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Usability: Funktionalität - eine Frage des Designs?  
  Usability-Studien haben Konjunktur. Sie sollen die Brauchbarkeit z.B. von Flugzeug-Cockpits, Atomkraftwerken, Web-Sites oder einfach einer Tür verbessern. Und Design-Fehler zu vermeiden helfen.  
Denn mancherorts können kleine Design-Fehler zu katastrophalen Folgen führen, so die New York Times. Im Flugzeugcockpit etwa: Bei einem Flugzeugabsturz 1994 in Japan kamen 264 Menschen ums Leben. Was zum Teil daran lag, dass der Pilot sich nicht bewusst war, dass der Autopilot eingeschaltet war.

In einigen Maschinen waren zwei direkt nebeneinanderliegende identische Griffe für zwei Funktionen des Autopiloten zuständig: für die Richtung und für die Geschwindigkeit. Inzwischen ist die Form der Griffe verändert worden, so dass sie der Pilot durch bloße Berührung voneinander unterscheiden kann.
Design muss psychologischen Gesetzen entsprechen ...
Die Arbeit eines Usability-Experten besteht aus zwei Phasen: In erster Linie muss sichergestellt sein, dass das Design eines Gegenstands auch die altbekannten psychologischen Gesetzmäßigkeiten ernst nimmt. Eine Tür ohne Griff beispielsweise suggeriert, dass sie aufzudrücken ist, ein Griff aber, dass man sie aufziehen kann.
... und im zweiten Schritt überprüft werden
Zweitens muss dann aber auch überprüft werden, ob die Menschen den Gegenstand auch so verwenden, wie er entworfen wurde.
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In den USA zählt die Vereinigung der Usability-Experten schon beinahe 1.700 Mitglieder. Im letzten November durfte sich dort die Branche über die "Butterfly Ballots" aufregen - die sonderbare Auflistung der Präsidentschaftskandidaten auf den Stimmzetteln, die in Florida bei der Wahl des US-Präsidenten für Verwirrung sorgte.
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Usability-Test vermeidet Verwirrung
Hätte man einfache Usability-Tests auf diesen Stimmzettel angewandt, hätte sich das Problem mit all seinen Konsequenzen womöglich vermeiden lassen, verlautbarte die "Usability Professional's Association".
Die Aufgabe richtig verstehen
Für ein gelungenes Design muss die Aufgabe richtig verstanden werden. In Palm Beach County, Florida, war die Aufgabe einfach: die Wahl des Präsidenten. Wer für Bush stimmte, hatte es einfach: Das erste Loch, das man stanzen konnte, entsprach der Stimme für George Bush. Da gab es wenig Möglichkeiten, sich zu täuschen.

Ganz anders für einen Anhänger von Al Gore: Der zweite Name auf der Liste entsprach nicht dem zweiten zu stanzenden Loch. Dieses nämlich war für Pat Buchanan reserviert, der in einer zweiten Spalte rechts als erster angeführt war. Selbst Buchanan führte sein besonders gutes Abschneiden in Florida auf das sonderbare Design des Wahlzettels zurück.
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Keine High-tech Strategien zur Fehlervermeidung nötig
Die Strategien zur Vermeidung von Fehlern müssen nicht unbedingt High-tech sein. Um beim Wahl-Beispiel zu bleiben: In den altmodischen Wahlkabinen etwa können die Hebel nicht ein zweites Mal betätigt werden, wenn schon ein Kandidat gewählt wurde. Das eliminiert automatisch die Möglichkeit der doppelten Stimmabgabe, die in Palm Beach County zu mehr als 19.000 ungültigen Stimmen führte.
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Testphase genauso wichtig wie Entwicklung
Die Testphase ist nicht minder wichtig als die Entwicklung eines guten Designs. Denn auch gute Absichten können schlechtes Design zur Folge haben.

In Palm Beach County hatte man sich für besagtes "Schmetterlingsformat" entschieden, um die Namen der Kandidaten in größerer Schrift erscheinen zu lassen. Man wollte den älteren Mitbürgern das Lesen der Namen erleichtern.

"Das zeigt, das jedes Design auch Nachteile birgt", sagt Jakob Nielsen, ehemaliger Usability-Spezialist bei Sun Microsystems. Schon eine kleine Usability-Studie hätte auf die Probleme mit der Stimmabgabe hingewiesen.
Zweifel an den Methoden
Es bestehen allerdings auch Zweifel an den Methoden der Brauchbarkeitsstudien: Insbesondere Statistiker kritisieren die geringe Zahl der Versuchspersonen, die für eine Usabiltiy-Studie herangezogen werden.
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Für Usability-Standards sind rund 100 Versuchspersonen schon eine ganze Menge. Doch im Vergleich zu großen Umfragen oder medizinischen Studien, die ihre Rückschlüsse aus Hunderten oder Tausenden Befragten ziehen, scheinen diese Usability-Studien sich auf dünnem Eis zu bewegen.
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Dagegen meinen Usability-Experten, ihre Studien bedürften gar nicht der Präzision medizinischer Studien. Das genaue Ausmaß der Verwirrung beispielsweise im Fall der Florida-Wahl ist nicht von Bedeutung. Es reicht aus, dass man weiß, dass es bedeutende Probleme geben kann.


"Menschen sind eine besonders fehleranfällige Gattung", meint Nielsen. "Es ist sehr schwer, die menschliche Natur zu ändern. Aber das Design kann man leicht verändern - wenn man sich nur die Mühe macht."
->   The New York Times
->   Usability Professional's Association

 


Der umstrittene Wahlzettel aus Palm Beach County, Florida.
 
 
 
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01.01.2010