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Wie Pflanzen "die Kurve kriegen"  
  Wie Pflanzen sich zum Licht krümmen, konnte bislang nicht erschöpfend erklärt werden. Jetzt haben Pflanzenforscher am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung allerdings ein Protein identifiziert, dass die durch Licht gesteuerten Bewegungen der Pflanzen kontrolliert.  
Die Ergebnisse der neuen Studie werden von den Max-Planck-Forschern in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" dargestellt.
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"Lateral relocation of auxin efflux regulator"
Artikel in "Nature" (Lateral relocation of auxin efflux regulator PIN3 mediates tropism in Arabidopsis; Nature 415, 806 - 809, 2002)
->   Artikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Krümmung nur mit Hormon
Bei dem von den Botanikern identifizierten Pflanzenwuchsstoff handelt es sich um das Hormon Auxin, das die durch Licht und Schwerkraft ausgelösten Krümmungsbewegungen von Pflanzen kontrolliert. Für die Verteilung des Hormons Auxin im Gewebe sind dabei spezielle Transportmoleküle verantwortlich.

In Kooperation mit Wissenschaftlern aus Tübingen, Konstanz und Torun in Polen konnten Klaus Palme und seine Mitarbeiter zeigen, dass sich Pflanzen nur dann krümmen, wenn Auxin in bestimmten Regionen angehäuft wird. Für diese ungleiche Verteilung des Wuchsstoffs Auxin im Gewebe sorgt das so genannte PIN3-Protein.
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Was Auxin für die Pflanze ausmacht
Licht und Schwerkraft legen die Wuchsrichtung von Pflanzen fest. Aufgrund dieser physikalischen Signale bilden und verteilen sich in der Pflanze Botenstoffe. Ein zentraler Botenstoff ist das Pflanzenhormon Auxin. Es wird lichtabhängig zunächst in der Spitze des Pflanzenkeimlings gebildet und anschließend in die Wurzel transportiert.

Auxin sorgt z.B. dafür, dass ein junger Pflanzenspross in die Höhe wächst. Außerdem regt es das Wurzelwachstum, die Differenzierung von Zellen und die Verzweigung des Gewebes an. Wie Auxin im Innern der Pflanze verteilt wird, hatten die Wissenschaftler bisher nur ungenügend verstanden. Sie wussten aber, dass das Hormon passiv in die Zellen hinein strömt und aktiv wieder hinaus befördert wird.
->   Mehr zu Auxinen
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Hinweise schon im September
Vor einigen Monaten konnte die Gruppe um Klaus Palme mehrere Komponenten eines spezielles Transportsystems aufspüren, das den gerichteten Längstransport von Auxin ermöglicht, wie sie im vergangenen September in "Nature" berichteten.

Identifiziert wurden gleich mehrere Gene, die für die Bildung spezieller Auxin-Transporter verantwortlich sind. Diese Proteine sorgen dafür, dass der Wuchsstoff von oben nach unten im Pflanzenspross verteilt wird und sich auf diese Weise schließlich in der Wurzelspitze anreichert.

Darüber hinaus gab es Hinweise, dass Auxin auch die Krümmungsbewegungen von Pflanzen kontrolliert: Blockiert man nämlich den Transport des Hormons, so können sich Pflanzensprösslinge nicht mehr zum Licht hin krümmen bzw. der Schwerkraft entgegen wachsen.
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"Auxin transport inhibitors block PIN1 cycling"
Der Artikel "Auxin transport inhibitors block PIN1 cycling and vesicle trafficking" ist erschienen in der "Nature"-Ausgabe vom 27. September 2001.
->   Artikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Nachweis mit Ackerschmalwand
Der Nachweis, wie Auxin bzw. sein Transport für die Krümmung verantwortlich ist, gelang nun bei Versuchen mit der Pflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand).

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Auxin in sich krümmenden Pflanzengeweben ungleich verteilt vorliegt. Außerdem konnten sie PIN3 als jenes Protein identifizieren, das den Transport des Wuchsstoffes seitlich aus den Zellen heraus kontrolliert. Untersucht wurden Pflanzen, denen das für die Bildung von PIN3 verantwortliche Gen fehlte.

Im Vergleich zu normalen Keimlingen krümmt sich der Spross ohne das PIN3-Gen deutlich schlechter zum Licht bzw. die Wurzel zur Schwerkraft hin, wenn diese Reize seitlich einwirken (siehe Abbildung unten). Zudem ist die Auxin-Anreicherung bei den PIN3-Mutanten gestört - der Botenstoff bleibt gleichmäßig über das Gewebe verteilt.

 
Bild: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung

Vergleich eines normalen Pflanzensprösslings (links) mit dem einer PIN3-Mutante. Im Schwerefeld, das von links wirkt, krümmt sich die Mutante nur sehr schwach.
Foto: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
Wurzelspitze schwerkraftempfindlich
Mit Immunfluoreszenzmethoden spürten die Wissenschaftler dem PIN3-Protein im Sprossgewebe und in Zellen der Wurzelspitze nach, die Richtung und Stärke der Schwerkraft wahrnehmen.

In den schwerkraftempfindlichen Zellen der Wurzelspitze ist der Auxin-Transporter PIN3, wenn die Schwerkraft normal von unten einwirkt, gleichmäßig an den Rändern verteilt. Wirkt die Schwerkraft nicht von unten, sondern seitlich ein, verlagern sich die PIN3-Proteine in Richtung des Schwerereizes.
Entdeckung durch Sequenzvergleiche
Auf das PIN3-Gen waren die Kölner Forscher durch Sequenzvergleiche mit den bereits zuvor von ihnen entdeckten Transporter-Genen gestoßen, die den Transport von Auxin aus der Zelle regulieren und als PIN-Proteine bezeichnet werden.
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Das PIN-Gen
Der Name PIN (pin, engl. Nadel) leitet sich von einer speziellen Pflanze ab, bei der die Spitze nadelförmig weiter wächst, ohne dass die Pflanze Seitensprosse bildet. Ursache war auch hier die Mutation eines Gens, das für die Bildung eines Auxin-Transportproteins verantwortlich ist.
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Wichtige Frage des Pflanzenwachstums
Mit den neuesten Untersuchungen zu PIN3 konnte die Gruppe um Klaus Palme eine wichtige Frage des Pflanzenwachstums beantworten.

Weitere Untersuchungen zielen nun darauf ab, sowohl den molekularen Mechanismus des durch das PIN-Protein vermittelten Auxintransports zu entschlüsseln als auch die Wirkungsweise des Auxins als "gestaltgebende" Substanz genauer zu verstehen.
->   Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
 
 
 
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01.01.2010