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Vitamin C als Medikamentenbote  
  Die medikamentöse Behandlung etlicher Erkrankungen wie Alzheimer und Epilepsie scheitert oft an der so genannten Blut-Hirn-Schranke: Nur wenige Wirkstoffe können diese Barriere überqueren. Allerdings hat man jetzt entdeckt, dass herkömmliches Vitamin C Komponenten enthält, die sich hervorragend als "Schlüssel" für diese Schranke im Gehirn eignen.  
So wird es auf einmal möglich, mit relativ einfachen Methoden Medikamente an den gewünschten Wirkungsort im Gehirn zu transportieren. Das berichten Stefano Manfredini und seine Kollegen von der Universität Ferrara in Italien in der aktuellen Ausgabe des "Journal of Medical Chemistry".

Die italienischen Wissenschaftler nahmen die sich in jüngster Zeit verdichtenden Hinweise, dass Vitamin C mit Hilfe des Rezeptors SVCT2 die Blut-Hirn-Schranke überwindet, zum Anlass, um zu überprüfen, ob benötigte Medikamente ebenfalls über diesen Rezeptor ins zentrale Nervensystem zu schleusen sind.
Schutz für das Gehirn
Als zelluläre Barriere blockiert die Blut-Hirn-Schranke normalerweise den Übertritt vieler Substanzen ins Gehirn und verhindert damit den Eintritt von Krankheitserregern sowie stärkere Schwankungen im chemischen Gleichgewicht des Gehirns.

Zum Problem wird die Barriere allerdings bei der Behandlung von Krankheiten, die im Gehirn lokalisiert oder vermutet werden. Doch seit einiger Zeit weiß man, dass durch Verknüpfung der Medikamente mit spezifischen Komponenten die zu transportierenden Moleküle die Barriere durchdringen können.
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Vitamin C (Ascorbinsäure)
chemisch eine den Zuckern verwandte wasserlösliche Verbindung. Während die meisten Säugetiere Vitamin C selbst aufbauen können, sind der Mensch, die Menschenaffen und das Meerschweinchen nicht dazu befähigt. Vitamin-C-Mangel bewirkt Schädigung der Gefäßkapillarwände sowie Blutungen des Zahnfleisches und der Schleimhäute. Besonders reich an Vitamin C sind Frischgemüse und Obst. Heute wird Vitamin C auch synthetisch hergestellt. Der tägliche Bedarf des Menschen ist mit 75 mg sehr hoch.
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Test an Netzhautzellen
Um ihre Hypothese zu untersuchen, testeten die Wissenschaftler drei unterschiedliche Arzneien. Alle drei werden zur Behandlung von im Gehirn verlaufenden Erkrankungen - wie etwa Alzheimer und Epilepsie - verwendet und haben Schwierigkeiten, die Blut-Hirn-Schranke zu überqueren.

Um den Eintritt in das Gehirn zu simulieren, untersuchten die Forscher zuerst die Wirkungsweise der Arzneimittel an Netzhautzellen des menschlichen Auges. Diese enthalten viele Vitamin-C-Andockstellen.
Bindungsfähigkeit deutlich gesteigert
Die Überlegungen der italienischen Wissenschaftler konnten in den darauf folgenden Experimenten bestätigt werden. Durch Verknüpfen mit einem Vitamin-C-Fragment steigerte sich die Bindungsfähigkeit der Arzneien an den Andockstellen deutlich.

Während die Arzneiwirkstoffe Piperidin-3-Carbonsäure und Kynurensäure gewöhnlich nicht mit dem Transport-Rezeptor interagieren, der den Übertritt vom Blut in die Nervenzellen ermöglicht, gelingt ihnen das mit der hinzugefügten Vitaminkomponente.

Beim dritten Wirkstoff war die Auswirkung noch deutlicher zu erkennen. In seiner konventionellen Form unterbindet der Medikamentenwirkstoff Diclofenaminsäure - eine Substanz, die dem Schmerzmittel Diclofenac nicht unähnlich ist - den Vitamin-C-Transport. Die veränderte Version allerdings tritt mit dem Transportrezeptor in Wechselwirkung, ohne den Transport zu behindern.
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Alzheimer
Degeneration von Nervenzellen des Zentralnervensystems, beginnend zwischen dem 40. und 90. Lebensjahr, mit zunehmendem Alter häufiger. Am Anfang stehen Gedächtnisstörungen. Später kommen Orientierungsstörungen, Unruhe, Sprachstörung, Störung von Handlungs- und Bewegungsabläufen hinzu.

Am Ende der Alzheimerschen Krankheit steht der völlige Verfall der Persönlichkeit und absolute Pflegebedürftigkeit. Die Ursache der Krankheit ist unklar. Diskutiert werden erbliche Disposition, Umwelteinflüsse und Stoffwechselstörungen im Gehirn. Bekannt ist, dass sich im Gehirn Betroffener zahlreiche Ablagerungen eines Eiweißfragments finden, die zunächst die Kontakte zwischen den Nervenzellen blockieren, welche schließlich absterben.
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Auch im Tiermodell bestätigt
Bei nachfolgenden Anwendungen der mit Vitamin C veränderten Medikamente an Mäusen, die unter neurologischen Symptomen litten, konnten die vorherigen Untersuchungen an den Netzhautzellen bestätigt werden.

Die "verbesserten" Medikamente konnten Zuckungen und Krämpfe der Mäuse unterbinden, während die dabei festgestellten Nebenwirkungen gering blieben.

Todesfälle traten unter den behandelten Tieren gar nicht auf. Damit steht Wissenschaftlern offenbar erstmals die Möglichkeit zur Verfügung, ohne größere Schwierigkeiten Medikamente an ihre Zielorte im Gehirn zu transportieren.
->   "Journal of Medical Chemistry"
->   American Chemical Society (ACS)
 
 
 
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01.01.2010