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Geist und Gefühl: Geichwertige Partner  
  Haben Kant&Co die Trennung von Ratio und Emotio postuliert und damit das Abendland nachhaltig beeinflusst, wollen nun US-Neurologen das Gegenteil bewiesen haben: Mentale Leistungen hängen stark von der Interaktion von Emotionen und kognitiven Fähigkeiten ab.  
Bereits zehn Minuten Horrorfilm oder auch "Prime-time-Comedies" beeinflussen jene Hirnregionen wesentlich, die für höhere kognitive Fähigkeiten wie logisches Denken und Auffassungsvermögen entscheidend sind.
Wenn die Stimmung zur Arbeit passt
"Um die beste mentale Leistung und das effizienteste
Muster an Gehirnaktivität zu haben, braucht man die Übereinstimmung von der Stimmung, in der man sich gerade befindet, und der Art der Aufgabe, der man gerade nachgeht", erklärt Jeremy Gray, Forscher an der psychologischen Abteilung der Washington University in St. Louis und Leiter der Untersuchung.

"Mentale Leistungen entstehen aus einer gleichwertigen Partnerschaft zwischen emotionalem Zustand und kognitiven Fähigkeiten." Die Studie wird am 19. März in "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht werden.
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Der Artikel wird in "Proceedings of the National Academy of Sciences", Ausgabe 19. März erscheinen und dort (kostenpflichtig) abrufbar sein. Der "Abstract":
->   Integration of emotion and cognition in the lateral prefrontal cortex
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Spiegelverkehrte Beziehung
Die Forschungen zeigten, dass "leichte" Angst bestimmte Arten schwieriger kognitiver Aufgaben verbesserte, aber andere hemmte. In angenehmer Stimmung war das prinzipiell ähnlich - verlief aber genau spiegelverkehrt.

Um den Einfluss von Stimmung auf mentale Leistung zu verstehen, müsse man die Art der Aufgabe miteinbeziehen. "Das Gehirn jedenfalls macht das," so Gray.

Mit dem hochentwickelten Verfahren der funktionellen Magnet Resonanz Tomographie (fMRI) zeichneten Gray und sein Team die Gehirnaktivität auf, als die Versuchspersonen nach kurzen, Affekt-auslösenden Videos schwierige geistige Aufgaben lösten.
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Die Studie
Das Experiment untersuchte den Einfluss von relativ "milden" Emotionen auf höhere kognitive Funktionen:
14 über 20-jährigen Versuchspersonen wurden Video-Clips gezeigt, die eine freundliche (mit Komödien wie "Candid Camera"), neutrale oder ängstliche Stimmung (mit Horrorklassikern wie "Halloween" und "Scream") hervorrufen sollten.

Nach den Clips wurden die Teilnehmer aufgefordert, kognitive Aufgaben, die das aktive Behalten von Information im Kurzzeit- oder im Langzeitgedächtnis erfordern, zu leisten. Den Teilnehmern wurde eine Serie von entweder Wörtern oder nicht vertrauten Gesichtern auf einem Bildschirm gezeigt. Danach wurden sie gefragt, ob das aktuelle Wort bzw. Gesicht das gleiche war wie jenes, das sie drei Bilder zuvor in der Serie gesehen hatten.
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Gelbe aktive Gehirnzentren
 


Die Teilnehmer hatten höhere Aktivität im präfrontalen Kortex, wenn sie entweder den Worttest in einer ängstlichen Stimmung, oder aber den Gesichtertest in einer angenehmen Stimmung lösen mussten.
Unter diesen Umständen, die die Teilnehmer subjektiv schwieriger empfanden, erschienen die beiden Gehirnareale im fMRI gelb, was eine höhere Aktivität bedeutet.

Im umgekehrten Fall waren die gleichen Regionen weniger aktiv und möglicherweise weniger effizient, also beim Worttest in einer angenehmen Stimmung bzw. beim Gesichtertest in einer ängstlichen Stimmung.
->   Funktionelle Magnet Resonanz Tomographie (fMRI)
Ein gewisser Teil des Hirns
Die Effekte der demonstrierten Videos hatten einen merklichen spezifischen Einfluss auf die Aktivitätsniveaus des Gehirns. Eine bestimmte Region des präfrontalen Kortex (Hirnrinde) war gemeinsam von einer Kombination des "Gefühlstatus" und der kognitiven Tätigkeit - nicht aber von einem alleine - beeinflusst.
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Die Gehirnregion im präfrontalen Kortex
Diese Region ist etwas oberhalb der Schläfe lokalisiert, nahe den Ecken der Stirn. Früher dachten die Forscher, dass das Areal entscheidend für "höhere geistige Funktionen" ist. Die aktuelle Arbeit jedoch zeigt, dass diese Gehirnzone entscheidend für die Integration von kognitiven Aufgaben zusammen mit emotionalen Signalen ist.
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Je schwieriger, desto weniger Emotionen
"Das Aktivitätsmuster in dem Areal wies zudem darauf hin, dass dieses eine regulierende Rolle spielt, da es auf die Änderungen der subjektiven Schwierigkeit, die durch die unterschiedlichen emotional-kognitiven Kombinationen hervorgerufen waren, antwortete", so Todd Braver, Psychologe und Direktor des Studien-Labors.

"Unser Beweis ist, dass die Aktivität in dieser Region mit dem Leistungs-Verhalten korreliert: Schwierigere Tätigkeiten vermindern den Einfluss von Emotionen auf das Verhalten."
Widerlegt
Außerdem scheinen diese Forschungen die weitverbreitete Ansicht zu widerlegen, wonach sich schlechte Stimmung immer nachteilig auf die geistigen Leistungen auswirke, und gute Stimmung immer von Vorteil sei.
Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Übertragen auf die Wirklichkeit könnten die Studienbedingungen etwa aus einem Streit mit dem Partner oder aus der Beobachtung eines blutigen Verkehrsunfalls resultieren.

"Wie könnten die nachklingenden Effekte dieser störenden, aber nicht traumatischen emotionalen Erfahrungen die beruflichen Leistungen beeinflussen? Unterscheidet sich dieser Einfluss, wenn es sich um einen überwiegend verbalen Job - z.B. Rechtsanwalt - oder um einen non-verbalen Job - z.B. Pilot - handelt? Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Art der Arbeit einen großen Unterschied machen könnte", so Gray.
->   Washington University in St. Louis
 
 
 
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01.01.2010