News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Frank Lander: Studienabbrecher?
Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
 
  Das Beenden eines Studiums ohne formalen Abschluss ist ein komplexer Vorgang, der von vielen sehr unterschiedlichen Faktoren bestimmt wird. Bis zur Einführung der Studiengebühren war dieses formale Beenden überhaupt nicht fassbar, da eigentlich jede Studentin und jeder Student ein einmal begonnenes Studium zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt beenden und dazwischen immer wieder inskribieren konnte, ohne tatsächlich an Lehrveranstaltungen teilzunehmen oder Prüfungen zu absolvieren.  
Das Problem sollte nicht überbewertet werden
Trotz dieser relativ freien Gestaltung des Studienablaufs hat Österreich weltweit die höchste Studienabbruchsquote und nimmt beim Akademisierungsgrad der Bevölkerung unter den hoch industrialisierten Ländern einen Platz unter den Letzten ein.

Unter diesen Prämissen ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder nach Möglichkeiten gesucht wird, die Studienerfolgsquote zu erhöhen. So wünschenswert diese Bemühungen auch sind, sollte man doch die derzeitige Lage der Studienabbrecher nicht überbewerten.
Schulversagen in Österreich
Schulversagen ist in Österreich ein Phänomen, das sich durch das gesamte Schulsystem zieht - hätte man nicht vor vielen Jahren eingeführt, dass die 1. Schulstufe nicht zwangsweise wiederholt werden darf, würden auch heute noch so manche Kinder ihren ersten Kontakt mit dem Schulsystem mit einem Erlebnis des Misserfolges beginnen.

Dies setzt sich im weiteren Schulverlauf fort und erreicht nach erfüllter Schulpflicht einen ersten Höhepunkt ¿ in vielen Höheren Berufsbildenden Schulen verlassen mehr als ein Viertel der SchülerInnen wegen ihres schulischen Misserfolgs das Schulsystem für immer.
Wert der Bildung
Es stellt sich hier wohl die Frage, ob Bildung in Österreich ein individuelles und gesellschaftliches Gut ist, das einen großen Wert darstellt, oder ob diese gar nicht so erstrebenswert ist.
Demotivation und Resignation
Die aufgezeigten Probleme sind nicht neu, aber wurden deshalb die betroffenen Schulen massiv ausgebaut oder besonders gefördert?

Die Vertreter der betroffen Institutionen meinen, dies sei nicht der Fall. Es stimmt, dass sich die Betreuungsverhältnisse zwischen SchülerInnen bzw. StudentInnen und Lehrenden nicht wirklich verbessert haben und viele (Hoch-)Schulen den erfreulich stark gestiegenen Bildungswünschen der österreichischen Jugend nur mit beschränkt vielen Ausbildungsplätzen entsprechen können.

Diese Situation führt natürlich bei vielen Bildungswilligen zu Demotivation und schließlich Resignation.
Langer Weg durch das Bildungssystem
Unter diesen Umständen zu fragen, welcher Schaden einer Volkswirtschaft durch ein abgebrochenes Studium entsteht, erscheint mir fast zynisch. Jede Studentin, jeder Student hat, bis sie/er das Studium nicht mehr fortsetzt, einen langen Weg durch das Bildungssystem hinter sich.

Bei vielen ist es ein gleitender Übergang von gelegentlichen Jobs zu einer Daueranstellung, bei vielen Studentinnen die Einsicht, dass die Betreuung des/r Kindes(r) mit dem Studium nicht mehr vereinbar ist, die diese StudentInnen veranlasst, ihr Studium aufzugeben.
Eingliederung in den Arbeitsprozess
Wie die Erwerbsquoten der Jahre 1971/81/91 (Volkszählung) zeigen, finden bzw. suchen gerade Frauen, deren höchste abgeschlossene Ausbildung eine Matura der Allgemeinbildenden Höheren Schule ist - zu einem hohen Prozentsatz Studienabbrecherinnen -, nur in deutlich geringeren Maße als ihre Kolleginnen mit einem abgeschlossenen Studium einen Arbeitsplatz.

Aber auch bei den Männern mit AHS-Matura als höchste abgeschlossene Ausbildung dauert es lange, bis sie in den Arbeitsprozess eingegliedert sind.

Weshalb auch für diese Qualifikationsebene bei den Frauen die zweitniedrigste und den Männern die niedrigste durchschnittliche Erwerbsquote bei allen Volkszählungen festgestellt wurde.

Leider kann in einer so kurzen Stellungsnahme nur ein sehr kleiner Ausschnitt des Problems des Studienabbruchs andiskutiert werden. Ohne Zweifel wäre aber eine ausführliche mit Untersuchungen gestützte Diskussion von Schul- bzw. Studienversagen unserem Bildungssystem sicherlich förderlich.
->   ÖAW - Institut für Demographie
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010