau den vergleichsweise schwierigeren Bedinungen der Schallübertragung angepasst war.

Die Abschwächung des Signals wurde minimiert durch die Konzentration auf einen engeren Frequenzbereich, das Verwenden einer niedrigeren Frequenz oder auch durch einen langsameren zeitlichen Aufbau des Gesangs, berichtet das Forscherteam.
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Schwierige Übertragung in Bodennähe
"Die Übertragung in Bodennähe ist generell schwierig. Das geht zunächst auf diverse physikalische Effekte zurück, die sich aus den Interaktionen zwischen dem direkten Schall und dem vom Boden reflektierten, bzw. im/am Boden "kriechenden" Schall ergeben. Dazu kommt noch der Einfluss der Blätter, die den Schall absorbieren und zerstreuen, und schließlich stört noch der von den Baumstämmen generierte Nachhall", so die detaillierte Erklärung Winklers.
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Kein eindeutiges Ergebnis in höheren Lagen
Für die höher lebenden Vögel ließ sich jedoch kein schlüssiges Ergebnis ermitteln. Die Interpretation der Forscher: Sie meinen, dass die Störeffekte durch die Umgebung geringer werden, je höher man hinaufgeht.

Im Unterschied zu den niedrigeren Lagen könnten also in den höher gelegenen und für die Schallübertragung besser geeigneten Ebenen des Regenwaldes andere "Überlegungen" eine Rolle spielen und die Struktur des Vogelgesangs beeinflussen.

"Wir glauben, dass die Vögel mit raschen Trillern senden "wollen", was aber den Erfordernissen der Schallübertragung in Bodennähe zuwiderläuft", erklärt Winkler dazu.
Artenfülle im Regenwald ...
Für Biologen wie Hans Winkler ist die Artenfülle im Regenwald eine grundlegene Voraussetzung für ihre Forschungen: "Nur dort ist es möglich, auf kleinen Raum viele verschiedene ähnliche Arten zu finden. Das ist die Grundlage für Vergleichende Untersuchungen", meint Winkler dazu.

Ihn fasziniert die dort herrschende Artenvielfalt. Die noch größere Herausforderung sei allerdings die, "dass die Regenwälder vielleicht verschwinden bevor wir die grundlegenden Prozesse verstanden haben", meint der Forscher.

Erschwert werde das Ganze noch durch menschengemachte Hindernisse wie Bürokratie in den Entwicklungsländern und den geringe Forschungsaufwand, den hoch entwickelte Länder in langfristige ökologische und organismisch-biologische Arbeiten steckten, so sein Fazit.
->   Konrad Lorenz Institut für Vergleichende Verhaltensforschung
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften
->   Journal of the Acoustical Society of America
 
 
 
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01.01.2010