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FSME: Warnung vor Zeckensaison 2002  
  Höhere Temperaturen lassen einen bereits jetzt an die "Zecken-Saison" 2002 denken. Auch wenn uns der Winter noch weiterhin mit tiefen Temperaturen erhalten bleibt, warnen Experten bereits jetzt vor den FSME-verseuchten Zecken und rufen zu Schutzimpfungen auf. Ein neuer Impfstoff soll vor allem für Kinder besser verträglich sein.  
"Es wird warm. Es ist Zeit, dass die Zecken wieder aufwachen. Bei den bestehenden Freizeitaktivitäten wird es praktisch niemandem gelingen, im Laufe des Jahres kein FSME-Gebiet zu berühren", erklärt Herwig Kollaritsch, Leiter der Abteilung für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Universität Wien, die Situation.
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Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME)
Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis, kurz FSME, ist eine während der warmen Jahreszeit örtlich begrenzt auftretende Viruserkrankung. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt fast ausschließlich durch einen Zeckenbiss: Träger der Viren sind Säugetiere und Vögel, die Zecken nehmen die Erreger beim Blutsaugen auf und geben sie über ihre Speicheldrüsen an den nächsten Wirt, also unter Umständen an einen Menschen weiter.

Rund 70 Prozent der Infektionen verlaufen harmlos und unbemerkt. Die übrigen 30 Prozent teilen sich auf in etwa 15 Prozent, die lediglich grippeähnliche, harmlose Erkrankungen aufweisen. Die andere Hälfte jedoch stellt die gefürchteten "echten FSME-Fälle": Das zentrale Nervensystem ist betroffen, meist hinterlässt die Infektion bleibende neurologische Schäden (epileptische Anfälle, Parkinson-Syndrom), auch Intelligenz- und Verhaltensstörungen können auftreten.

Ein Medikament gegen die FSME auslösenden Flaviviren (RNA-Viren), also etwa ein Antibiotikum, gibt es nicht. Eine Impfung mit inaktivierten Viren führt jedoch im Körper zur Produktion von Antikörpern gegen den Erreger.
->   Mehr Informationen zu FSME
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FSME: Risikoabschätzung für Österreich
Bild: Modern Times
Blutsaugende Zecke
Das Ansteckungsrisiko für eine Infektion mit den gefürchteten Erregern der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) durch einen Zeckenbiss vergleicht Experte Kollaritsch mit dem einer Malariainfektion bei Fernreisen.

So sei etwa ein vierwöchiger Aufenthalt in der Steiermark vergleichbar mit dem Malariarisiko bei einer gleich langen Reise nach Indien, erklärte Kollaritsch am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Das Risiko liege bei eins zu 10.000, eine FSME zu bekommen.

Noch ärger sei das Risiko für Menschen, die sich berufsbedingt in "Wald und Au" aufhalten müssen. Kollaritsch verwies auf ungeimpfte Wald- und Forstarbeiter in Bosnien, die keinen Zugang zur FSME-Impfung hatten. Ihr Erkrankungsrisiko lag bei etwa eins zu 240 bis eins zu 1.000 bei einem Monat Waldarbeit. "Das entspricht dem Malariarisiko bei einem gleich langen Aufenthalt in Kenia", meint der Mediziner.
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FSME in Österreich
Im vergangenen Jahr gab es laut Angaben des Instituts für Virologie in Wien 54 FSME-Erkrankungen in Österreich mit Patienten, die im Spital behandelt werden mussten. Davon endeten drei mit dem Tod des Patienten. Der größte Teil der Erkrankten gehörte der Altersgruppe der über 40-Jährigen an.

Die seit mehr als 20 Jahren in Österreich durchgeführten Impfkampagnen gegen die FSME haben offenbar entscheidende Beiträge zur Beherrschung des Problems geliefert. 1979 - am Beginn der Ära der FSME-Impfungen - hatte es in Österreich beispielsweise noch fast 700 Erkrankungen in einem Jahr gegeben.

Das zeigen auch wissenschaftliche Berechnungen: In den vergangenen zwei Dekaden wurden in Österreich 3.443 FSME-Erkrankungen registriert. Ohne Impfung wären es laut den Rechenmodellen 13.540 gewesen. Somit wurden durch die Immunisierungen 10.097 Erkrankungen verhindert.
->   Institut für Virologie in Wien
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Höhere Altersklassen sind stärker gefährdet
Kollaritsch beklagt jedoch die Vernachlässigung der FSME.-Impfung gerade bei älteren Menschen: "Wir haben bei den unter 40-Jährigen große Erfolge, aber noch immer ein Problem bei den höheren Altersklassen."

Dabei verläuft die potenziell lebensgefährliche Erkrankung mit zunehmendem Alter immer schwerer. "Je älter die Betroffenen, desto öfter kommt es zu Fällen, in denen von der Infektion nicht nur die Gehirnhäute, sondern auch das Gehirn und das Rückenmark betroffen sind. Damit steigen die Sterblichkeit und die Rate der Komplikationen wesentlich an", erklärt Kollaritsch.
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Weitere Erkrankungen durch Zeckenbisse
Zecken können auch die so genannte Lyme-Borreliose übertragen, gegen die der FSME-Impfstoff nicht wirkt. Pro Jahr infizieren sich in Österreich geschätzte 12.000 Menschen mit den spiralförmigen Bakterien, es handelt sich somit um die häufigste von Zecken übertragene Krankheit. Wochen, Monate oder gar Jahre nach einem Zeckenbiss kann es zu Gelenkentzündungen oder Hirnhautentzündungen kommen. Meist hilft eine Behandlung mit Antibiotika, in manchen Fällen jedoch kommt es zu einem chronischen Verlauf. Zwar gibt es einen Impfstoff, dieser ist allerdings bislang nur in den USA erhältlich und für Europa aus verschiedenen Gründen nicht geeignet. In Österreich wird allerdings an der Entwicklung eines Serums gearbeitet. Mehr zur Lyme-Borreliose

