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Malariaausbreitung von Klimaerwärmung unabhängig  
  In den letzten Jahren haben Wissenschaftler und Mediziner eine verstärkte Ausbreitung von Malaria weltweit festgestellt. Manche Forscher sehen als Ursache dafür die globale Klimaerwärmung. Eine neue Studie kann das jetzt allerdings widerlegen: Die Ursache für die weltweit gestiegene Anzahl an Malariainfizierten ist eher in einer zunehmenden Resistenz der Parasiten sowie in ungenügenden Gesundheitskontrollen zu suchen.  
Dies erklären Simon Hay von der "University of Oxford" und Kollegen in der aktuellen Ausgabe von "Nature". Die Forscher warnen darüber hinaus vor allzu einfach konstruierten Verbindungen zwischen sich ausbreitenden Tropenkrankheiten und globalen Klimaveränderungen. Dies könnte zu falschen Gegenstrategien zur Bekämpfung solcher Krankheiten führen.
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Artikel in "Nature" (kostenpflichtig; Climate change and the resurgence of malaria in the East African highlands, Nature 415, S. 905 ¿ 909, 2002).
->   Artikel in "Nature"
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Klimaaufzeichnungen eines Jahrhunderts
Die Forscher konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen auf ostafrikanische, von Malaria stark betroffene Staaten wie Kenia, Uganda, Ruanda und Burundi.

Dabei analysierten sie mittels Computersimulationen und Klimaaufzeichnungen die Witterungsverhältnisse der vier Staaten in der Zeit von 1911 bis 1995.
Dramatische Zunahme der Malariainfektionen
Die Malariafälle in diesen Regionen haben in den letzten zwei Jahrzehnten überdimensional stark zugenommen, in manchen Gegenden sogar um das Fünffache.

Das dabei zu beobachtende Muster ist auch in vielen anderen Teilen Afrikas festzustellen. Das Team um Simon Hay konzentrierte sich in seiner Untersuchung der Klimata vor allem auf höhergelegene Ebenen, da diese sensitiver auf Klimaveränderungen reagieren.
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Was ist Malaria?
weltweit verbreitete Infektionskrankheit, die durch Einzeller im Blut (Plasmodien) hervorgerufen wird. Als Zwischenwirt dient den Plasmodien die Anophelesmücke; durch deren Stich wird der Erreger in das Blut des Menschen übertragen, wo er sich durch ungeschlechtliche Teilung (Schizogonie) massenhaft vermehrt. Die hierbei entstehenden Sporozoiten wachsen zunächst in den roten Blutkörperchen heran, dann teilen sie sich in zahlreiche Merozoiten, die durch Zerfall der Blutkörperchen frei werden und jeder für sich erneut in ein Blutkörperchen eindringen, wo sich der Vorgang wiederholt. Hierbei wird der Blutfarbstoff verbraucht und ein dunkles Pigment ausgeschieden, das in Leber und Milz gespeichert wird. Bei größeren Mengen von Erregern führt jeder Teilungsprozess und Blutkörperchenzerfall zu einer Fieberreaktion mit Schüttelfrost.
->   Mehr zu Malaria
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Keine signifikanten Trends
Die Rekonstruktion der Wettergeschehnisse zwischen 1911 und 1995 ergab allerdings keine signifikante Änderung oder Steigerung der dortigen Temperaturen, des örtlichen Niederschlages oder der Anzahl der Monate, in denen die Witterungsverhältnisse eine Übertragung der Malariaerreger von Mücke auf Mensch begünstigt hätte.

"Das Klima hat sich in der von uns aufgezeichneten und untersuchten Zeit praktisch nicht geändert. Deshalb kann es auch nicht für die drastische Zunahme an Malariainfektionen verantwortlich gemacht werden", erklärt Hay.
Ökonomie, Politik und Lebensstil...
In dieselbe Kerbe wie sein Kollege Simon Hay schlägt Paul Reiter, ein Spezialist in Sachen insektenübertragener Krankheiten der "Havard School of Public Health".

"Die wichtigsten Faktoren bei der Verbreitung von Tropenkrankheiten sind in den meisten Fällen ökonomische und politische Umstände sowie eine Frage des Lebensstils", erklärt Reiter.
Auch in gemäßigten Breiten kein Thema
Zur Untermauerung ihrer Hypothese führen Hay und Reiter an, dass selbst in den gemäßigten Klimazonen Europas und Nordamerikas die Klimaerwärmung nicht für auftretende Malariafälle verantwortlich gemacht werden kann.

Malaria trat in Europa und Nordamerika bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, konnte allerdings durch den massiven Einsatz von Insektiziden und der großflächigen Trockenlegung weiter Sumpfgebiete nahezu ausgerottet werden.
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Malaria in Europa
Im alten Rom war Malaria bereits als gefährliche Krankheit bekannt. Der römische Handels- und Reiseverkehr gilt als denkbare Ursache für die Verbreitung der Malaria im nördlichen Mittelmeergebiet.

Die pontischen Sümpfe waren wahrscheinlich nie malariafrei. Endgültig ausgerottet wurde die Malaria dort im 20. Jahrhundert mit der Trockenlegung aller großen Feuchtgebiete und Verteilung von Chinin an die Bevölkerung. Mit zunehmenden römischen Verkehr nördlich der Alpen, gelangten die Malariaerreger auch in die Mündungsgebiete der großen Flüsse Germaniens.

Bis zum 1. Weltkrieg gab es fünf Millionen europäische Fälle jährlich. In Moskau z.B. übertrafen Malariatodesfälle manchmal die von Typhus, Pocken, und Diphtherie zusammen. Durch das ganze Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein war Malaria in Europa weit verbreitet. Periodische Klimaschwankungen und unterschiedliche Durchschnittstemperaturen ließen die Erreger bis Nordschweden vordringen.
->   Die Ursprünge der Malaria
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Klimafaktor noch nicht vom Tisch
Für Jonathan Patz, der sich mit den Zusammenhängen von Klima und Gesundheit an der "John Hopkins University of Baltimore" beschäftigt, bedeuten die vorliegenden Ergebnisse keineswegs, dass eine Klimaveränderung nichts mit einer Zunahme von Malariafälle zutun hat.

Es gibt seiner Ansicht nach sehr wohl Gegenden in Ostafrika, die eine eindeutige Klimaerwärmung zeigen. Patz glaubt den Fehler in der vorliegenden Studie darin zu sehen, dass das Team von Hay einen langen Klimazeitraum mit einem zu kurzen Zeitraum der Krankheitsverläufe verglich.

Patz spricht sich für ein Untersuchungsmodell aus, dass Klimafaktoren, Krankheitsstatistiken und soziale Faktoren simulatan im selben Ausmaß berücksichtigt. Das könnte helfen, den genauen Stellenwert von Klimaveränderungen auf die Verbreitung tropischer Krankheiten zu bestimmen.
->   Department of Zoology, Oxford University
->   Johns Hopkins School of Hygiene and Public Health
 
 
 
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01.01.2010