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Bioethik-Konvention: Unterzeichnet Österreich?  
  Der Streit um die Bioethik-Konvention des Europarates geht diese Woche in eine neue Runde: Am Mittwoch unternimmt die Bioethik-Kommission einen neuen Anlauf für die Unterzeichnung der Konvention. Österreich ist eines der wenigen Länder, dessen Unterschrift bislang noch fehlt - möglicherweise aber nicht mehr lange.  
Stein des Anstoßes ist und bleibt der darin enthaltene Artikel 17. Dieser gestattet unter bestimmten Umständen wissenschaftliche Forschung an "einwilligungsunfähigen Personen", selbst wenn diese Forschung nicht Teil der Therapie dieser Person ist.
Für Österreich tragbare Formulierung?
Mitglieder der österreichischen Bioethik-Kommission - allen voran Vorsitzender Johannes Huber - sind mit diesem Artikel nicht einverstanden, auch Vertreter von Behindertenverbänden laufen gegen die Formulierungen Sturm.

Für eine Sitzung der Kommission im Dezember waren auch Behinderten-Vertreter eingeladen. Nun geht es darum, eine für Österreich tragbare Formulierung zu finden.
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Artikel 16: Schutz von Personen bei Forschungsvorhaben
Forschung an einer Person ist nur zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
I) Es gibt keine Alternative von vergleichbarer Wirksamkeit zur Forschung am Menschen;
II) die möglichen Risiken für die Person stehen nicht im Missverhältnis zum möglichen Nutzen der Forschung;
III) die zuständige Stelle hat das Forschungsvorhaben gebilligt, nachdem eine unabhängige Prüfung seinen wissenschaftlichen Wert einschließlich der Wichtigkeit des Forschungsziels bestätigt hat und eine interdisziplinäre Prüfung ergeben hat, dass es ethisch vertretbar ist;
IV) die Personen, die sich für ein Forschungsvorhaben zur Verfügung stellen, sind über ihre Rechte und die von der Rechtsordnung zu ihrem Schutz vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen unterrichtet worden, und
V) die nach Artikel 5 notwendige Einwilligung ist ausdrücklich und eigens für diesen Fall erteilt und urkundlich festgehalten worden. Die Einwilligung kann jederzeit frei widerrufen werden.
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Diskussion seit 1989
Die Diskussion zieht sich nun schon geraume Zeit hin, denn die Arbeit an der so genannten Bioethik-Konvention des Europarates, korrekt eigentlich "Konvention über den Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde bei der Anwendung von Biologie und Medizin", wurde bereits 1989 begonnen.
Massive Kritik am ersten Entwurf
Ein erster Entwurf von 1994 wurde überarbeitet - nach massiver Kritik aus mehreren Ländern, die sich an diversen strittigen Fragen entzündete.

So sollte die Forschung an behinderten Menschen ("nichteinwilligungsfähige Personen" - das können Kinder, Senile oder geistig Behinderte sein) unter bestimmten Bedingungen auch ohne therapeutischen Wert gestattet sein, "wenn für die betroffene Person das Risiko unerheblich und die Belastung geringfügig ist".

Nach dem neuen Text von 1995 dürfen Eingriffe im Gesundheitsbereich nur nach ausdrücklicher Einwilligung und nach gezielter Aufklärung vorgenommen werden.
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Artikel 17: Schutz einwilligungsunfähiger Personen bei Forschungsvorhaben
1) Forschung an einer Person, die nicht fähig ist, die Einwilligung nach Artikel 5 zu erteilen, ist nur zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

I) Die Voraussetzungen nach Artikel 16 Ziffern I bis IV sind erfüllt;
II) die erwarteten Forschungsergebnisse sind für die Gesundheit der betroffenen Person von tatsächlichem und unmittelbarem Nutzen;
III) Forschung von vergleichbarer Wirksamkeit ist an einwilligungsfähigen Personen nicht möglich;
IV) die nach Artikel 6t notwendige Einwilligung ist eigens für diesen Fall und schriftlich erteilt worden, und
V) die betroffene Person lehnt nicht ab.

2) In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Schutzbestimmungen darf Forschung, deren erwartete Ergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Person nicht von unmittelbarem Nutzen sind, zugelassen werden, wenn außer den Voraussetzungen nach Absatz 1 Ziffern I, III, IV und V zusätzlich die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

I) Die Forschung hat zum Ziel, durch eine wesentliche Erweiterung des wissenschaftlichen Verständnisses des Zustands, der Krankheit oder der Störung der Person letztlich zu Ergebnissen beizutragen, die der betroffenen Person selbst oder anderen Personen nützen können, welche derselben Altersgruppe angehören oder an derselben Krankheit oder Störung leiden oder sich in demselben Zustanden befinden, und
II) die Forschung bringt für die betroffene Person nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich.
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Österreich unterzeichnet auch überarbeiteten Entwurf nicht
Im Jänner 1995 wurde der überarbeitete Entwurf veröffentlicht - und schließlich (im November 1996) auch mit der Stimmenmehrheit der Parlamentarischen Versammlung des Europarates verabschiedet.

Österreich stimmte zwar im Ministerrat für die Annahme des Entwurfes, unterzeichnete die Konvention in Folge jedoch nicht, da in einigen Bereichen der Schutz als zu niedrig erachtet wurde.

Gewisse strittige Passagen waren gestrichen worden, doch blieb der Abschnitt über die Regelung der Embryonenforschung fast unverändert bestehen. In Österreich - wie auch in Deutschland - ist die Embryonenforschung aber verboten.
Innerstaatliches Recht steht über der Konvention
"Die österreichischen Rechtsnormen haben ein höheres Niveau als der Grundkonsens der Bioethik-Konvention", sagte Huber gegenüber der APA.

Das liegt im Artikel 27 der Konvention begründet, der vorsieht, dass innerstaatliche Gesetze, die strenger angelegt sind als die Konvention selbst, dadurch nicht nivelliert werden.

Träte Österreich also der Bioethik-Konvention bei, so würden die bereits bestehenden Gesetze - wie z.B. das Verbot der Embryonenforschung - nicht außer Kraft gesetzt.
Huber hofft auf "Klärung der Situation"
Für Mittwoch erhofft sich der Kommissions-Vorsitzende, wenn schon keine Entscheidung oder eine fertige Formulierung, dann doch eine "Klärung der Situation".
->   Europarat
->   Die gültige Fassung der Konvention
Mehr zur Bioethik-Konvention des Europarates in science.orf.at
->   Europarat verbietet Klonen von Menschen
 
 
 
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01.01.2010