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Envisat - der Satellit der Superlative  
  Envisat ist der Name des neuen Flaggschiffes der Umweltforschung. Der Satellit der Superlative sollte eigentlich Ende Jänner 2002 starten. Doch zum wiederholten Mal wurde der Start verschoben: vorerst auf 1. März.  
Envisat kostet die Rekordsumme von rund zwei Milliarden Euro, Start und fünf Jahre Betrieb inklusive. Zehn Jahre dauerten Bau und Entwicklung, an denen 100 Firmen in 14 Ländern beteiligt waren.

Mit zehn Metern Höhe und acht Tonnen Gewicht ist Envisat der größte Satellit, der je in Europa gebaut wurde. Das Flaggschiff der Umweltforschung wird 10 völlig neuartige Hochleistungsinstrumente für die Erdbeobachtung und Atmosphärenmessung beherbergen. In 800 Kilometern Höhe wird der Trabant seine Bahn über die Pole ziehen und die Erde abtasten.
Kassandra im All
Envisat wird auch Kassandra im All genannt, weil es bei der Erdbeobachtung hauptsächlich um Effekte geht, die unsere Umwelt negativ beeinflussen. Der Supersatellit ist der Nachfolger von ERS 1 und ERS 2 - ERS steht für "European Radar Satellite".

Envisat wird allerdings eine enorme Datenmenge liefern, weil er sowohl Daten an Bord speichern kann als auch über einen eigens ins All geschossenen Übertragungssatelliten an verschiedene Bodenstationen senden kann.
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Envisat - der Satellit der Superlative
Der Satellit der Superlative ist ein wirtschaftlicher Impuls, sagt Max Kowatsch von Austrian Aerospace: auf Envisat gibt es 10 neue Instrumente. Austrian Aerospace war an Bau und Entwicklung von vier Instrumenten maßgeblich beteiligt. Einige Beispiele: MWR - das Mikrowellenradiometer - ein Instrument, das den Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre misst. CSA (Cross Strap Assembly) dient der Übertragung der Daten vom Satelliten zur Bodenstation. GOMOS (Global Ozone Monitoring by Occultation of Stars) misst das Ozon in der Erdatmosphäre. Der Gesamtumsatz des Unternehmens an diesem Programm beläuft sich auf 17 Millionen Euro (230 Millionen Schilling).
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Wasserqualität vom All aus testen
Helmut Rott vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck ist vor allem an Daten interessiert, die die Umwelt im alpinen Raum beschreiben. "Wir brauchen Daten über die Schneebedeckung der Gletscher, um Abflüsse vorhersagen zu können," sagt Rott.

Er möchte mit den Daten Modelle entwickeln und per Internet automatisch Prognosen über Wassermengen abgeben. Damit könnte sowohl die Wasserwirtschaft als auch Hochwasserwarnsysteme versorgt werden.

Außerdem will der Forscher mit dem Sensor MERIS die Wasserqualität von Seen vom All aus testen. "Derzeit wird an wenigen Stellen mit großen Zeitabständen gemessen. Eine Richtlinie der EU schreibt aber vor, dass die Wasserqualität von Seen und Gewässern flächendecken zu erfassen ist. Mit Envisat wird das möglich," sagt Rott.
Beobachtung des arktischen Eises
Der Sensor MERIS auf Envisat hat noch ein anderes zentrales Aufgabengebiet. Er beobachtet das Eis in der Antarktis - wie es sich bewegt und verändert.

Mit ERS hatten die Forscher keine kontinuierlichen Daten. Sie bekamen immer nur Daten von ein oder zwei Perioden im Jahr, von den Zeiten, in denen die antarktische Empfangsstation besetzt war - weil man die Daten nicht an Bord des Satelliten speichern konnte. Mit Envisat bekommen die Innsbrucker dann beinahe tägliche Aufnahmen von der Antarktis.
GOMOS - das Ozonloch verstehen
Das Projekt heißt GOMOS - GOMOS steht für "Global Ozone Monitoring by Occultation of Stars". Ein höchst innovatives Instrument auf Envisat verwendet die Verdunkelung von Sternenlicht, um die Ozonkonzentration zu messen. Es geht aber nicht nur um Ozon, der Sensor kann auch die Temperatur oder Stickoxide sehr gut messen. Austrian Aerospace entwickelte für den komplexen Sensor übrigens eigene Kohlefaserwerkstoffe, die ihn besonders stabil machen.

"Es geht uns um die Verbesserung von Klimamodellen, um die Klimavorhersagen zu verbessern," sagt Kirchengast vom Institut für Geophysik, Astrophysik und Meteorologie. "Wir müssen aber auch erst die chemischen Reaktionen des Ozonabbaus verstehen. Das faszinierende ist, man könnte durch Envisat sogar auf neue Reaktionen kommen, die das Verständnis der Stratosphäre phantastisch verbessern könnten."
Kohlenstoffsenken kartieren
Konkrete politische Auswirkungen erhofft sich Wolfgang Wagner von der Technischen Universität Wien von seiner Arbeit für den Satelliten. Das Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung lieferte bisher schon über ERS-Daten an die FAO, an die Welternährungsorganisation.

Die FAO stützt sich auf die Daten, um rechtzeitig Hilfsmaßnahmen einzuleiten, wenn Trockenheit in einer Region droht. Politisch wirksam könnte Envisat werden, wenn es um den Wald geht. Seit Kyoto werden die Wälder als Kohlenstoffsenken anerkannt. Wagner will den Wald in Sibirien kartieren, um die Kohlenstoffbilanz berechnen zu können.
Schummelnde Bauern
Matthias Schardt von Joanneum Research in Graz sieht sich die Daten über den Wald mit anderen Interessensschwerpunkten an. "Wir können über Satellitenbilddaten sehen, wie sich der Wald entwickelt und das für das Schutzwaldmonitoring verwenden," meint Schardt.

Envisat liefert so spezifische Daten, dass sogar die Baumarten klassifiziert werden können: vom All aus ist genau erkennbar, ob es sich zum Beispiel um für den Schutzwald wichtige Lärchen, Fichten oder Kiefern handelt. Genauso können natürlich auch Fruchtarten auf den Feldern ausgemacht werden.

Die EU könnte so zum Beispiel überwachen, ob auf angeblich stillgelegten und mit EU-Geldern subventionierten Feldern nicht doch etwas angebaut wird. Eine Art Überwachungskamera für schummelnde Bauern.

Ulrike Schmitzer, Ö1-Wissenschaft
Ein Beitrag der Ö1-Dimensionen vom 24.01.2002 um 19.00 Uhr.
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01.01.2010