News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Die Rückkehr der Wölfe  
  In Bad Ischl wurde Ende Jänner ein Wolf abgeschossen. Der Jäger gab an, das ganzjährig geschützte Tier mit einem wildernden Hund verwechselt zu haben. Über den strittigen Einzelfall hinaus erfordert die Rückkehr der Wölfe nach Europa neue Konzepte, um das Zusammenleben zwischen Menschen und Tierwelt in den Alpen nachhaltiger zu gestalten, meint der Ethologe Kurt Kotrschal in einem Gastkommentar für science.ORF.at.  
Ein Wolf ist tot - "na und"?
Von Kurt Kortrschal

Der Abschuss des Wolfes, Ende Jänner in Bad Ischl symbolisiert in trauriger Weise das klassische christlich-abendländische Naturverständnis: "Schädlinge" verhindern, dass wir uns die Erde nach Plan untertan machen können.

Ein böser Wolf (so die Überschrift der Bad Ischler Rundschau vom 7. Februar) ist nicht nur ein ganz besonders schlimmer Schädling, er weckt tiefe Urängste und er gehört auf jeden Fall "weg", oder? Jedenfalls abgeschossen. Irrtümlich. Ein ganzjährig geschütztes Tier.
Nur ein Kuriosum aus dem Salzkammergut?
Ein Wolf ist tot - na und? Das Ereignis hat weder besondere Bedeutung für die Ökologie, noch für den Artenschutz, man könnte es also als Kuriosum aus dem wilden Salzkammergut abtun.

Sollte man aber nicht, denn Wölfe kehren zunehmend nach Mitteleuropa zurück. In Italien, den französischen Alpen, in Slowenien, der Slowakei und der Tschechischen Republik, überall gibt es bereits wieder Wolfsrudel.
...dann wird man noch oft schießen müssen
Die Schäden an Haustieren halten sich übrigens durchaus in Grenzen. Sollten aber Tiere versuchen, ihren angestammten Lebensraum in den Alpen wieder zu besiedeln, werden sie erschossen. Und man wird noch oft schießen müssen, will man Österreich wolfsfrei halten.
...
Gastkommentar
Kurt Kortrschal ist Direktor der Konrad - Lorenz - Forschungsstelle für Ethologie in Grünau.
->   Konrad-Lorenz- Forschungsstelle
...
Wer Bär sagt, wird auch Wolf sagen müssen
Natürlich, die Einstellung zum Wolf ist ambivalent. Das zeigt vor allem die sachlich-distanzierte Berichterstattung in den Printmdien, die beinahe frei war von Unter- und Angriffen gegen den Jäger.

Kein lauter Aufschrei der Entrüstung, wie vor einigen Jahren im Zusammenhang mit dem Abschuss einiger Bären. Aber langfristig wird, wer Bär gesagt hat, wohl auch Wolf sagen müssen.
...
Kann man Wölfen wirklich nur mit der Flinte begegnen?
Den gesellschaftlichen Konsens darüber, dass "Raubzeug mit der Flinte reguliert" werden muss, gibt es längst nicht mehr. Einer Mehrheit naturschutzorientierter (und oft genug hemmungslos natur-romantischer) Städter steht eine Minderheit von Behörden und Jägern gegenüber, denen jegliche Vision zu fehlen scheint, wie Wölfen anders als mit der Flinte begegnet werden kann. Natürlich, die Liebe zu Bär und Wolf steigt mit dem Abstand zu den Wäldern, in denen sie leben. Aber Jagd ist angeblich angewandter Naturschutz. Der gerade erfolgte Abschuss belegt eher das Gegenteil. Warum liegt den Behörden und (manchen) Jägern so wenig am gesellschaftlichen Grundkonsens, an der Nachhaltigkeit im Zusammenleben von Mensch und Tier, von Natur und Kultur?
...
Einwanderung ohne Papiere
Es ist absehbar, dass aus unseren Nachbarländern immer mehr Wölfe nach Österreich einwandern werden, ganz ohne Papiere und Genehmigung.

Daher ist es hoch an der Zeit, dass die zuständigen Naturschutzbehörden (nicht nur die Jäger) zusammen mit Fachleuten und unter Berücksichtigung von anderswo gemachten Erfahrungen über ein nachhaltiges Managementsystem für Wolf, Bär und ähnliche konfliktträchtige Nutzer unseres Lebens- und Wirtschaftsraumes nachdenken.

