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Gehirn von Lenkern weniger aktiv als von Beifahrern  
  Autofahren ist eine komplexe Tätigkeit, die im Gehirn zahlreiche Vorgänge auslöst. Dass das Gehirn von Beifahrern noch aktiver ist als jenes der Lenker, fanden nun deutsche Wissenschaftler heraus. Ebenfalls überraschend: Je schneller gefahren wird, desto geringer ist die Aktivität in manchen Gehirnregionen.  
Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler der Universität Ulm nach gemeinsamen Versuchen mit einer Arbeitsgruppe von DaimlerChrysler.
Aufgabe: Schnelles und unfallfreies Fahren

Den Angaben zufolge hatten zwölf Probanden die Aufgabe, an einem Fahrsimulator einen Rundkurs durch Hamburg so schnell und so unfallfrei wie möglich abzufahren. Dabei wurde mittels modernster Verfahren und verfeinerter Methoden der Bildgebung alles verfolgt, was im Gehirn geschah.

Als Kontrollbedingungen dienten die Gehirnaktivität in Ruhe, beim bloßen Bewegen des Steuers und in der Rolle des Beifahrers beim Zuschauen.
->   Verschiedene Gehirnforschungsmethoden
Weniger Gehirnaktivität beim Fahrer
Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass das Gehirn beim Fahren weniger aktiviert ist als beim Beifahren, wie das Team um Manfred Spitzer, Abteilungsleiter an der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm, betonte.

Eine mögliche Erklärung sahen die Wissenschaftler darin, dass sich der Fahrer nur auf eine Sache konzentriere, während der Beifahrer zusätzlich zum Zuschauen noch vieles andere denken und tun könne.
->   Psychiatrische Universitätsklinik Ulm, Abteilung III
Folgen für Verkehrspsychologie?
Die Ulmer Befunde stellen grundlegende Prinzipien der Verkehrspsychologie in Frage. Schließlich sei man bisher davon ausgegangen, dass für das Autofahren eine begrenzte Menge neuronaler Rechenleistungen zur Verfügung stehe, sagte Spitzer.

Er frage sich, ob sich diese Theorie aufrechterhalten lasse, wenn das Fahren nicht notwendig mit einer vermehrten Aktivität so genannter kortikaler Bereiche einhergehe.
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Die Studie von DaimlerChrysler und der Universität Ulm läuft schon seit vergangenem Jahr. Hintergründe dazu liefert ein entsprechender "Hightech-Report".
->   Einblick ins fahrende Gehirn (pdf-Datei)
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Mehr Geschwindigkeit, weniger Gehirnleistung
Verblüffend sind nach Angaben der Experten auch die Ergebnisse der jüngsten Pilotstudie, bei der drei Probanden mit fünf verschiedenen Geschwindigkeiten die gleiche Strecke fahren mussten.

Dabei hätte nach bisherigen Vorstellungen die Aktivität wichtiger kortikaler Areale mit zunehmender Geschwindigkeit eigentlich ansteigen müssen - sie habe aber bei zunehmender Geschwindigkeit abgenommen.
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Großhirn und Kortex
Das Großhirn besteht aus zwei stark gefurchten Halbkugeln (Hemisphären), die durch einen tiefen Einschnitt voneinander getrennt sind. Die Verbindung zwischen den beiden Hemisphären wird durch einen dicken Nervenstrang, den Balken, hergestellt. Der oberflächliche Teil des Großhirns ist die Großhirnrinde (Cortex cerebri), die etwa drei Millimeter dick ist und etwa 14 Milliarden Zellkörper der Nervenzellen und 50 x 10 hoch neun Gliazellen enthält. Sie weist in ihrem Feinbau sechs verschiedene Schichten auf, die sich durch die Form der in ihnen enthaltenen Nervenzellen unterscheiden: die graue Substanz.
->   Bau und Funktion des menschlichen Gehirns
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Tipp des Experten: Weniger nachdenken beim Rasen
Zwar müssen diese Resultate noch durch weitere Studien bestätigt werden, doch Spitzer lieferte bereits jetzt eine erste praktische Interpretation: "Je schneller man fährt, desto weniger sollte man nachdenken. Man sollte vielmehr reflexhaft und automatisch reagieren. Da die vergleichsweise langsamen, im Frontalhirn stattfindenden Denkvorgänge ungeeignet sind für automatisch ablaufende schnelle Prozesse, verlieren sie mit zunehmender Geschwindigkeit immer mehr an Einfluss auf die Informationsvorgänge beim Fahren."

Die Ergebnisse bleiben überraschend, da schließlich schnelles Fahren schwieriger sei als langsames, meinte Spitzer. Doch beim Autofahren mit hoher Geschwindigkeit handle es sich offenbar nicht um ein Problem im üblichen Sinn der kognitiven Psychologie.
->   DaimlerChrysler
->   Universität Ulm
->   Alle Berichte zum Thema "Gehirnforschung" in science.orf.at
 
 
 
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01.01.2010