Zecken können auch die so genannte Ehrlichiose übertragen: Die bakteriellen Erreger (Ehrlichien) können bei einem geschwächten Immunsystem zu Fieber, Gliederschmerzen und einer Verringerung der Blutplättchen führen. In rund 99 Prozent verläuft eine Infektion aber harmlos, vermuten Experten. Mehr zur Ehrlichiose
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Neuer Impfstoff soll besonders verträglich sein
Ein von Chiron Behring neu entwickelter Impfstoff für Kinder und Erwachsene soll nun besonders verträglich und wirksam gegen FSME sein: Die Substanz enthält laut Chiron Behring erstmals keine Eiweißstoffe als Stabilisatoren. Denn gerade bei Kindern und bei der Erstimpfung Erwachsener kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen.

Die beiden Vakzine für Kinder und Erwachsene sollen bereits in den kommenden Wochen bereit stehen, laut Chiron Behring belegen die klinischen Studien die sehr gute Verträglichkeit.

In dem Vakzin enthalten sind 1,5 (Erwachsene) bzw. 0,75 Mikrogramm (Millionstel Gramm, Anm.) FSME-Antigen und als Stabilisator eine erhöhte Konzentration an Zucker (Saccharose).
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Fieberreaktionen bei Kindern
Im Jahr 2000 wurden dem Gesundheitsministerium in Wien an die 800 Fieberreaktionen bei Kindern nach der Erstimpfung mit dem damals neuen Baxter-FSME-Impfstoff "TicoVac" gemeldet. Aus dem alten Vakzin war der Stabilisator Humanalbumin aus Spenderplasma entfernt worden. Deshalb wurde für 2001 das Vakzin anders formuliert ("FSME-Immuninject 'neu'; wieder mit Humanalbumin) und war vergangenes Jahr in Österreich der einzige für Kinder verwendbare FSME-Impfstoff. In Deutschland wurde er nicht zugelassen.

Chiron Behring wiederum hatte mit "Encepur" für Erwachsene und "Encepur K" für Kinder Anfang bzw. Mitte der neunziger Jahre einen FSME-Impfstoff mit dem künstlichen Stabilistor Polygelin auf den Markt gebracht. Speziell bei Kindern wurde eine erhöhte Rate an allergischen Reaktionen festgestellt. 1997/98 wurde deshalb das Kinder-Vakzin zurückgezogen.
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Test an 6.700 Probanden, mehr als die Hälfte Kinder
"Der Impfstoff wurde bei 6.700 freiwilligen Probanden in 68 Zentren in vier europäischen Ländern (Deutschland, Tschechien, Polen und Estland, Anm.) erprobt. Mehr als 53 Prozent der Probanden waren Kinder", erklärt Michael Bröker, Leiter der Abteilung für Medical Affairs International bei dem Konzern in Marburg.

Auch die Verträglichkeit des Impfstoffes gegen die "Zeckenkrankheit" wird als sehr gut bezeichnet. Laut Bröker zeigten sich in den klinischen Studien - je nach Parameter - gleich gute bis wesentlich bessere Werte bei den Nebenwirkungen als bei der seit Jahrzehnten verwendeten Diphtherie-Tetanus-Impfung.

Nur ausgesprochen selten traten nach der FSME-Impfung Fieberreaktionen auf. "Unter mehr als 2.000 Erwachsenen und Kindern zeigte sich bei einem Prozent Fieber von 39 bis 40 Grad Celsius, bei 0,1 Prozent von mehr als 40 Grad", erläutert der deutsche Experte.
Keine Impfung ganz ohne Fieberreaktionen
Ganz ohne mögliche Fieberreaktionen kann es bei Impfungen auch niemals abgehen, weil genau das ja mit der erwünschten starken Immunantwort auf das Vakzin zusammenhängen kann.

Entscheidend ist, dass es sich bei solchen Reaktionen nur um kurzfristige "Fieberzacken" ohne sonstige Probleme handelt. Außerdem lässt sich so eine "Fieberzacke" schnell und leicht behandeln.
Auch Kinder reagieren schwer auf FSME
Neben der Schließung der in Österreich noch immer bestehenden FSME-Impflücken bei Erwachsenen und Senioren kommt es aber weiterhin auf den möglichst kompletten Schutz bei Kindern und Jugendlichen an.

"Kinder reagieren auf eine FSME-Infektion unspezifisch, aber sehr schwer. Und bis zum 14. Lebensjahr ist die Gabe von FSME-Immunglobulin (als passive Impfung nach einem Zeckenstich, Anm.) nicht möglich", erklärt dazu Karl Zwiauer, Chef der Kinderabteilung am Krankenhaus St. Pölten.

Somit bleibt die aktive Impfung der einzige Schutz. Und Zwiauer zeigt sich von dem neuen Impfstoff überzeugt: "Der (neue, Anm.) Impfstoff ist sicher optimal an Kinder angepasst: Impfen schützt, Impfen nützt."
->   Abteilung für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Uni Wien
->   Chiron Behring
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01.01.2010