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Kein freier Wille: Auswirkungen auf Rechtssystem?  
  Die Frage des freien Willens gehört zu den zentralen aktuellen Fragen an der Berührungsfläche von Natur- und Kulturwissenschaften. Wolf Singer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung nimmt zu den Implikationen für das Rechtssystem Stellung.  
Derzeit beschäftigen sich vor allem die Hirnforscher mit dem Problem, ob der Mensch - wie seit jeher angenommen - Wahlfreiheit genießt oder ob seine Gedanken, Assoziationen und Handlungen nicht vielmehr allein aus den physischen Veränderungen seines Gehirnzustandes resultieren.
Freier Wille nichts als Illusion?
Dann wäre das alte Postulat vom freien Willen tatsächlich nichts mehr als eine "nützliche Illusion", wie der Bremer Neurobiologe Gerhard Roth unlängst urteilte.

Wolf Singer geht das Problem des freien Willens über eine Unterscheidung zweier verschiedener Perspektiven an. Normalerweise urteilen Naturwissenschaftler bei der Beschreibung ihrer Forschungsobjekte in der Dritte-Person-Perspektive, wo Untersuchungsgegenstand und Untersuchender nicht identisch sind.
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Forscher selbst wird zum Forschungsobjekt
Bei der Suche nach den neuronalen Grundlagen psychischer Phänomene wie Bewusstsein oder freier Wille sieht sich der Wissenschaftler jedoch einem Dilemma gegenüber, denn er erhebt sich nun selbst zum Objekt seiner Forschung. Das bedeutet, der Hirnforscher nimmt neben der wissenschaftlichen Perspektive immer auch unweigerlich die intuitive Ich-Perspektive ein.
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Perspektive entscheidend
Verblüffenderweise fällt die Antwort auf die Frage nach dem freien Willen je nach Perspektive unterschiedlich aus: Während er bei der
naturwissenschaftlichen Herangehensweise als nicht existent angesehen werden muss, ist er auf der sprachlichen und kulturellen Ebene real erfahrbar und führt zu eindeutigen Manifestationen in unserer Erfahrungswelt.

Was aber bedeutet das Ende des freien Willens auf der naturwissenschaftlichen Ebene? Müssen wir nicht unser gesamtes Justiz- und Erziehungswesen neu gestalten, wenn der alte Gedanke, die Menschen könnten ihre Entscheidungen frei treffen, hinfällig wird ?

Singers überraschende Antwort lautet hier, dass sich unsere Haltung etwa Straftätern gegenüber zwar ändern wird - in seinen Augen werden wir nachsichtiger und verständnisvoller -, dass unser Umgang mit ihnen jedoch derselbe bleibt wie bisher.
->   Max-Planck-Institut für Hirnforschung
Mehr zum Thema auf science.orf.at
->   Gehirnforschung: Der Struktur auf der Spur
 
 
 
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01.01.2010