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Großrechner soll bessere Putzmittel schaffen  
  Wissenschaftler der Universität Essen widmen sich den Problemen der Hausfrauen und -männer: Die Chemiker wollen durch Simulationen an einem Großrechner neue Putzmittel entwickeln, die Fliesen in Sekundenschnelle und ohne anstrengendes Schrubben blitzblank werden lassen.  
Hubert Kuhn, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Physikalische Chemie der Universität Essen, will mit seiner Arbeitsgruppe "neue Tenside zur Enthaftung von Kontaminationen auf nano- und mikrostrukturierten Oberflächen" entwickeln.
Schmutz kontra Fliesen
Was sehr abstrakt klingt, ist im Grunde ganz einfach: Es soll getrennt werden, was nicht zusammengehört - nämlich Schmutz und Oberflächen, also etwa Fliesen, im heimischen Badezimmer.
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Tenside
Als Tenside bezeichnet man niedermolekulare Verbindungen, deren Moleküle insbesondere in Wasser grenzflächenaktiv sind. Das bedeutet, dass Tenside als Zusatz in Wasch- und Reinigungsmitteln die Oberflächenspannung des Wassers verringern. Sie verändern damit die Benetzungseigenschaften zwischen Wasser und Feststoffen und erleichtern die Ablösung des Schmutzes von textilen oder anderen Oberflächen.

Eingesetzt werden Tenside fast überall: Zur Reinigung von Kleidung (Waschmittel, Weichspüler) ebenso wie von Haut, Haar (Shampoo) oder Geschirr (Spülmittel). Als älteste Tenside gelten die Seifen, deren Herstellung schon den alten Ägyptern und auch den Germanen geläufig war.
->   Mehr zu Tensiden und Waschmitteln
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Ein Großrechner soll helfen
Ein Weg wäre die experimentelle Herstellung verschiedenster Substanzen im Labor - eine Methode, die allerdings teuer und nicht eben umweltschonend ist. Denn die hergestellten Chemikalien müssen auch wieder entsorgt werden.

Kuhn jedoch setzt auf Computer-Simulationen: Dazu braucht es allerdings einen Großrechner. Der wird derzeit noch zusammengebaut - aus den Einzelteilen von 128 handelsüblichen Rechnern.

Das Ergebnis wird eine Art Rechner-Netzwerk, ein Groß-Computer sein, dessen Rechenleistung rund 128 Gigaflops pro Sekunde betragen soll.
Tenside am Rechner "gebaut"
Die Tenside werden also am Computer "gebaut". Chemiker Kuhn simuliert am Rechner das Verhalten der Moleküle und entwickelt daraus Ideen zur Herstellung von neuen Produkten. Der Rechner gibt ihm vor, auf welche Wirkstoffe und Kombinationen sich die Chemiker konzentrieren sollen.

Damit seien statt üblicherweise rund 100.000 Experimenten mit Chemikalien nur noch etwa 1.000 notwendig, erklärt Kuhn den Vorteil gegenüber dem ORF-Radio. Denn durch die Arbeit des Rechners scheiden schon vorher die meisten Kombinationen aus.
Trittsichere Fliesen ziehen den Schmutz an
Dabei arbeitet Kuhn auch mit dem Fliesenhersteller Villeroy und Boch zusammen. Fliesen müssen nämlich nicht nur hübsch aussehen, sondern vor allem auch trittsicher sein. Daher weisen sie in der Regel eine poröse Struktur auf, - in die sich Schmutz natürlich einnistet.

Doch herkömmliche Reinigungsmittel sind nicht geeignet, die Oberflächenspannung von Wasser so weit zu verringern, dass der Schmutz in den Poren benetzt und herausgelöst werden kann. Da hilft nur kräftiges Schrubben, um den Boden wirklich sauber zu bekommen.

Kuhns Ziel ist es daher, die so genannte "Spreitung" der Wassertropfen zu erhöhen: Damit bezeichnet man die Verteilungseigenschaften einer Substanz auf einer Oberfläche. Am PC wird in Simulationen geprüft, welche Tenside bzw. Tensid-Kombinationen hierbei helfen könnten.
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Zweites Projekt: Anti-Virus-Handschuhe
Mit Hilfe des Großrechners soll auch ein zweites Projekt des Fachbereichs Physikalische Chemie betrieben werden. Ein an der Universität entwickelter Anti-Virus-Handschuh wartet auf Verbesserungen. Der Handschuh soll Chirurgen vor gefährlichem Patientenblut schützen.

Das Prinzip: Ein in eine Kautschukmasse eingebettetes Viruzid tötet alle eindringenden Viren - beispielsweise die Auslöser einer gefährlichen Hepatitis-Infektion - sofort ab. Problematisch ist bislang allerdings die Lebensdauer des Viruzids, denn eine längere Lagerung vermindert die Wirkung. Mit Hilfe des Großrechners sollen daher geeignete Polymere entwickelt werden.
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Erst dann kommen die Versuche
Erst dann kommt es auch zu konkreten Versuchen: Villeroy und Boch liefern die Fliesen, die Arbeitsgruppe des Chemikers beschmutzt diese, sprüht dann Proben der verschiedenen entwickelten Substrate auf und misst schließlich die Spreitung.
Einmal wischen und fertig ...
Das Ziel ist letztlich ein Mittel, bei dem ein "bisschen Chemie" aufs Tuch gesprüht reicht, um mit einmal darüberwischen das Bad in all seinem Glanz erstrahlen zu lassen. Kuhn rechnet mit rund drei Jahren Entwicklungszeit.
Weniger Chemie für die Umwelt
Der Sinn von Kuhns Forschungen liegt aber nicht (nur) in der Bequemlichkeiten der Verbraucher. Es geht ihm auch um den ökologischen Effekt - denn heutzutage verbrauchen die Haushalte enorm viel Putzmittel.

Ein Problem, das vor allem die Wasseraufbereitung trifft. Je weniger Chemie also zum Putzen verwendet werden muss, desto besser ist dies für die Umwelt.
->   Universität Essen Fachbereich Chemie
 
 
 
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01.01.2010