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Gedächtnisspuren führen zu chronischen Schmerzen  
  Jeder Schmerz kann im Gehirn eine Gedächtnisspur hinterlassen. Daraus bildet sich das so genannte Schmerzgedächtnis, dass aktuellen Forschungen zufolge ein wesentlicher Faktor für das Entstehen chronischer Schmerzen ist. Menschen, die häufig Schmerzen leiden werden demnach nicht unsensibler gegenüber Schmerz - sie reagieren im Gegenteil immer empfindlicher auf Schmerzen.  
Schmerzen müssen daher immer adäquat behandelt werden. Vor allem postoperative Schmerzen hinterlassen ausgeprägte Spuren.

Deshalb muss deren Behandlung mehr Augenmerk geschenkt werden, als dies bisher der Fall war, sagt Walter Ziegelgänsberger vom Max Planck Institut für Psychiatrie in München.
Frühgeborene sind besonders schmerzempfindlich
Bei Frühgeborenen prägen sich die auf Schmerzreize zurückgehende Engramme (Gedächtnisspuren) besonders tief ein.

''Frühchen, bei denen alles Mögliche schnell hineingeschoben wird, Pflaster heruntergerissen werden, an denen herumgeschnitten und gezwickt wird ¿ die werden mit großer Wahrscheinlichkeit später chronische Schmerzpatienten,'' erklärt Ziegelgänsberger

Daher sollte die medizinische Behandlung von Früh- und Neugeborenen besonders behutsam sein.
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Chronische Schmerzen
Hat der Schmerz den Zeitraum von Behandlung und Übergang überdauert, in dem sich normalerweise eine Heilung einstellen sollte, so ist er zum chronischen Schmerz geworden. Als Zeitrahmen wird von ungefähr sechs Monaten und länger ausgegangen. Im chronischen Stadium hat der Schmerz seinen Schutz- und Warncharakter verloren. Er ist einfach da. Oft ist sogar die anfängliche Ursache für den Schmerz längst behoben.

Die Ursachen für die Entwicklung chronischer Schmerzen sind vielfältig. Sie bedingen und verstärken sich gegenseitig. Chronische Schmerzen entwickeln sich aufgrund körperlicher, psychischer und sozialer Faktoren, die bei einer Behandlung unbedingt mit berücksichtigt werden müssen. Eine rein körperliche Behandlung reicht nicht aus. Diese Erkenntnis ist sowohl für den Arzt, als auch für den Patienten entscheidend.
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Schmerzen - Folge von überaktiven Nervenzellen
Es gibt Medikamente, die nur bei akuten nicht jedoch bei chronischen schmerzen wirken. Andererseits gibt es bestimmte Anti-Epileptika, die an sich keine schmerzhemmende Wirkung haben, aber gegen chronische Schmerzen wirken.

Offensichtlich wird chronischer Schmerz ebenso wie Epilepsie durch eine Überaktivität von Nervenzellen oder Nervensystemen ausgelöst. Neurologischen Untersuchungen zufolge geht diese Übererregbarkeit auf ein besonders ausgeprägtes Schmerzgedächtnis als Folge häufiger, nicht behandelter Schmerzattacken zurück.
Angst vertieft den Schmerz
Ein weiterer Faktor für die Chronifizierung von Schmerzen ist Angst. Es gibt im Mandelkern (Amygdala) des menschlichen Gehirns Strukturen, die sowohl an der Angst- als auch an der Schmerzentstehung beteiligt sind.

Über das Schmerzgedächtnis wird offensichtlich bei jeder neuen Schmerzattacke auch Angst erinnert. Und diese Angst trägt ihrerseits dazu bei, das die neue Schmerzempfindung sich besonders tief in das Gehirn einprägt.
Änderung der Behandlungsmethoden von Neugeborenen
Durch diese neuen Erkenntnisse erhofft man sich chronische Schmerzen bald besser behandeln zu können.

Jedenfalls weiß man jetzt, dass durch adäquate Behandlung akuter Schmerzen, bzw. durch ein besonders rücksichtsvolles Umgehen mit Früh- aber auch Neugeborenen spätere chronische Schmerzen verhindert werden können.

Eveline Schütz,Ö1-Wissenschaft
 
 
 
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01.01.2010