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Ehrlich-Preis an Genom-Entschlüsseler Craig Venter  
  Der amerikanische Biochemiker Craig Venter hat jetzt den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis erhalten. Der 55-Jährige war an der Entzifferung des menschlichen Genoms beteiligt. Kritik an der Preisverleihung gab es jedoch bereits im Vorfeld.  
Die Preise erhielt Craig Venter am Donnerstag, den 14.3., für die von ihm entwickelte Methode zur schnellen Entzifferung des Erbguts. Die Auszeichnung ist mit über 61.000 Euro dotiert.

Venters Beitrag zur Genomforschung habe Auswirkungen auf nahezu jeden Aspekt in Biologie und Medizin, heißt es in der Begründung der Jury.
Auszeichnung für zwei Leistungen
Die Preise erhalte Venter zum einen für die von ihm entwickelte Methode zur Entschlüsselung der Erbinformation, erläuterte der Juror und Direktor des Robert Koch-Instituts in Berlin, Reinhard Kurth, zum anderen für die ersten Entschlüsselungen, mit denen er bewiesen habe, dass das Verfahren funktioniere.

Der Stiftungsrat habe es laut Kurth bewusst vermieden zu sagen, welchen Anteil Venter an der Entschlüsselung des menschlichen Genoms hatte, um nicht in die Diskussion "reingezogen" zu werden.
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Craig Venter und seine Arbeit
Venter hatte 1995 als Erster das Erbgut eines Organismus komplett entschlüsselt. Nach den Bakterien Haemophilus influenzae, Helicobacter pylori und den Syphilis-Erreger "dröselte" Venter parallel zum Genom des Menschen die genetischen Baupläne der Fruchtfliege Drosophila und der Maus auf. Beide sind wichtige Modelle für die Suche nach den Wurzeln menschlicher Krankheiten. Venter ist zudem an der Ausarbeitung eines US-Gesetzes beteiligt, das verhindern soll, dass Menschen wegen ihrer genetischen Veranlagung benachteiligt werden.

Venter wählte die freie Wirtschaft, um schneller voranzukommen. Nach seinem Start bei den Nationalen Gesundheitsforschungsinstituten (NIH) in Bethesda (Maryland) gründete er das private Institut für Genomforschung "TIGR" und verdiente sich mit der Jagd nach Genen eine goldene Nase. Er hob Celera Genomics (celera, lat. = schnell, eilig) in Rockville (Maryland) mit aus der Taufe, die Firma, die ihm das Homo sapiens-Genom zu dekodieren half. Doch Venters Rechnung ging nicht auf. Die Fülle genetischer Daten, die das Unternehmen zum Abonnementspreis verkaufte, war weniger attraktiv für die Industrie als erwartet.
->   Celera Genomics
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Schrotschusstechnik als "High Speed"-Methode
Nach Ansicht des Genomforschers Craig Venter wird es in weniger als zehn Jahren möglich sein, den persönlichen Gen-Code eines Menschen innerhalb weniger Stunden "um nur wenige tausend Dollar" zu entschlüsseln.

Die Daten könne jedermann auf einem Chip mit sich herumtragen, sagte Venter am Mittwoch in Frankfurt. Sie könnten zum Beispiel Auskunft geben über die Veranlagung für bestimmte Krankheiten

Bei der automatischen Schrotschuss-Sequenzierung wird die Erbinformation in kleine Teile zerlegt und anschließend am Computer wieder zusammengesetzt.
"Venter bekommt den Preis zu Unrecht"
Die Auszeichnung des US-Wissenschafts-Unternehmers Craig Venter mit dem renommierten Paul-Ehrlich-Preis ist beim Deutschen Humangenomprojekt allerdings auf massive Kritik gestoßen.

Unzutreffend sei, dass Venter eine neue Methode zur Entschlüsselung großer Genome entwickelt habe, sagte der Koordinator des Projekts, Helmut Blöcker. Die grundlegende Methode, das so genannte Sequenzieren, sei lange bekannt gewesen und immer weiter entwickelt worden.
->   Deutsches Humangenomprojekt
Alles nur geklaut?
Zudem sei Venters Erfindung, die so genannte Schrotschusstechnik, unbrauchbar. Diese Art der Sequenzierung habe ein zu hohes Fehlerrisiko, weil sie Wiederholungen im Erbgut nicht berücksichtige, sagte Blöcker.

Auch habe Venter nie aus seinen eigenen Daten allein eine Humangenom-Sequenz zusammensetzen können. Alle Erkenntnisse seien nur mit Hilfe der Daten des öffentlichen Forschungsprojekts möglich gewesen.
Call and ...
Dass Venter den renommierten Ehrlich-Preis dennoch bekomme, kann sich Blöcker "nur durch Unwissenheit" erklären.

Die Leiter dreier Genomforschungszentren hatten kürzlich in der US-Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) ebenfalls Venters Methode kritisiert.
... Response
Die Jury hatte bereits am Mittwoch auf die Kritik reagiert. Venter habe die Entschlüsselung durch seine Schrotschusstechnik stark beschleunigt.

Der Laudator für den Ehrlich-Preis, Abner Notkins (Bethesda, USA), erläuterte, durch Venters Methode sei die Entzifferung des menschlichen Genoms in einem Bruchteil der Zeit möglich geworden.

Rino Rappuoli (Siena, Italien) sagte, das Verfahren der Sequenzierung sei tatsächlich seit Ende der 70er Jahre
bekannt, aber vor Venter habe die Wissenschaft kaum Nutzen aus dieser Technologie gezogen.
Der lachende Dritte
Venter selbst sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über seinen Beitrag zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms: "Das ist die Frage nach der Einstein-Einheit. Wie lange hätte es gedauert, bis jemand anderes die berühmte Entdeckung von Einstein gemacht hätte, wenn der Physiker nie geboren worden wäre."

Er sei stolz darauf, die Entzifferung des Genoms erheblich beschleunigt zu haben.
->   Mehr über Craig Venter und Genom-Entschlüsselung in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010