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Fischfang gefährdet Europas Korallenriffe  
  Wenigen ist dies bewusst, doch auch im kalten Atlantik an Europas Küste existieren Korallenriffe. Diese sind allerdings einer neuen Studie zufolge durch den Fischfang mit Schleppnetzen zunehmend bedroht.  
Rund 4.500 Jahre alt sind die Korallenriffe vor der Küste Norwegens, Irlands und Schottlands nach Schätzungen von Experten. Diese Jahrtausende alten maritimen Ökosysteme sind nun durch den Tiefseefischfang stark gefährdet, wie ein internationales Wissenschaftlerteam in den "Proceedings" der britischen Royal Society berichtet.
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Korallen und Korallenriffe
Korallen sind so genannte Blumentiere. Mit mehr als 6.500 Arten bilden sie die umfangreichste Klasse der Hohltiere und sind ein wesentlicher Bestandteil des globalen, marinen Ökosystems. Sie besiedeln über 50 Prozent der Meeresfläche, gedeihen am besten in nährstoffarmen Wasser und schaffen so einen Lebensraum für zahlreiche Meeresbewohner.

Korallenriffe gelten heute neben dem tropischen Regenwald als artenreichster Lebensraum der Erde. Über 400.000 Arten vermuten Wissenschaftler in den Riffen, die meisten davon sind Kleinlebewesen, die sich in den Kalk der Riffe bohren oder in den engen Spalten leben. Bekannt sind bis jetzt nur rund 60.000 Arten. Korallenriffe gibt es nicht nur - wie weithin bekannt - in den tropischen Ozeanen, sondern auch im Nordatlantik an Europas Küste.
->   Mehr dazu beim WWF: Coral reefs in the North Atlantic
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Korallen als "Beifang" im Fischnetz
Das Forscherteam um Jason Hall-Spencer von der University of Glasgow und der schottischen Millport Marine Station analysierte zum einen den Inhalt von Schleppnetzen, die in den betroffenen Gebieten eingesetzt worden waren.

Dabei fand sich laut Studie eine ganze Reihe von Organismen als so genannter "Beifang": abgebrochene Korallenstücke von bis zu einem Quadratmeter Fläche ebenso wie in den Riffen lebende Schwämme - für die Fischer lediglich unverwertbarer Abfall.
Unterwasseraufnahmen zeigen Beschädigungen
Mit ferngesteuerten Unterwasserboten untersuchten die Forscher zudem zwei norwegische Korallenriffe: Rund um das eine war kommerzieller Fischfang mit Schleppnetzen betrieben worden, die Umgebung des anderen war davon unberührt geblieben.

Entsprechend waren die Ergebnisse der Analyse: Das vom Fischfang betroffene Riff war mit "Korallenschutt" bedeckt, während sich bei dem anderen keinerlei Zeichen von Beschädigung fanden. Die Korallenriffe liegen in einer Tiefe von 200 bis 1.300 Metern.
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Tiefe Spuren durch "otter boards"
Ebenso fanden sich bei dem geschädigten Riff tiefe Spuren der so genannten "otter boards": große Metallplatten zu beiden Seiten der Netzöffnung, die für das nötige Gewicht sorgen und beim Fischfang durch den Meeresboden "pflügen". Die Forscher konnten Furchen ausmachen, die zwischen fünf und zehn Zentimeter tief durch das Riff führen.
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Beispiel Norwegen: 50 Prozent schon zerstört?
Experte Hall-Spencer hält dies für eine "versehentliche Beschädigung": Die Fischer seien keine Vandalen, sagte er gegenüber BBC online. Er weist jedoch auf den großflächigen Schaden an den Riffen hin.

Die Fischkutter decken seinen Berechnungen zufolge auf einer Fangfahrt von 15 Tagen rund 33 Quadratkilometer an Fläche ab. Mit dieser Art von Behandlung würden die Riffe "nicht ewig halten", so die Prognose des Wissenschaftlers.

Nach Schätzungen von Experten hat etwa Norwegen mittlerweile rund 50 Prozent der Korallenriffe verloren, wie Hall-Spencer erzählt. Das Land habe daher gerade ein Pauschalverbot für Fischen in den Riffbereichen verhängt.
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Die Entstehung der ersten Korallenriffe
Die ersten Riffe entstanden vor zwei Milliarden Jahren im Präkambrium: Cyanobakterien waren damals die "Baumeister" der so genannten Stromatolithen-Riffe. Es folgten Riffe aus Hydrozoen sowie tabulaten und rugosen Korallen im Silur und Devon vor über 450 Millionen Jahren. Rotalgen, Kieselschwämme, Brachiopoden, Bryozoen, Muscheln, Röhrenwürmer waren die damaligen Riffbildner. Die heute vorherrschenden scleractinen Korallen tauchen erst im Jura vor 190 Millionen Jahren als "Baumeister" auf.
->   Mehr Informationen zu Korallenriffen in www.riffe.de
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WWF: EU-Schutz für Riffe notwendig
Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation WWF sind Maßnahmen zum Schutz der europäischen Korallenriffe dringend notwendig.

Stephan Lutter, Leiter des WWF Nordatlantik-Programmes, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass 2002 eine Liste aller Meeresgebiete fertig gestellt werden soll, die nach der Habitatsrichtlinie der EU unter Schutz gestellt werden. Zudem gebe es dieses Jahr eine Überprüfung der allgemeinen EU-Fischereipolitik.

"In beiden Fällen bieten sich hervorragende Möglichkeiten für die Rettung dieser wunderbaren Naturjuwelen", so Lutter in einer Aussendung vom Dienstag. Die Umweltschützer hoffen etwa darauf, dass Irland einen EU-Antrag zum Schutz der irischen Riffe stellt.
Überdenken der Fischfangmethoden
Die Forderungen des WWF: Spezielle Schutzklauseln im neuen EU-Fischereirecht sowie ein generelles Überdenken der industriellen Fischfangmethoden, um ein "Leerfischen" der Meere zu verhindern.
->   Die britische Royal Society
->   Millport Marine Station
->   WWF Österreich
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Artenvielfalt in Korallenriffen bedroht
->   Korallensterben: Oasen der Meere in Gefahr
->   Fidschi-Inseln: Korallen
 
 
 
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01.01.2010