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Meeresbiologen: Nordatlantik völlig überfischt  
  International führende Meeresbiologen haben eine drastische Verminderung der Fischereiflotten im Nordatlantik gefordert. Die modernen Fangmethoden ließen den Meerestieren kaum noch Rückzugsmöglichkeiten.  
Die Folge: Der Bestand könne sich nicht regenerieren, erklärten die Wissenschaftler am Wochenende auf dem jährlichen AAAS-Kongress.
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Präsentation beim AAAS-Kongress
Diese Ergebnisse der ersten ozeanweiten Bestandsaufnahme präsentierte die Expertengruppe am Wochenende auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) in Boston, dem bedeutendsten fachübergreifenden Forscherkongress.
->   Homepage des AAAS-Kongresses
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Fangrückgang bei höheren Kosten
In den vergangenen 50 Jahren sei der Fang bevorzugter Nahrungsfische wie Kabeljau, Tunfisch, Schellfisch, Seehecht und Flunder im Nordatlantik um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Zugleich habe sich der Aufwand für die Fischerei verdreifacht, so ein Fazit der Experten.

Fisch werde zudem weiterhin aus den Entwicklungsländern von Westafrika oder Südostasien exportiert und im Norden verkauft, kritisierte Reg Watson von der Universität British Columbia.

Das vertusche die Krise in den Industriestaaten. "Wir bezahlen die Fischer in anderen Ozeanen, damit sie für unseren Konsum ihr marines Ökosystem schädigen." Das sei sehr kritisch für die weltweite Ernährungslage.
Militärtechniken erleichtern das Aufspüren
Der Brite Callum Roberts von der Universität York verwies auf übernommene Militärtechniken wie etwa Ortungsgeräte, mit deren Hilfe Fischer in entfernteste Gebiete vordringen.

Exakte Meereskarten und Satelliten-Navigationssysteme helfen laut Roberts, tief in Ozeanschluchten und andere Regionen einzudringen, die früher unerreichbar waren.

"Wenn wir weiterhin Meeresfrüchte auf unseren Tellern haben möchten, müssen wir den Fischen Rückzugsmöglichkeiten zurückgeben, damit einige alt genug werden, sich zu vermehren", so Roberts.
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Nordatlantik: 40 von 60 Fischarten bedroht
Die Meeresschutzkommission OSPAR aus 15 Ländern und der EU hatte die Überfischung bereits im Sommer 2000 als größtes maritimes Umweltproblem im Nordost-Atlantik eingestuft. 40 von 60 untersuchten Fischarten seien bedroht.

Der für Fischerei zuständige EU-Kommissar Franz Fischler hatte im Dezember gewarnt: "Die Situation ist alarmierend, wir stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand." Er schlug eine deutliche Flottenreduzierung um bis zu 40 Prozent vor. Anfang der 70er Jahre gab es in den EU-Gewässern nach Auskunft der EU- Kommission rund 90 Prozent mehr ausgewachsene Fische als Ende der 90er Jahre.

Wenn die Meerestiere erst einmal stark dezimiert seien, könnten sie sich kaum noch regenerieren, sagte Jeff Hutchings von der kanadischen Universität Dalhousie bei der AAAS-Konferenz. So zeigten in Kanada bestimmte Kabeljau-Bestände, die Anfang der 90er Jahre auf ein paar Prozent reduziert worden waren, noch keine Zeichen einer Erholung.
->   OSPAR
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Größere, schnellere, stärkere Boote
Yvonne Sadovy von der Universität Hongkong ergänzte: "Die Boote sind heute größer, schneller, stärker und können unter Bedingungen fischen, die vor 100 Jahren zu gefährlich gewesen wären." Mit den erzielten Preisen lohne es sich, in die entferntesten Ecken der Welt vorzudringen.
2,9 Milliarden Euro Subventionen
Rashid Sumaila vom Chr. Michelsen Institut in Bergen (Norwegen) verwies darauf, dass die Fischerei im Nordatlantik mit jährlich etwa 2,5 Milliarden Dollar (2,9 Milliarden Euro) subventioniert werde.

Damit verbessere sie ihre Technik, um die letzten verbliebenen Fische ausfindig zu machen. Auch der Energiebedarf der Schiffe sei drastisch gestiegen, sagte Peter Tyedmers von der Universität Dalhousie. "Der Ölverbrauch, der für den Fang einer Tonne Fisch nötig ist, hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt."
Bislang keine wirksamen Kontrollen
Bisher werde die Fischerei nicht wirksam kontrolliert, kritisierte Daniel Pauly, Leiter der Bestandsaufnahme des Nordatlaniks und Forscher am Fischereizentrum der Universität von British Columbia.

Die nötigen nächsten Schritte seien eine wirksame Verminderung der Fangflotten und die Reduzierung, möglicherweise sogar die Abschaffung der Subventionen für die industrielle Fischerei.

Zudem müssten vernetzte Meeresreservate geschaffen werden, aus denen nichts entnommen werden dürfe.
 
 
 
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01.01.2010