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Orchideen täuschen Insekten  
  Im Rahmen der "Karl von Frisch-Lectures" hielt der Evolutionsbiologe Hannes Paulus gestern in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einen Vortrag über die raffinierten Bestäubungsstrategie einer bestimmten Orchideengattung.  
Sexualparfüm und Pollensuperkleber
Orchideen der Gattung "Ragwurz" produzieren ein Duftstoffgemisch, das den Sexuallockstoffen weiblicher Bienen entspricht. Gerät eine männliche Biene in diese unwiderstehliche Duftfahne von Pheromonen, sucht sie die Quelle der Betörung auf, um sich zu paaren.

Bei diesem Täuschungsmanöver heftet die Orchidee der männlichen Biene ihre beiden Pollensäcke mit einer Art Sekundenkleber an. Sucht das enttäuschte Insekt nach dem vergeblichen Paarungsversuch eine weitere Orchidee auf, kann eine Bestäubung erfolgen.
Optische und taktile Reize
Mit Hilfe von gaschromatografischen Analysen hat der Evolutionsbiologe Hannes Paulus das Sexualparfüm der weiblichen Bienen und das Orchideen-Imitat untersucht.

Das Resultat: beide Substanzen bestehen aus ca. 200 verschiedenen Duftstoffmolekülen, die für die sexuelle Anlockung entscheidenden zwölf Moleküle sind dabei identisch.

"Zusätzlich gleicht die Blüte der Ragwurz-Orchidee auch optisch einer weiblichen Biene und fühlt sich offensichtlich auch so an. Die Mimikry-Taktik der Pflanze hat auch ihren taktilen Reiz", sagt der Evolutionsbiologe Paulus. Die Blüte imitiert z.B. den Haarstrich von Insekten, an dem die männlichen Bienen die richtige Begattungsposition ausrichten.
Körpergeruch verhindert Selbstbestäubung
Die Täuschungsstrategie funktioniert aber nicht zwei Mal beim selben Insekt. Jede Orchidee hat sozusagen auch einen "individuellen Körpergeruch", den die männliche Biene wieder erkennt, sagt Paulus. Dadurch wirkt die Natur der Selbstbestäubung vor.

Die Ragwurz-Orchidee wächst vornehmlich im warmen Mittelmeerraum. Ihre Mimikry-Kunststücke können aber auch in der Umgebung von Wien - am Bisamberg und an den Südhängen des Wienerwalds beobachtet werden.
Meister der Nachahmung und Täuschung
Weltweit gibt es ca. 20.000 verschiedene Orchideenarten. Das Gros der Pflanzen arbeitet mit Mimikry-Methoden, um ihren Bestäubungserfolg zu maximieren.

Die meisten Arten täuschen dabei Nahrung vor, welche die Bestäuber anlockt. Die sexuelle Verführungstaktik der Ragwurz-Orchidee sei eine besonders subtile, aber auch wirksame Form von Mimikry, so der Evolutionsbiologe Hannes Paulus.

Armin Stadler, Ö1-Wissenschaft
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01.01.2010