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Medizin und Magie im kulturellen Vergleich  
  Was in der westlichen Medizin als "burn out" diagnostiziert wird, heißt bei den Andenbewohnern "Seelenverlust". Der gilt dort als schwere Krankheit, die ein umfangreiches mehrtägiges Ritual in Gang setzt.  
Der Tuberkulose hingegen stehen die Andenvölker resigniert gegenüber. Ganz anders im Westen: Die "burn out"-Symptome wie Erschöpfung, Verstimmung, Motivationslosigkeit und Deprimiertheit werden hier bestenfalls therapeutisch behandelt.
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Die Kulturanthropologin Ina Rösing
Die deutsche Kulturanthropologin Ina Rösing forschte zwei Jahrzehnte lang über Krankheitskonzepte und Heilungsrituale bei den Kallawaya-Medizinmännern in den Anden. Ihre Forschungsergebnisse sind in dem mehrbändigen Standardwerk "Mundo Ankari" zusammengefasst. In der Ö1-Sendereihe "Menschenbilder" wird am Sonntag, den 28. Jänner um 14.15 Uhr ein ausführliches Porträt der Wissenschaftlerin ausgestrahlt.
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Was hier als krank gilt, muss dort nicht krank sein
In der westlichen Psychotherapie wie auch in den Ritualen der Kallawaya-Medizinmänner erfolgt die Heilung durch einen Austausch von Symbolen. In beiden Fällen wird in einem rituellen Raum agiert.

Durch den Austausch von Worten und in einer gemeinsamen rituellen Handlung wird eine Beziehung zwischen Therapeut bzw. Medizinmann und seinem Klienten bzw. Patienten hergestellt. Diese Beziehungsarbeit soll den krankmachenden Konflikt lösen.

Was die Rituale voneinander unterscheidet, ist die Bewertung der Konflikte. Trauerarbeit etwa gilt im Westen als individuelles Problem, das jeder selbst bewältigen muss. Bei den Kallawayas hingegen arbeitet der Medizinmann im Kreis der vielköpfigen Familie. Der Patient und sein Konflikt sind automatisch Teil der Gemeinschaft, in der er lebt.
Konkrete und abstrakte Magie
Doch es unterschieden sich nicht nur die westlichen Vorstellungen wesentlich von denen der Andenvölker. Im Himalaja Ladakhs etwa spielen wieder andere Mechanismen eine Rolle.

Während man in den Anden an die konkrete Macht der Magie glaubt, setzen die Schamanen des Himalajas Magie eher abstrakt ein. Ein Beispiel: Durchbohrt ein Kallawaya einer Puppe, die den Feind darstellt, die Augen, so wird dieser - der Feind - blind.

Will ein Schamane hingegen seinen Feind abwehren, reduziert er(wieder auf rituelle Weise) dessen spirituelle Kraft, damit er weniger Macht über ihn hat.

Und in der westlichen Therapie - um den Kulturvergleich zu komplettieren - wird das Selbstbewusstsein des Patienten gestärkt, damit er den realen Konflikt besser ertragen kann.
Kallawaya heilen mit Kräutern und Ritualen
 


->   Kallawaya-Healers
 
 
 
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01.01.2010