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Weitere BSE-Fälle in Österreich?  
  Weitere BSE-Fälle in Österreich befürchtet der Wiener Neurologe und Prionenforscher Herbert Budka. Als Grund dafür nannte der Wissenschaftler jetzt im Gespräch mit der APA, dass das erste an Rinderwahn erkrankte Tier im Waldviertel angeblich ausschließlich mit österreichischen Futtermitteln ernährt wurde.  
"Wenn ich höre, dass bei dem ersten österreichischen BSE-Rind nur österreichische Futtermittel verwendet wurden, dann schrillen bei mir die Alarmglocken. Wenn es tatsächlich so war, dann würde das bedeuten, dass rein österreichische Futtermittel kontaminiert waren - und dann ist mit weiteren Fällen zu rechnen", sagte Budka.
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Der Hintergrund: BSE in Österreich
Der erste bestätigte BSE-Fall in Österreich trat im vergangenen Dezember im Waldviertel auf. Vor fast genau einem Jahr gab es einen ersten Verdachtsfall bei einem aus Österreich stammenden Rind. In Baden-Württemberg wies ein Schnelltest bei dem Tier ein positives Ergebnis auf, das sich aber wenige Tage später als Fehlalarm herausstellte.
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BSE und vCJD: Diskussion um Zusammenhang
Der Prionenforscher ist absolut überzeugt, dass die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) von BSE kommt.

Heftige Kritik kam in diesem Zusammenhang an einem Artikel in "British Medical Journal", in dem der Autor George A. Venters gegen einen Zusammenhang zwischen der bovinen spongiformen Encephalopathie und vCJD argumentiert.

Er weise etliche Mängel auf. Darüber hinaus halte er den Artikel für "sehr schädlich, weil manche Leute nach dieser Veröffentlichung sagen, 'es ist eh nichts geschehen, und das Geld für die Schutzmaßnahmen ist nur hinausgeworfen'", so Budka.
Budka: Drei Gründe sprechen für den Zusammenhang
Drei Gründe sprechen laut dem Mediziner für den Zusammenhang zwischen BSE und vCJD: "Erstens handelt es sich um eine neue Krankheitsform", erklärte Budka.

Es sei eine andere Altersgruppe betroffen, der Verlauf sei ein anderer, und es gebe eine andere Gewebspathologie. Das Hirngewebsbild sei nirgendwo anders aufgetreten, obwohl zahlreiche Institute danach suchen würden.
Beispiel Großbritannien
Der zweite Grund ist laut Budka die Epidemiologie: Die vCJD trete nur in Großbritannien auf, in dem vor längerer Zeit - und zwar in etwa der vorstellbaren Inkubationszeit für vCJD - die Bevölkerung höchst exponiert mit dem BSE-Agens gewesen sei.

In anderen Ländern, wo die Exposition geringer war, gab es mit Ausnahme Frankreichs bisher auch keine Fälle von vCJD.
Experimente an Affen zeigen Verbindung
Drittens wurde in experimentellen Arbeiten Budka zufolge nachgewiesen, dass auf Affen übertragene BSE genauso aussieht wie die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Auch Versuche mit Mäusen lieferten Ergebnisse, die den Zusammenhang zwischen BSE und vCJD bestätigten.
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BSE und vCJD
Die Abkürzung BSE steht für "Bovine Spongiforme Enzephalopathie", auch Rinderwahnsinn genannt. Als einer von mehreren möglichen Auslösern der Infektionskrankheit gilt die Verfütterung von Tiermehl. Als Erreger des Rinderwahnsinns wurden inzwischen infektiöse Proteine (Prionen) identifiziert. Diese Eiweißmoleküle zerstören Nervenzellen im Gehirn, erkranktes Gewebe erscheint durchlöchert wie ein Schwamm.

Man geht heute davon aus, dass die Erreger durch den Genuss infizierten Fleisches auch auf den Menschen übertragen werden können, doch ist der genaue Infektionsmechanismus bisher nicht bekannt. Das Auftreten einer neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit - der so genannten vCJD - beim Menschen wird auf den BSE-Erreger zurückgeführt.
->   Mehr zum Thema BSE in science.orf.at
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Ursprung von BSE weiter ungeklärt
Im Gegensatz zu diesen weitgehend gesicherten Erkenntnissen ist der Ursprung von BSE "weiter ungeklärt", wie Prionenforscher Herbert Budka sagte.

Möglich sei, dass es durch Scrapie-kontaminiertes Tiermehl von Schafen auf Rinder übertragen wurde. Es könne aber auch einen sporadischen oder genetischen BSE-Fall gegeben haben. Budka wies darauf hin, dass die Theorie einer spontanen BSE durch nichts bewiesen sei.
Budka: Keine vCJD-Epidemie in Österreich
Für Österreich schließt der Prionenforscher eine vCJD-Epidemie aus. Das lokale BSE-Risiko sei gering gewesen. Das große Thema sei nun, die Übertragung von Menschen auf Menschen auszuschließen, "wenn wir davon ausgehen, dass wir die Übertragung vom Tier auf den Menschen im Griff haben", sagte Budka.

