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Wendepunkte im Leben  
  Der Zusammenhang von Biografie und existenzbedrohender Krankheit war das Thema eines Symposions an der Evangelischen Akademie in Tutzing im Jänner, an dem Neurobiologen, Soziologen, Psychotherapeutinnen und Psychologen teilnahmen.  
Eine wichtige Rolle spielten die Schriften des Mediziners und Philosophen Viktor von Weizsäcker, der von 1886 bis 1957 lebte. Weizsäcker betont darin den ganzheitlichen Ansatz der Medizin, der Krankheit als einen Verweis auf ein grundlegendes Defizit in der Biografie eines Menschen bestimmt.
Beispiel Kindheitstrauma
Der in Zürich lebende Psychoanalytiker Arno Gruen ging in seinem Vortrag etwa auf Verletzungen ein, die bereits im Erziehungsprozess stattfinden.

Psychisches Leiden entsteht demnach, wenn Eltern versuchen, Kinder nach eigenen Wertvorstellungen zu formen. Krankheit sei dann - so Gruen - meist eine späte Reaktion auf Verletzungen in der Kindheit.
Theorie der "Autopoiese"
Der chilenische Neurobiologe Umberto Maturana deutet Krankheit dagegen aus seiner Theorie der "Autopoiese". Darunter versteht er die Selbstorganisation des Menschen, den er als Gesamtheit von Systemen interpretiert.

Jedes Lebewesen versucht, das Gesamtsystem aufrechtzuerhalten und störende Einflüsse zu kompensieren. Gelingt das nicht, wird die Selbstorganisation nachhaltig gefährdet; Folgen davon sind Erschöpfungszustände oder Depressionen.
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Die Folgen solcher Eingriffe
Wie sich diese Eingriffe in die menschliche Psyche bemerkbar machen, beschrieb der Neurobiologe Gerald Hüther von der Universität Göttingen. In dieser Situation kommt es zu innerer Unruhe; Es entsteht das Gefühl einer tiefgreifenden Verunsicherung, das gewohnte Verhaltensmuster destabilisiert.
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Ansätze zu einer Gesundung
Um eine gewisse Normalität des Kranken zu ermöglichen - so lautete der allgemeine Tenor der Symposion-Teilnehmer - sei es wichtig, ihn zu motivieren, sich am Alltagsleben wieder zu beteiligen.

Allerdings mit der Einsicht, dass ein "defizitäres" Leben nicht in Rekordzeit einzuholen sei, erklärte dazu die in Bremen lehrende Soziologin Annelie Keil.

Bei dem Gesundungsprozess nimmt der Arzt oder Therapeut Keil zufolge eine wichtige Rolle ein. Er sollte auf die Biografie des Patenten eingehen; "Das Subjekt muss in die Medizin eingeführt werden¿, betonte die Soziologin, "und nicht als Opfer der Apparatemedizin fungieren".
Ärztliche Behandlung als "rhythmischer Fluss"
Die ärztliche Kunst besteht also darin, sich selbst zurückzunehmen, um das gestörte Gleichgewicht des Patienten wieder herzustellen - im Sinne von Viktor von Weizsäcker.

Er hat einst diesen Prozess beschrieben als Bewegung zweier Menschen, "die ein Stück Holz zersägen und zu einem rhythmischen Fluss der Bewegung verschmelzen".

Ein Beitrag von Nikolaus Halmer für die Ö1-Dimensionen
->   Radio Österreich 1
 
 
 
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01.01.2010