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Betäubung ohne Nebenwirkung  
  Nach schweren Operationen haben Patienten nicht nur unter den Nachwirkungen des Eingriffs, sondern auch unter oft beträchtlichen Folgen der Narkose zu leiden. Jetzt haben Wissenschaftler ein einfaches Zuckermolekül so umgebaut, dass es die Nebenwirkungen der Narkose schon nach Minuten beseitigt. Im Gegensatz zu konventionellen Gegenmitteln ist es außerdem nebenwirkungsfrei.  
Dies berichten Ming-Qiang Zhang von 'Organon Laboratories' in Newhouse, Schottland und Kollegen in der aktuellen Ausgabe von 'Angewandte Chemie International Edition'.
Bom, A. et al. A novel concept of reversing neuromuscular block: chemical encapsulation of rocuronium bromide by a cyclodextrin-based synthetic host. Angewandte Chemie International Edition, 41, 266 - 270, (2002).
->   Angewandte Chemie International Edition(kostenpflichtig)
Nebenwirkungen über Nebenwirkungen
Bei vielen Operationen erhalten betroffene Patienten so genannte neuromuskuläre Blocker (Muskelrelaxanzien), die willentliche oder reflexartige Muskelkontraktionen unterdrücken.

Nach beendeter Operation werden Medikamente verabreicht, die den Muskelrelaxanzien entgegenwirken und die normalen Muskelfunktionen wieder herstellen sollen.

Diese haben aber beträchtliche Nebenwirkungen wie Erbrechen, Übelkeit, Krämpfe und Durchfall. Medikamente, die wiederum jene Nebenwirkungen beseitigen sollen, können neue unangenehme Nebeneffekte erzeugen.
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Muskelrelaxanzien
Wirkstoffe zur Entspannung und Erschlaffung der Skelettmuskulatur. Es gibt zwei Gruppen: Die Periphere wirken direkt an den Skelettmuskeln und werden bei Operationen mit Vollnarkose eingesetzt. Sie hemmen die Muskulatur des ganzen Körpers. Daher muss während der Wirkdauer dieser Medikamente eine Beatmung erfolgen. Als Nebenwirkungen können Unverträglichkeitsreaktionen, Übelkeit oder Kreislaufbeschwerden auftreten. Zentral wirkende: Sie verursachen eine Verringerung der Muskelspannung, indem sie an Nervenschaltstellen im Gehirn und Rückenmark angreifen. Diese Medikamente werden bei schmerzhaften Muskelverspannungen eingesetzt, deren Ursache z.B. Rheumatismus oder Bandscheibenschäden sind.
->   Mehr zu Narkose und Anästhesie
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Das Problem der Antagonisten
Das Problem der die Nebenwirkungen von Muskelrelaxanzien bekämpfenden Gegenmittel besteht laut den Wissenschaftlern vor allem darin, dass diese nicht spezifisch wirken.

Sie erläutern deren Wirkung mit einem Vergleich: um den Betrug und Missbrauch von Kreditkarten zu verhindern, würde man Kreditkarten gänzlich verbieten und abschaffen.
Ein einfaches Zuckermolekül
Doch den in Schottland arbeitenden Wissenschaftlern ist es jetzt gelungen, ein natürliches Zuckermolekül so zu modifizieren, dass es in kürzester Zeit die Folgewirkungen von Muskelrelaxanzien beseitigt.

Dieses Zuckermolekül namens Cyclodextrin erkennt die muskelentspannenden Substanzen und kapselt diese ein, um sie so zu deaktivieren.
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Cyclodextrine
enzymatische Stärkeabbauprodukte mit ringförmiger Molekülstruktur. Cyclodextrine besitzen die Fähigkeit, in Lebensmitteln zugesetzte Aromastoffe, sauerstoff- oder hitzeempfindliche Substanzen durch Mikroverkapselung zu stabilisieren.
->   Mehr zu Cyclodextrinen
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Eingekapselter Wirkstoff
Das Team um Zhang arbeitete in ihren Versuchen mit dem konventionellen Muskelentspannungsmittel "Rocuronium". Rocuronium ist ein Steroidmolekül mit einer fettlöslichen Molekularstruktur.

Um die physiologischen Wirkungen von Rocuronium zu unterdrücken, verwendeten die Wissenschaftler Cyclodextrin, das Rocuronium deaktiviert, indem es dieses einkapselt. Cyclodextrin besteht aus einer wasserlöslichen Außenwand und einer fettlöslichen Innenwand, die einen Hohlraum umschließt.

Die Wissenschaftler veränderten die Struktur von Cyclodextrin in der Weise, dass sie den Hohlraum vergrößerten und molekulare Komponenten an der Außenwand hinzufügten, die es dem Cyclodextrin ermöglichen, mit anderen eingekapselten Cyclodextrin-Molekülen chemische Bindungen eingehen.
Schnelle Wirkung
Das so modifizierte Cyclodextrin-Molekül, genannt Org25969, beseitigte die Wirkungen von Rocuronium, indem es mit diesem eine feste chemische Bindung einging.

In mit Rocuronium behandelten Rhesusaffen stellte das modifizierte Cyclodextrin-Molekül Org25969 innerhalb von drei Minuten die normale Muskelfunktionen wieder her.

Das ist laut den Wissenschaftler um Zhang wesentlich schneller als bei konventionellen Rucuronium-Antagonisten und verlief dabei ohne die bekannten Nebenwirkungen. Org25969 wird derzeit klinischen Tests unterzogen.
->   Mehr über Rocuronium (Zemuron)
 
 
 
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01.01.2010