In diesem Zusammenhang sei etwa auch die Krankenhaussterilisation zu diskutieren. "Ich bin der Meinung, dass hier keine zusätzlichen Maßnahmen notwendig sind, solange kein vCJD-Fall bei uns auftritt." Der eine BSE-Fall in Österreich ändere jedenfalls an der epidemiologischen Situation nichts.
BSE-Übertragung auf Schafe?
Denkbar, aber bisher ohne Beweis ist die Möglichkeit, dass BSE von Rindern auf Schafe übergehen kann, sagte Budka. Wenn es diese Möglichkeit gibt, wäre sie besonders fatal, denn BSE im Schaf sieht laut dem Experten ähnlich aus wie Scrapie.

Besonders beunruhigend sei, dass die auf den Menschen nicht übertragbare Schafskrankheit in ihrer Infektiosität wesentlich ausgebreiteter auftrete als BSE, also praktisch im ganzen Körper auffindbar sei.
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Die Diskussion in den Fachmagazinen
Tatsächlich wird von Forschern seit einiger Zeit die Frage untersucht, ob BSE auch auf Schafe übertragen werden kann und welche Folgen dies für die Ansteckung von Menschen hätte. Ein Artikel in "Nature", über den das Nature-Onlinemagazin berichtete, hatte kürzlich die Risikobestimmung zum Thema: Nature Science Update: Sheep threat fenced out

Neil Ferguson und seine Kollegen nehmen an, dass nicht nur Rinder, sondern auch Schafe von BSE befallen worden sind und dass sich Menschen durch Schafverzehr infizieren können. Die Schlussfolgerung: Dann sei die BSE-Gefahr für Briten durch Schafe größer als durch Rinder. Insgesamt könnte die menschliche Variante des Rinderwahns, so die Berechnung der Forscher, somit bis zum Jahr 2080 bis zu 150.000 Briten töten.

Ein weiteres Forscherteam hat sich ebenfalls des Themas angenommen und die Studie im aktuellen "Science" veröffentlicht: "The Potential Size and Duration of an Epidemic of Bovine Spongiform Encephalopathy in British Sheep".
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"Scrapie ist sicher eine vorhandene Problematik"
Das würde zweierlei bedeuten: Wenn BSE in einem Schaf eine ähnliche Infektiosität wie die Scrapie entwickeln würde, wäre das gesamte Tier als Risikomaterial anzusehen.

Außerdem wäre BSE auf Grund des ähnlichen Aussehens wie Scrapie in Schafen "maskiert". Budka: "Scrapie ist sicher eine vorhandene Problematik."
Problem mangelhafte Kontrollen
In anderer Hinsicht ist der eine bestätigte BSE-Fall, den Österreich bisher hat, sehr wohl ein Anlass zur Sorge: "Was mir in Zusammenhang mit dem BSE-Fall schon zu denken gibt, ist die Situation auf Grund der offensichtlich mangelhaften Kontrollen", meint der Experte.

Die essenzielle Frage sei, ob die Entfernung des spezifizierten Risikomaterials lückenlos durchgeführt werde, erklärte Budka. Auch sei es aus seiner Sicht sehr "ärgerlich", dass der Name des betroffenen Bauern in der Öffentlichkeit bekannt wurde.
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Beispiel Schweiz: Anonyme Daten - mehr Meldungen
Der Wissenschafter führte in diesem Zusammenhang die Schweiz an, in der alle Daten für die Öffentlichkeit anonym gehandhabt würden, die Zahl der Meldungen von Verdachtsfällen sei dadurch erheblich gestiegen.
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"Feinkostladen Österreich: Nur Schall und Rauch"
Zu den Ermittlungen gegen Schlachthöfe sagte Budka, er sei "überrascht, dass derartige Dinge in einem so sensiblen Bereich der Lebensmittelproduktion passieren können".

"Das Politikerschlagwort vom 'Feinkostladen Österreich" ist in diesem Zusammenhang nur Schall und Rauch", so der Experte weiter.
Budka: Das System ist "krank"
Das System sei "krank, wenn Leute, die kontrollieren müssen, von denen existenziell abhängig sind, die von ihnen überprüft werden müssen".

Es gebe einen Überschuss an Tierärzten: "Zeigen sie mir den Veterinär, der noch einen Auftrag bekommt, wenn er einen Bauern oder Schlachthof allzu genau kontrolliert."
Mehr zur Prionenforschung und zu BSE in science.orf.at:
->   Alle BSE-Erkrankungen gleichen Ursprungs?
->   BSE: Ursachen, Nachweis, aktuelle Forschung
 
 
 
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01.01.2010