Auf Dauer kann man nicht nur abschießen und sich damit (wieder einmal) ins europäische "Naturschutz-Out" stellen.
Abgeltung von Schäden
Wir sind reich genug, um den Bauern eventuelle "Kollateralschäden" abzugelten. Im Neunzehnten Jahrhundert wurden die letzten Bären und Wölfe in den Alpen ausgerottet. Damals brachte der Verlust einer Ziege oder der einzigen Kuh den Kleinhäusler in schlimmste Existenzprobleme. Davon kann heute keine Rede sein.

Wie sollen wir unseren Freunden in Afrika gegenüber vertreten, dass sie gefälligst für uns die Löwen schützen sollen, während uns, denen es materiell viel besser geht, der Schutz von Wölfen egal ist?
...
Der treueste Freund des Menschen
Wölfe sind stark emotional besetzt, positiv und negativ. Wölfe gefallen uns dann, wenn sie hinter Gehegezäunen zu bewundern sind, nicht aber, wenn sie in den Wäldern lauern. So war das Wolfsprojekt im Innsbrucker Tiergarten der Februar-Ausgabe des "Universum-Magazins" einen beeindruckenden Artikel wert: eine junge, blonde Frau in engem Wolfskontakt. Welch schönes Symbol für die schon sehr lange währende Partnerschaft zwischen Wolf und Mensch. Denn nicht erst seit 14.000 Jahren, wie man bislang glaubte, sondern (modernen genetischen Analysen zufolge) seit über 100.000 Jahren ist der Wolf/Hund der treueste Freund des Menschen.
->   Artikel in science.ORF.at: Wie der Wolf zum Hund wurde
...
... dann trifft ihn eine Kugel
Die menschliche Kulturentwicklung erfolgte in engster Begleitung durch den Wolf im Hundefell. So ist der Hund nicht einfach eines von vielen Haustieren, denn es gab eine lange (soziale) Ko-Evolution von Mensch und Hund; so etwa lautet der Titel eines Aufsatzes des Wiener Philosophen E. Oeser: "Der Anteil des Hundes an der Menschwerdung des Affen". Treffender könnte man es kaum ausdrücken.

Was aber passiert, wenn der Partner und Zeuge menschlicher Kulturentwicklung in Oberösterreichs Wäldern auftaucht? Es trifft ihn eine Kugel.
Nachhaltiges Zusammenleben
Es gilt, ein nachhaltiges Zusammenleben zwischen der heimischen Tierwelt und den Menschen zu erreichen. Zu dieser Tierwelt zählen eben nicht nur herzige Eichkätzchen und Murmeltiere, sondern auch Bär, Wolf und Luchs. Warum sollte ausgerechnet in Österreich nicht möglich sein, was in den Nachbarländern längst Praxis ist?

Natürlich stört die Anwesenheit von Beutegreifern die Jagd. Fragt sich nur, wo das Problem liegt, auf Seite der Beutegreifern oder der Jagd? Klar, dass man in einem derart dicht besiedelten Land, wie Österreich nicht einfach der Natur ihren Lauf lassen kann.
Natur hat nicht nur Nutzwert
Zu fordern ist aber ein kreativer Umgang mit dem Problem, ein entsprechender Managementplan, und ein Umdenken der Verantwortlichen. Natur hat ihren Wert jenseits jeden Nutzens. Und Bär, Luchs und Wolf sind eben Teil unserer angestammten Natur.

Die Gestaltung eines nachhaltigen Zusammenlebens liegt jenseits zeitgeistiger Naturromantik, das ist eine Frage von Identität und Selbstachtung.
...
Jahresbilanz der Konrad - Lorenz - Forschungsstelle Grünau/Almtal
Die Konrad-Lorenz-Forschungsstelle hat kürzlich ihre Jahresbilanz 2001 vorgelegt. Neben einer beachtlichen Reihe von Publikationen, viele davon in wichtigen internationalen Journalen, wird darin auch auf die schwierige finanzielle Situation verwiesen, bedingt durch den Einbruch an Forschungsmitteln, die vor allem vom Wissenschaftsfonds (FWF) bezogen wurden.

Im laufenden Jahr soll vor allem die Finanzierung der Grundlagenforschung verbessert werden. Weitere Pläne sind die Eröffnung einer Aussenstelle im Tierpark Herberstein /Steiermark und die Arbeit mit Waldrappen im Rahmen eines Interreg IIIB (EU-)Projektes auf europäischer Ebene. Die detaillierte Jahresbilanz ist auf der Homepage der Forschungsstelle abrufbar.
->   Homepage der Forschungsstelle
...
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010