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Komplexe Beziehungen von Hefe-Proteinen  
  Nach der Erforschung des menschlichen Genoms stehen nun immer mehr die Proteomics, die Erforschung der Eiweißstoffe, im Mittelpunkt. Erstmals wurde nun eine Karte erstellt, die zeigt, wie sich die Proteine von Hefezellen zusammen schließen, um in der Zelle funktionierende Werkzeuge zu schaffen. Das Ergebnis: die Proteine verbinden sich noch komplexer als bisher angenommen.  
589 Proteinkomplexe isoliert
Wissenschaftler um Anne-Claude Gavin und Giulio Superti-Furga des deutschen Biotech-Unternehmens Cellzome und des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) veröffentlichen ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 415, S. 141)

Mit einer neuartigen Methode isolierten sie auf einen Schlag 589 Proteinkomplexe aus der Bäckerhefe, eine bisher unerreicht große Zahl.
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Hefe
Die Hefe ist einer der wichtigsten Modellorganismen der Biologen, da sie einfach zu kultivieren ist und zugleich einen Großteil ihrer Gene mit dem Menschen gemeinsam hat.
->   Die Protein-Komplexe der Hefezelle (Cellzome)
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Promiskuitive Proteine?
"Wir wollten wissen, welche Proteine sich mit welchen anderen verbinden", meinte Superti-Furga. Andere Wissenschaftler, eine dänisch-kanadische Gruppe um Yuen Ho vom Biotech-Unternehmen MDS Proteomics (Toronto/Kanada), hatte ähnliches im Sinn, auch ihre Studie findet sich in "Nature" (S. 180).

Das Ergebnis: 85 Prozent der Proteine verbinden sich mit anderen, eines der Eiweiße ging gleich mit 96 anderen eine Verbindung ein: Beinahe promiskuitiv, wie es die Online-Ausgabe von Nature nannte. Superti-Furga: "Es war für uns sehr überraschend, wie sozial sich die Proteine verhielten."
Originalartikel in Nature (kostenpflichtig):
->   Artikel von Superti-Furga et al.
->   Artikel von Yuen Ho et al.
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Proteom und Proteine
Proteine ("Eiweiße" oder "Eiweißkörper") bestehen aus Aminosäuren, die ähnlich einer Perlenkette hintereinander aufgereiht sind. Welche Aminosäuren bei der Produktion von Proteinen in der Zelle wie aneinander gehängt werden - diese so genannte Primärstruktur -, wird durch die Gene bestimmt. Erst die ganz bestimmte Faltung der Aminosäurenkette und das zusätzliche Anhängen von kleinen Molekülgruppen verleihen dem Protein allerdings die Fähigkeit, eine spezifische Funktion zu erfüllen. Das Proteom ist die Gesamtheit aller Proteine einer Zelle, eines Organs oder einer Gewebsflüssigkeit.
->   Proteomics Tour
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Die Methode: Proteine fischen
Die in "Nature" beschriebenen Forscherteams hatten zahlreiche gentechnisch veränderte Hefestämme geschaffen, aus denen sich die Proteine besonders leicht isolieren ließen. In jedem der Stämme wurde ein "Anker" an ein anderes Gen gehängt.

So konnten die Forscher später das vom Gen codierte und in der Hefe produzierte Protein in einer speziellen Säule "herausfischen". Die Forscher ermittelten die Zusammensetzung (Aminosäuresequenz) der so isolierten Proteine und die derjenigen Proteine, mit denen sie in der Zelle in einem Komplex zusammenarbeiten.
Überdenken der Medikamente-Produktion?
Zahlreiche Eiweiße fanden sich in mehr als einem Protein-Komplex. Die gesamte Zelle scheint anders organisiert zu sein, als bislang angenommen, so Superti-Furga.

Die Wissenschaftler hoffen die Regeln zu erforschen, nach denen Proteine interagieren - in erster Linie, um neue Medikamente herzustellen. Viele Arzneimittel versuchen heute schon, gewisse Funktionen eines Proteins zu blockieren.

Wenn nun ein Protein in verschiedenen Komplexen verschiedene Rollen spielt, könnte seine Blockade auch die anderen Funktionen betreffen - was bei Patienten als Nebenwirkung spürbar wäre.
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Rasantes Wachstum des Proteomik-Marktes
Die Proteomik setzt ihren Siegeszug auch im ökonomischen Sinne fort. Bereits heute haben nahezu alle größeren Biotech- und Pharmaunternehmen Proteomik-Programme etabliert. Technical Insights, ein Geschäftsbereich der Unternehmensberatung Frost & Sullivan, untersuchte in einer neuen Analyse die Zukunftsaussichten des Proteomik-Marktes. Gerechnet wird mit einer Steigerung des Weltmarktwertes für Proteomiktechnologien von derzeit 1,5 Milliarden US-Dollar auf sechs Milliarden Dollar im Jahr 2005, wobei die größten Zuwächse in den Bereichen Bioinformatik und Protein-Biochip-Technologien zu verzeichnen sein sollen.
->   Technical Insights
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Verfeinerung der Methode nötig
"Beides sind wegweisende Arbeiten, die zum ersten Mal die Komplexität des Proteoms zeigen", sagte Friedrich Lottspeich, Leiter der Arbeitsgruppe für Proteinanalytik am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München.

Dem schloss sich sein Kollege Ian Humphrey-Smith von der Universität Utrecht an. Mit der neuen Methode könne man auch die Studien im großen Stil vereinfachen.

Allerdings seien die Ergebnisse oft noch zu fehlerhaft. Für die Analyse des menschlichen Proteoms - mit mindestens 30.000 verschiedenen Eiweißen - werde es einer weiteren Automation und Verfeinerung der Methode bedürfen, so Humphrey-Smith.
->   Cellzome
->   EMBL
->   Max-Planck-Institut für Biochemie
Mehr dazu in science.orf.at:
->   Von HUGO zu HUPO
->   Vom Genom zum Proteom
 
 
 
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01.01.2010