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Kleine Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie  
  Dass die kleinen Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie unser Universum erst möglich machen, darüber sind sich Physiker heute mehr oder weniger einig. Warum dem aber so ist, weiß man noch immer nicht so genau.  
Sicher ist, dass Antimaterie und Materie sich gegenseitig auflösen, dass es kleine, strukturelle Unterschiede gibt, dass die Materie bei der Entstehung des Universums "stärker war" als die Antimaterie und so unser Universum in seiner Form entstanden ist.
Noch lange nicht alles geklärt
Nur reichen die Erklärungen noch lange nicht aus um alles zu erklären. "Denn", so die CERN-Wissenschafterin Cecilia Jarlskog: "die Unterschiede die wir bis jetzt in der Struktur der Materie gefunden haben, können lange nicht alle Phänomene im Universum erklären".
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Materie und Antimaterie
Schon 1928 entdeckte Paul Dirac, dass jedes - negativ geladene - Elektron auch ein Antiteilchen besitzt mit umgekehrter, also positiver Ladung aber gleicher Masse. 1932 gelang es Carl Anderson dann die Teilchen auch experimentell nachzuweisen. Der Name Positron wurde eingeführt. Im Jahr 1955 wurde in Berkeley erstmals ein Antiproton erzeugt. Lange Zeit konnten so nur Teilchen untersucht werden. Erst 1995 gelang es Physikern des europäischen Forschungszentrum CERN mittels eines Teilchenbeschleunigers ein ganzes Atom herzustellen.
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Der kleine Unterschied
Durch gewisse Unterschiede in der Struktur von Materie und Antimaterie hat sich im Lauf der Zeit Materie gegen Antimaterie "durchgesetzt". Kollidieren nämlich Materie und Antimaterie lösen sie sich auf und geben dabei enorme Energien ab, die Materie war stärker und hat so die Antimaterie aufgelöst.

Das scheint auch der Grund dafür zu sein, warum es im Universum viel mehr Energie und Licht nachzuweisen gibt als Masse.

Der Unterschied zwischen Materie und Antimaterie muss aber essentiell sein, sonst hätten sich beide ganz aufgelöst und es wäre gar keine Materie übrig geblieben.
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Antimatter matters
In verschiedenen Forschungszentren in Europa, den USA und Japan wird mit Antimaterie geforscht. Heute kann man sie - mit enormem Aufwand - in riesigen Teilchenbeschleuniger herstellen, theoretische Überlegungen überprüfen und so wichtige Schlüsse über die Entstehung unseres Universums daraus ziehen.
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Theorie und Praxis in der Teilchenphysik
Im atomaren Bereich scheinen die Unterschiede für die Physiker nachvollziehbar, das heißt also die Theorien "passen" mit den Messungen und Erkenntnissen über Universum zusammen. Problematisch wird es aber in der Teilchenphysik.

Immer mehr Unterschiede werden gefunden, unsere Welt passt mit den Theorien nicht mehr unbedingt zusammen. Cecilia Jarlskog: "Wir wissen zwar schon viel und finden auch jedes Jahr mehr heraus, was wir aber auf jeden Fall sagen können: Im Moment fehlt uns noch etwas und wir wissen nicht genau was. Wir haben also noch keine Erklärung, aber ich glaube wir haben eine berechtigte Chance darauf."
Die Ähnlichkeit von Materie und Antimaterie
Zum Beispiel haben die Forscher jetzt festgestellt, dass beim Zerfall von Mesonen und ihrer Antiteilchen winzige Unterschiede auftreten. Groß sind diese aber nicht.

Jarlskog: "Es gibt Teilchen und Antiteilchen, es gibt Elektronen und Anti-Elektronen, es gibt Atome und Anti-Atome und man kann sich durchaus auch vorstellen, dass es auch 'Antimenschen' gibt. Ich will damit sagen Materie und Antimaterie sind so ähnlich, dass sich durchaus größere Strukturen bilden können die sehr ähnlich sind. Wenn sie einem solchen begegnen würden sie beim hinsehen den Unterschied gar nicht merken. Übrigens: erst wenn sie im die Hand geben merken sie es, dann lösen sie sich beide auf...."
Geheimnisvolle Teilchen: Neutrinos
Cecilia Jarlskog und ihre Kollegen in CERN legen eines ihrer Hauptaugenmerke auf die Neutrinos. Diese winzigen Teilchen, die mit anderen Partikeln nur sehr selten "wechselwirken", könnten noch so manches Geheimnis in sich bergen.

Von ihrem Verhalten erhofft man sich noch einiges Klärendes über die Verteilung der Masse im Universum. Und dafür werden noch viele Teilchen beschleunigt und untersucht werden müssen. Die Theoretikerin Cecilia Jarlskog: "Man kann als Physikerin viel spekulieren, aber man kann nur den gemessenen Sachen glauben."
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Neutrinos
Neutrinos sind winzige Teilchen, die mit anderen Partikeln nur sehr selten in Wechselwirkung treten. Produziert werden sie etwa bei den Kernfusionsprozessen in der Sonne. Von dem permanenten Neutrinostrom, der von unserem Zentralgestirn ausgeht, treffen nur einige wenige mit Protonen, Elektronen und sonstigen Teilchen der Erde zusammen. Der Rest rauscht völlig unbeeinflusst durch unseren Globus durch.
->   Mehr Information über Neutrinos
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Die Struktur hinter der Welt
Mit der weiteren Untersuchung der Unterschiede von Materie und Neutrinos in den Teilchenbeschleunigern wollen die Physiker jetzt die fehlenden Teile in ihren Theorien ergänzen.

Cecilia Jarlskog: "Ich bin theoretische Physikerin und mit meinen Kollegen will ich herausfinden warum unsere Welt so ist wie sie ist. Denn wir wissen schon jetzt, dass die Antimaterie ein entscheidender Grund für die Struktur unsere Welt ist. Wir wollen nun zum Beispiel verstehen, warum es Masse überhaupt gibt und wie die Massen der verschiedenen Teilchen zusammenhängen."
Forschen abseits wirtschaftlicher Interessen
"Direkte Anwendungen interessieren uns nicht in erster Linie, es sollte glaube ich nicht immer direkt um dass Geld gehen, zumindest nicht in der Wissenschaft. Bei uns in CERN ist auch das WWW erfunden worden, ganz ohne wirtschaftlichen Zweck und jetzt verwendet es jeder," meint Jarlskog.
Nutzbringende Anwendungen gesucht
Anders ist das - man möchte fast sagen 'natürlich' - in den USA. Hier werden schon fleißig direkte, nutzbringende Anwendungen gesucht. Eine Idee: Der Antimaterie Antrieb für Raumschiffe. So könnte man schon bald zu Reisen in andere Galaxien starten. Zumindest zum Jupiter, so NASA Experten, könnte man innerhalb eines Jahres reisen.

Der Zeitpunkt 'bald' ist allerdings sehr relativ, denn mehrere Jahrzehnte dauert es auf jeden Fall noch, so Stephen Holmes, Mitarbeiter am Fermi Teilchenbeschleuniger. Denn bis jetzt werden pro Jahr nur wenige Nanogramm hergestellt. Für einen Antrieb wären aber tausendfache Mengen notwendig.

Niki Popper, ZIB-Wissenschaft
->   CERN
->   NASA
 
 
 
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01.01.2010