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Hans Pechar: 50% Drop-out sind keine Lappalie
Leiter der Abteilung "Hochschulforschung" am Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universitäten Klagenfurt, Wien, Innsbruck und Graz (IFF).
 
  Von der "Weltklasse", die das Bildungsministerium auf seiner Homepage mit vornehmer Zurückhaltung in Aussicht stellt, sind die österreichischen Universitäten noch ein Stück weit entfernt. In einem Punkt aber liegen sie wirklich im Spitzenfeld: bei der Drop-out Quote. Nur etwa die Hälfte der Studenten, die ein Universitätsstudium beginnen, beenden es mit einem regulären Abschluss.  
Unterschiedliche Bewertungen
Dieser Umstand wird sehr unterschiedlich bewertet. Für Studentenvertreter und die staatliche Verwaltung ist es ein Beleg für Defizite in der universitären Lehre.

Hochschullehrer hingegen sehen darin eine Art Selbstreinigungseffekt der Universität, bei dem diejenigen, die für ein Studium ungeeignet sind, eliminiert werden.

Vertreter der Wirtschaft schließlich betrachten Studienabbrecher häufig als Reservoir für ein zwischen den formellen Qualifikationsstufen angesiedeltes flexibles Arbeitsmarktsegment.
Kein Anlass zu Bagatellisierung
Jede dieser Perspektiven kann gute Gründe für sich in Anspruch nehmen. Dennoch sollte man die hohe Abbruchsquote nicht bagatellisieren. Aus mehreren Gründen.
Vergeudung von Ressourcen
Da ist zunächst die subjektive Perspektive des Abbrechers. Zwar ist der Studienabbruch nicht schlechthin eine Vergeudung von Ressourcen und Lebenszeit.

Auch ohne formellen Abschluss haben Abbrecher in der Regel wertvolle Qualifikationen erworben. Trotzdem hat diese Lebensphase für sie mit keinem wirklichen Erfolgserlebnis geendet, wenngleich sie ihr Scheitern häufig verdrängen und trotzig mit antiakademischen Ressentiments übertünchen.

Das drückt sich auch in den Arbeitsmarktchancen aus. Die Flexibilität, von der die Wirtschaft schwärmt, macht sich auf der Angebotsseite in schwächeren Gehältern bemerkbar. Vor allem auf internationalen Arbeitsmärkten haben Menschen mit nicht-zertifizierten Qualifikationen klare Wettbewerbsnachteile.
Problem der Bildungsstatistiken
Aus bildungspolitischer Perspektive ergibt sich das Problem, dass in den Bildungsstatistiken der Qualifikationstand der Bevölkerung unterschätzt wird (die nicht-zertifizierten Qualifikationen sind ja nicht enthalten).

Das ist kein leeres Spiel mit Zahlen: Statistiken über die höchste abgeschlossene Bildung sind eine wichtige Basis für internationale Vergleiche, die u.a. zur Bewertung der Attraktivität von Wirtschaftsstandorten dienen.
Und wer trägt die Verantwortung?
Die hochschulpolitisch wichtigste - und zugleich umstrittenste ¿ Frage ist, wer die Verantwortung für den Abbruch trägt. Sind die Studenten zu dumm und/oder faul, oder liegt der Grund in einem Versagen der universitären Lehre?

Über diese Frage kann man in Österreich nicht rational diskutieren, denn der offene Hochschulzugang verhindert es, dass die Universitäten eine Verantwortung für den Ausbildungserfolg ihrer Studenten übernehmen.

Daher werden die verschiedenen Interessensgruppen auch in Zukunft ebenso sinn- wie folgenlose pauschale Schuldzuweisungen hin- und herschieben. Auf dem Rücken deren, die die Universität ohne Abschluss verlassen.
->   IFF - Hochschulforschung
 
 
 
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01.01.2010