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Enquete: Kontroversielle Diskussion über Uni-Reform  
  Wie sieht er konkret aus, der "Weg zur vollen Rechtsfähigkeit der Universitäten"? Seit heute Vormittag geht eine gleich lautende parlamentarische Enquete in Wien dieser Frage nach. Die von den Parlamentsparteien nominierten Experten und die Politiker selbst gaben sehr unterschiedliche Antworten. Während sich die einen dadurch "stärkere Leistungen" erhoffen, halten andere Proteste ähnlich jenen der 68er-Bewegung für vorprogrammiert.  
Uni-Reform für Gehrer kein Sparprogramm
"Bei der Universitätsreform geht es um Verantwortung und Autonomie, es ist kein Sparprogramm und es geht nicht um die Ökonomisierung der Unis. Die Universitäten sind Stätten der Grundlagenforschung und der forschungsgeleiteten Lehre mit Gewissensfreiheit und Wissenschaftsfreiheit."

Diese Grundsätze stellte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) an den Beginn ihres Einleitungsreferats. Mit der Reform sollen die Universitäten in diesen Zielsetzungen gestärkt werden. "Weniger Regulierung, mehr Wettbewerb, stärkere Leistungen, das sind die wichtigsten Inhalte unseres Reformkonzepts", so Gehrer.
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Die Positionen der vier Parlamentsparteien
science.ORF.at hat bereits vorab die Stellungnahmen der vier Parlamentsparteien zur Enquete veröffentlicht. Die Wissenschaftssprecher Gertrude Brinek (ÖVP), Martin Graf (FPÖ), Erwin Niederwieser (SPÖ) und Kurt Grünewald (GRÜNE) beschreiben in Originalbeiträgen ihre Positionen zu den laufenden Uni-Reformen.
->   Uni-Reform: Aufbruch oder Rückschritt?
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Qualität dank "Orchideenfächern"
Vorteile in der bestehenden österreichischen Uni-Landschaft konnte der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Frühwald, erkennen.

So gebe es noch keine "natur- und technikwissenschaftliche Monokultur" wie in anderen Staaten. Seine hohe Qualität verdanke Österreich nicht zuletzt den Geisteswissenschaften und den so genannten "Orchideenfächern".

Das geplante neue Universitätsgesetz beurteilte er dennoch als positiv: Vor allem die Einbeziehung externer Gutachter bei Berufungsverfahren sowie die Hierarchisierung und der Abschluss von Leistungsvereinbarungen wären konsequent und böten Leistungsanreize.
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Gesetz soll am 1. 10. 2003 in Kraft treten
Der Gesetzesentwurf soll laut Ministerin Gehrer am 8. März in Begutachtung (bis 19. April) geschickt werden, Ende Mai den Ministerrat passieren und im Juli im Nationalrat beschlossen werden. In Kraft treten soll das Gesetz ab 1. Oktober 2003, so dass die Unis ein Jahr Zeit haben, auf die neuen Regelungen umzustellen.
->   Uni-Reform: Die Details in Stichworten
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"Zweite 68er-Bewegung vorprogrammiert"
Kritik an den geplanten Einschränkungen der Mitbestimmung und der Reduktion der universitären Gremien übte der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler. Nach seiner Erfahrung habe die Mitbestimmung bei allen Beteiligten Lernprozesse gefördert und auch die Auseinandersetzung in Gremien habe sich an den geisteswissenschaftlichen Instituten bewährt.

Für Schmidt-Dengler lässt deshalb die Reform "eine zweite 68er-Bewegung nicht nur für wahrscheinlich, sondern für vorprogrammiert erscheinen".

"Irritiert" zeigte sich der Germanist auch darüber, in welcher "Unschärfe die Reform betrieben wird". Dies erinnere ihn an Qualtingers "Wilden mit seiner Maschin", der nicht weiß, wo er hin wolle, aber dafür schneller dort sei. Schmidt-Dengler plädierte dafür, "die Dinge so anzugehen, als wären sie ein Jahrhundertwerk".
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Rektoren protestieren mit Zeitungsannoncen
Einer der zur Zeit am stärksten diskutierten Teilaspekte der Uni-Reformen betrifft die Umwandlung der medizinischen Fakultäten in eigenständige Universitäten. Dagegen protestierten heute frühere Rektoren der Uni Graz, Wien und Innsbruck mit Zeitungsinseraten, die an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (beide ÖVP) gerichtet sind.
->   Mehr dazu in steiermark.ORF.at
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Rat für Schwerpunktsetzung mit Augenmaß
Kritik an der derzeitigen Organisation der Universitäten kam hingegen vom Chemiker und stellvertretenden Vorsitzenden des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Günther Bonn. Bei der Besetzung von Leitungsfunktionen sei nicht gewährleistet, dass sich auch der Beste durchsetze. Fehlende Leistung wäre "kein Hinderungsgrund" für eine Uni-Karriere. Dies führe dazu, dass viele Wissenschaftler Österreich verlassen.

Weiters sprach sich Bonn für eine Forcierung der Schwerpunktsetzung "mit Augenmaß" aus. Stärken sollten weiter ausgebaut, weniger starke Forschungsbereiche hingegen fokussiert bzw. gegebenenfalls auch geschlossen werden. Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Uni-Leitung wäre es, eine Auswahl des Lehr- und Forschungsangebots zu gestalten.
->   Rat für Forschung und Technologieentwicklung
Abschaffung des Kuriensystems ist demokratisch
Auch der Jurist Johannes Michael Rainer (Uni Salzburg) wollte Kritikern des Gestaltungsvorschlags den Wind aus den Segeln nehmen. Der Vorschlag gebe den Unis die Möglichkeit, ihre Struktur selbst zu bestimmen. Man müsse daher keine Angst haben, dass alles Bewährte verändert werden müsse.

Es stehe dem Rektor etwa frei, genau die gleichen Fakultäten und Institute wie bisher einzurichten - "er muss es aber nicht". Auch die Abschaffung des Kuriensystems verteidigte er: Dieses sei bereits von den alten Römern bzw. im vergangenen Jahrhundert beim Wahlrecht in Österreich aufgehoben worden, "weil es undemokratisch ist".
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Uni-Reform hegt der Verfassungsrechtler Heinz Mayer (Uni Wien). Bei der Enquete vertrat er den Standpunkt, dass der Beschluss eines Universitätsgesetzes nach den Grundsätzen des vorliegenden Gestaltungsvorschlages keiner Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfe.

Das Argument, wonach die vorgesehene Entsendung zweier Mitglieder des Universitätsrats durch die Bildungsministerin gegen den Selbstverwaltungscharakter der Uni verstoße und daher verfassungswidrig sei, greift laut Mayer nicht.
->   Die volle Rechtsfähigkeit der Universitäten
Gestaltungsvorschlag für die Regelung der Autonomie (pdf-Datei)
->   www.weltklasse-uni.at (Bildungsministerium)
->   Mehr über die Uni-Reform in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010